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Harmonie vs. Zickenterror: Schwestern & ihre Beziehung zueinander

Harmonie vs. Zickenterror: Schwestern & ihre Beziehung zueinander
Harmonie vs. Zickenterror: Schwestern & ihre Beziehung zueinander Credit: GettyImages

Die Geschwisterliebe unter Schwestern kann unzählige Formen annehmen: Liebe, Hass, Neid, Bewunderung, manchmal auch Gleichgültigkeit … Eines kann man jedoch mit Sicherheit sagen: Die Beziehung zwischen Schwestern ist etwas ganz Spezielles.

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Schwestern haben ihre ganze Kindheit zusammen verbracht, sie haben alles miteinander geteilt, sind gemeinsam durch Kindergartenzeiten und Pubertät gegangen, haben miteinander gespielt und gestritten.

Und das prägt: „Egal ob kleine Schwester, große Schwester oder Sandwich-Kind: Alle werden zeitlebens von ihrem Familienschema, ihrer Geschwisterkonstellation und ihren kindlichen Erfahrungen geprägt“, sagt die Psychotherapeutin Maryse Vaillant, die sich ausführlich mit dem Thema Geschwister beschäftigt.

Es gibt verschiedene Konstellationen von Schwestern: Eben jene, die sich sehr nah sind und andere, die sich eher eifersüchtig beäugen. Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der unterschiedlichen Beziehungen unter Schwestern? Wir haben fünf Modelle von Schwestern und ihre Beziehung zueinander einmal von der Psychologin Magalie Favre analysieren lassen.

Im Video: Geschwister-Typen: So prägt die Familienkonstellation deinen Charakter

Harmonie vs. Zickenterror: Schwestern & ihre Beziehung zueinander

Modell 1: Unzertrennliche Schwestern – eine symbiotische Beziehung

Bei diesem Beziehungs-Modell ist die Schwester die Person auf der Welt, der man am nächsten steht. Beide rufen sich mehrmals täglich an, erzählen sich alle ihre Probleme und teilen Freud und Leid miteinander. Natürlich gibt es andere sehr enge Freundinnen. Aber das ist nicht das Gleiche.

Mit der eigenen Schwester verbinden beide etwas ganz Spezielles. Ein Blick genügt und man versteht sich. Ein Wort und sie brechen in schallendes Gelächter aus. Andere Menschen empfinden die Beziehung als etwas „Exklusives“. Oft fällt es beiden Schwestern schwer, einen Mann zu halten, denn Männer haben bei ihnen schnell das Gefühl, außen vor zu bleiben.

Das sagt die Psychologin:
Diese Art von Schwestern-Beziehung ist nicht unproblematisch. Beide haben um sich eine Art Kokon gebaut, den sie für sicher halten, der in Wirklichkeit aber das wahre Leben ausschließt. Der Kokon schützt sie nicht, sondern erstickt sie.

Das Problem wird für beide Schwestern darin bestehen, diesen Kokon aufzubrechen, ohne die jeweils andere auszuschließen. Und das ist ganz schön kompliziert. Jede von beiden muss akzeptieren, Beziehungen ohne ihre Schwester aufzubauen. Die Schwestern dürfen aber nicht den Eindruck haben, sich zu verlieren oder getrennt zu werden. Der Impuls darf nicht von außen kommen, der Wille muss von beiden ausgehen.

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Modell 2: Eifersucht unter Schwestern – eine schwierige Beziehung

Hier ist die große Schwester auf die kleine Schwester eifersüchtig, was sich natürlich negativ auf das Verhältnis auswirkt. Die Ältere stößt die Jüngere vor den Kopf und ist ihr gegenüber leicht aggressiv. Sobald sie in der Nähe ist, fühlt sich die Ältere gefährdet.

Oft denkt sie, die Jüngere sei hübscher, optimistischer, hat mehr Ausstrahlung, ist beliebter und erfolgreicher im Leben. Die Jüngere hingegen ist sich der Eifersucht überhaupt nicht bewusst und versucht, der älteren Schwester näherzukommen. Was diese noch mehr dazu bringt, auf Distanz zu gehen.

Das sagt die Psychologin:
Natürlich liebt auch die Ältere ihre jüngere Schwester! Das Problem ist, dass sie sich selbst nicht liebt. Wenn sie ihre eigenen Komplexe auf ihre jüngere Schwester übertragen hat, dann, weil sie die Jüngere als eine Art Doppelbild ihrer selbst betrachtet.

Was man oft bei älteren Geschwistern findet: Das Gefühl, dass es die Eltern bei den jüngeren Geschwistern „besser gemacht“ haben, dass sie nicht mehr dieselben Fehler begangen haben, wie beim Erstgeborenen, und dass die jüngeren Geschwister deshalb zwangsläufig besser sind.

Die Ältere muss vor allen Dingen ihr Problem mit ihrem Selbstbild lösen. Dazu muss sie mit ihren Eltern sprechen. Sie können ihr erklären, dass sie keinen Unterschied zwischen ihr und ihrer Schwester machen. Dass sie sie beide gleich lieben. Erst dann wird sich ihre Eifersucht in eine viel positivere Bewunderung umwandeln können.

Geschwisterbeziehungen unter der Lupe
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Modell 3: Gleichgültigkeit unter Schwestern

Die Tatsache, dass beide Schwestern dieselben Eltern und die gleiche Erziehung genossen haben, heißt noch lange nicht, dass man sich lieben muss. Manchmal ist einem die Schwester eher egal, zum Beispiel, wenn der Altersunterschied recht groß ist oder die Interessen und Sichtweisen sehr unterschiedlich sind.

Man hat sich einfach nichts zu sagen. Daran ändert auch die Blutsverwandtschaft nichts. Man sieht sich selten und geht getrennte Wege, ohne am Leben der anderen teilzuhaben. Jede Freundin steht einem näher und weiß mehr über einen, als die eigene Schwester.

Das sagt die Psychologin:
Manchmal sind Schwestern einfach völlig gegensätzlich. Und doch sind sie letztendlich nur die beiden entgegengesetzten Zweige eines Baumes: Die eine ist nach links, die andere nach rechts gewachsen. Die eine hat vielleicht ein Lebensmodell gewählt, das dem der Eltern widerspricht, die andere hat das elterliche Lebensmuster übernommen.

Auch wenn Schwestern unterschiedlich sind, fremd sind sie sich ganz gewiss nicht, schließlich haben beide gemeinsame Wurzeln. Und das ist die Basis jedes Individuums.

Wenn man sich dieser Realität bewusst wird, wird das sicher helfen, sich der Schwester anzunähern – oder wenigstens, sie besser zu verstehen. Indem man seine Schwester als Fremde betrachtet, verleugnet man die eigenen Wurzeln. Kein Gesetz der Welt verpflichtet Menschen dazu, die eigene Familie zu lieben. Aber diese Distanz hindert sie daran, persönlich weiterzukommen. Man muss ein Band zur Familie bestehen lassen – selbst wenn dieses angespannt ist.

Modell 4: Streit und kein Kontakt

Beide Schwestern stehen sich sehr nahe. Man hat in fast allem den gleichen Geschmack: Filme, Musik, Männer. Aber das war nie ein Problem. Diejenige, die ihn sich zuerst geschnappt hat, hat ihn bekommen. Und wenn es der anderen zu weh tat, dann wurde die Geschichte einfach beendet. Man geht Hand in Hand durchs Leben, folgt dem gleichen Rhythmus, hat die gleichen Wünsche und entdeckt die Welt mit demselben Staunen.

Bis es irgendwann wegen einer Lappalie zum Riesenstreit kommt. Und plötzlich werden Dinge gesagt, die die andere sehr verletzen. Dass man das Gefühl hat zu ersticken, weil die Schwester immer an einem klebe, dass man sein eigenes Leben möchte usw. Von einem Tag auf den anderen wird der Kontakt abgebrochen. Die Schwester fehlt schmerzlich, doch geredet wird nicht mehr miteinander.

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Das sagt die Psychologin:
Ein heftiger, schmerzhafter Streit – das ist das Risiko gerade wenn man sich extrem nahe ist. Man fühlt sich so verbunden, dass man dem Irrglauben aufsitzt, die andere Schwester erlebe die Dinge stets auf dieselbe Weise wie man selbst. Aber das ist nie der Fall. Selbst wenn man sich ähnlich ist, geht jeder die Ereignisse auf seine eigene Weise an.

Man muss eine gewisse Distanz halten, auch zur eigenen Schwester. Man darf nicht zögern, diese Distanz so oft wie nötig zu unterstreichen. Wenn man sich sehr nahe steht, bedeutet das auch, sich zu sagen, was man denkt und seine Vorwürfe nicht für sich zu behalten bis es zum großen Knall kommt, um der Wut völlig unkontrolliert freien Lauf zu lassen. Die richtige Form des Streits in einer Schwester-Beziehung, die der einer Liebesbeziehung ähnelt, ist enorm wichtig.

Modell 5: Eine ganz „normale“ Beziehung unter Schwestern

Die letzte Variante: Die Beziehung zwischen zwei Schwestern ist schlichtweg „normal“ und „unkompliziert“. Meist ist es der Verdienst der Eltern, beide Schwestern nicht eine Sekunde fühlen gelassen zu haben, dass eine weniger Beachtung bekommt als die andere.

Eifersucht? Gibt es nicht. Beide haben gelernt zu teilen, aber gleichzeitig haben beide auch ihren eigenen „Raum“. Und das bleibt so, auch wenn beide erwachsen sind. Jede besitzt ihren eigenen Freundeskreis, ihr Leben, Hobbys, aber sie sehen sich oft. Einfach, weil es beiden Spaß macht und weil sich beide gut verstehen.

Natürlich wird sich auch mal gestritten. Meist wegen einer Belanglosigkeit. Dann sind die Schwestern eine Woche sauer aufeinander, bis sie darüber reden. Fakt ist: Man erlebt mit der Schwester Dinge, die man so mit keiner Freundin erleben kann.

Aber man kann sich der Schwester gegenüber auch nicht so verhalten, wie einer Freundin gegenüber: Beide haben sehr intensive, persönliche Gespräche. Man kann sich alles sagen. Aber Intimes erzählt man lieber der besten Freundin. Und tanzen und feiern geht man auch nur mit ihr, statt mit der Schwester.

Das sagt die Psychologin:
Hier handelt es sich um ein sehr gesundes Verhältnis unter Schwestern. Beide wissen, dass sie das ihren Eltern zu verdanken haben. Denn es ist deren Rolle, darauf zu achten, dass keine Eifersucht oder Distanz zwischen den Schwestern entsteht. Wichtig ist, dass beide nicht versuchen im Leben der anderen einen Platz einzunehmen, der nicht der ihre wäre.

Ebenso, wie eine Mutter nicht die Freundin ihrer Tochter sein kann, muss eine Schwester eine Schwester bleiben. Mit allem, was das an Nähe und Grenzen mit sich bringt. Denn letztendlich ist das alles nur eine Sache der Rollenfindung. Und die Rolle der Schwester ist sicher nicht die einfachste …