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Warum es nicht ok ist, Frauen nach dem Kinderwunsch zu fragen

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„Und, wann ist es bei euch so weit?“ Die Frage nach dem Kinderwunsch ist in jedem Bewerbungsgespräch ein Tabu. Was aber, wenn es im Freundeskreis ständig geschieht?

Sobald man ein gewisses Alter erreicht hat und in einer festen Beziehung ist, ist es so weit. Plötzlich fühlen sich Krethi und Plethi dazu ermutigt, einen zum Kinderwunsch zu befragen.

Beziehungsweise: Die meisten fragen gar nicht OB man ein Kind bekommen möchte, sondern nur, WANN es denn soweit ist. Gerne noch mit einem „endlich so weit““ dekoriert“ dabei.

Jeder kennt diese Fragen von Freunden und vor allem auch von Verwandten auf Familienfeiern. Und sie mögen sehr nett gemeint sein. Dennoch gibt es ein paar gute Gründe, sich diese Frage zu verkneifen. Einzige Ausnahme natürlich: Man selbst signalisiert, dass man über das Thema Kinderwunsch sprechen möchte.

Gehen oder bleiben: Was tun, wenn man Kinder möchte, der andere aber nicht?

Wenn in einer Beziehung einer von beiden Kinder bekommen will, der andere aber nicht, stehen die Zeichen auf Sturm. Was soll man tun, wenn man sich liebt, in der Kinderfrage aber so ganz anders denkt? Sich trennen oder auf seine Ziele verzichten?

Die kleinen Schönheitsfehler bei der Frage nach dem Kinderwunsch

Es gibt bei der Frage „Wann es denn bei X oder Y so weit ist mit dem Kinderkriegen“ etliche Schönheitsfehler. Zuallererst: Ich empfinde es als eine der persönlichsten Fragen, die man stellen kann, ob jemand Kinder haben möchte oder nicht.

Gerade weil es hier um einen Menschen geht, für den man sich entscheidet, für dessen Wohl man verantwortlich ist und für den man sein Herzblut geben würde. Es ist ein Thema, das letztlich niemanden etwas angeht – außer einen selbst.

Nächster Schönheitsfehler: Wer sagt denn, dass man als Frau oder Paar automatisch einen Kinderwunsch hat? Es ist ein Lebensentwurf. Ein toller, aber eben nicht der alleinige, den wir blind voraussetzen können.

Zudem wird in der Regel nicht nur einmal gefragt, sondern in regelmäßigen Abständen bei jedem Treffen, als wäre es ein ganz normales partytaugliches Smalltalkthema, direkt nach „Wie geht’s?“ und dem Wetter.

Unfreiwillig kinderlos: Womöglich ein Sprung in einen metertiefen Fettnapf

Zudem kann diese Frage auch zu einem Kopfsprung in den Fettnapf werden. Dann nämlich, wenn man auf jemanden trifft, der nicht freiwillig kinderlos ist.

Ich kenne etliche Paare, bei denen es mit dem Kinderkriegen auf natürlichem Weg lange Zeit nicht geklappt hat. Und auch einige, die ihren Wunsch trotz künstlicher Befruchtung letztlich begraben mussten.

Will man so ein Paar allen Ernstes auf einer Party auf die Schulter klopfen und fragen: „Und, Nachwuchs schon unterwegs?“ Wenn man Glück hat, bricht derjenige nicht direkt in Tränen aus.

Niemand kann ahnen, welche Befindlichkeiten die Kinderwunschfrage lostritt. Vielleicht ist der Wunsch nach einem Kind groß, aber kein*e Partner*in in Sicht. Vielleicht gibt es jemanden, aber derjenige will partout keine Kinder und es ist DAS große Streitthema in der Beziehung.

Oder man würde gerne ein Kind bekommen, darf es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht. Es gibt so viele Gründe – würde man sich die alle klarmachen, würde man sich seine ständige „nur nett gemeinte“ Abfragerei nach dem Familienstand sicherlich sparen.

Wer sagt, dass eine biologische Uhr tickt?

Als Mann ist man vor dieser Art übergriffiger Fragen noch eher gefeit. Schließlich kann ein Mann auch noch mit 70 ein Kind zeugen. Als Frau hat man diese Möglichkeit aber leider nicht. Und somit wird man spätestens mit 30 darauf hingewiesen, dass doch „langsam mal die biologische Uhr ticken würde“. Aber was, wenn man selbst nichts ticken hört?

Es gibt eben auch jene, die gar keinen Kinderwunsch hegen. Auch das ist vollkommen legitim, geht nur leider nicht in die Köpfe vieler Menschen. Denn nicht jede Frau muss den Sinn ihres Lebens darin sehen, ein Kind zu bekommen und großzuziehen. Tut ja auch nicht jeder Mann.

Manche Menschen sind auch gar nicht dafür geschaffen, Kinder zu bekommen, sie sind nicht dazu bereit, sie würden an dieser Aufgabe scheitern oder schlichtweg nicht glücklich werden. Und wenn das so ist, dann sollte die Umgebung das respektieren.

Dennoch werden Frauen, die sich gegen eigene Kinder entscheiden, sehr oft nach den Gründen gefragt. Geht die Karriere vor? Will man noch warten? Ist der Partner nicht der richtige? Will man sich lieber selbst verwirklichen?

So wie der Bekannte, der mich irgendwann in einer Kneipe gefragt hat, „was denn bei mir in meinem Leben falsch gelaufen sei“, wo ich doch keine Kinder hätte. Das macht schon sprachlos.

Eltern, Partner*in, Schwiegereltern: Wer darf fragen?

Natürlich ist es etwas anderes, wenn die eigenen Eltern fragen. Schließlich würde man selbst nicht existieren, wenn sie sich nicht für die große Aufgabe Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, entschieden hätten. Aber auch das sollte einen nicht dazu bringen, Dinge zu tun, die man selbst so nicht möchte.

Zugegebenermaßen: Es fällt bei der eigenen Familie schwerer, seine Grenzen zu ziehen. Schließlich teilt man mit diesen Menschen auch die eigenen Ängste und Sorgen. Dennoch sollten sich auch Eltern und Schwiegereltern mit ihrer Frage nach den womöglich ersehnten „Enkelchen“ zurückhalten. Jeder darf fragen. Aber zwischen fragen und drängen gibt es einen Unterschied.

Wer allerdings fragen darf: ganz klar. Der Mensch, mit dem wir eine Bindung eingehen. Denn hier macht es absolut Sinn, zu schauen, ob die Lebensplanung übereinstimmt. Nicht wenige Paare trennen sich sonst, obwohl sie sich lieben, weil der eine Kinder möchte und der andere nicht. Und das sollte nicht sein.

Chef, Gynäkolog*in & Co: Der ganz normale Wahnsinn im Leben einer Frau

Es ist bekanntermaßen nicht OK, dass der Chef im Bewerbungsgespräch das Thema Kinderwunsch anspricht. Es ist aber genauso nicht in Ordnung, wenn die Frauenärztin wiederholt danach fragt und vor allem, wenn sie ungefragt Folsäure verschreibt und sagt: „Jetzt sollten Sie aber mal schleunigst loslegen“, sobald man die 30 überschritten hat – alles schon passiert.

Und schon gar nicht OK ist es, wenn andere entrüstet sagen: „Das ist ja ziemlich egoistisch, keine Kinder zu bekommen“. „Wer zahlt denn dann deine Rente?“ „Hast du nicht Angst, im Alter einsam zu sein?“ – Ja. Natürlich hat man davor Angst. Danke für die Frage. Aber das allein sollte nicht der Grund für ein Kind sein.

Es gibt auch „weise“ Ratschläge wie: „Nicht lang nachdenken: Einfach machen.“ Oder „Überreden Sie Ihren Partner doch einfach!“ Wer sagt denn, dass es der Mann ist, der nicht möchte? Alles Dinge, die vorausgesetzt werden, die man aber so nicht als gesetzt sehen darf.

Wer ein Kind in die Welt setzt, sollte sich auf jeden Fall vorher Gedanken machen. Zum Wohle des Kindes. Schließlich übernimmt er die Verantwortung für ein Menschenleben.

Und jeder, dem die Frage nach dem Kinderkriegen dennoch auf den Lippen brennt: Trotzdem besser nicht fragen. Man sollte seinem Gegenüber nämlich nicht absprechen, dass sie (oder er) sich nicht schon selbst Gedanken zum Thema Kinder gemacht hat.

Auf einen penetranten Fragensteller auf einer Party hat mit Sicherheit niemand gewartet, um ein Kind in die Welt zu setzen.