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Stutenbissigkeit oder doch Klischee? Wie Frauen mit Konkurrenz umgehen

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Frauen sind solidarische, loyale, harmoniebedürftige und kollegiale Mitarbeiter? Nicht, wenn man sich Studien und das Phänomen „Stutenbissigkeit“ einmal näher ansieht.

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Im Beruf gibt es vieles, was uns Frauen Kopfzerbrechen bereitet: Karriere ja oder nein, die Deadline naht, der Chef macht Druck, der Kollege macht schlüpfrige Bemerkungen. Doch eine der größten Gefahren lauert in den eigenen Reihen: Es sind Frauen selbst. Sie sind die gefährlichsten Konkurrenten und mitunter auch die schlimmsten Feinde, weil sie gemein, intrigant und hinterlistig werden können.

Der „geheime Machtkampf“ unter Frauen

Das „System Stutenbissigkeit“ ist so gemein wie simpel: Die (weibliche) Konkurrenz wird schlecht gemacht, „weggebissen“. Entweder werben Frauen bei männlichen Kollegen und Vorgesetzten für sich selbst durch eindeutige Signale (Flirten, Lächeln, Schminke, Kleidung). Oder sie versuchen, Rivalinnen schlecht zu machen, um deren Wert zu mindern.

Es ist nichts Neues, dass sich Frauen in Unternehmen oftmals gegen die Neueinstellung anderer Frauen aussprechen. Und fast jeder hat es schon selbst erlebt: Kolleginnen werden durch Lügen, Sticheleien, Unterstellungen oder böse Gerüchte schlecht gemacht oder mit spitzen Bemerkungen genauso wie mit Ignoranz und Ideenklau gestraft. Dadurch sollen sie isoliert werden – bis sie sich fühlen wie „Bridget Jones“ in ihren schlimmsten Momenten und keine Konkurrenz mehr darstellen.

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Sind wir weniger loyal, weil wir in einem Wettbewerb um Attraktivität stehen?

Warum Frauen andere wegbeißen wollen? Eine Studie* aus dem Jahr 2012 von Wissenschaftler Abraham Buunk zum Thema „Konkurrenz“ hat das Thema Neid und Missgunst in beruflichen Beziehungen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Sexuelle Konkurrenz hat im Job auf Frauen einen größeren Effekt als auf männliche Kollegen. Der Studie zufolge reagieren Frauen verstärkt missgünstig auf hübsche Kolleginnen.

Das Muster: Hebt sich eine Frau irgendwie aus einer Gruppe hervor, wird ihr die Zugehörigkeit zu der Frauen-Gruppe verwehrt. Frauen wissen, dass Männer sich von attraktiven Frauen angezogen fühlen. Deshalb stellen sie eine besonders gefährliche Konkurrenz dar, die es „auszuschalten“ gilt.

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Frauen führen Machtkämpfe anders

Psychologen zufolge spielt der Neid-Faktor hierbei eine entscheidende Rolle. Oft macht das Äußere Frauen zu Rivalinnen. Psychologin und Coach Sandra Jankowski aus Berlin weiß: „Man achtet immer auf das, was an Konkurrenten besser und schöner ist, das stachelt an und bei mangelndem Selbstwertgefühl kommt es zu einem Konkurrenzkampf. Frauen tratschen dann hinterlistig und versuchen, die andere schlecht zu machen. Sie freuen sich über Misserfolge der anderen. Damit baut man sich selbst auf und wertet sich auf.“ Das hat übrigens nichts mit der Bildung zu tun und kommt auch (oder gerade!) bei intelligenten Frauen vor.

Sandra Jankowski: „Schönheit ist ein knappes Gut. Deshalb konkurrieren attraktive Menschen stärker.“ Rosario Zurriaga, Co-Autor der Studie, schreibt zu diesem Aspekt: „Frauen mit vielen weiblichen Konkurrenten sind missgünstiger, wenn die Konkurrenz attraktiver, einflussreicher und dominanter ist. Bei männlichen Rivalen gibt es Charakteristiken wie Neid oder Missgunst nicht untereinander. (…) Diese Emotionen können Stress auslösen und negative Effekte auf die Qualität des Arbeitslebens haben.“

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Männer regeln das anders

Dass Männer und Frauen unterschiedlich ticken, beweist also auch das Phänomen Stutenbissigkeit: Männer sind auf ihren Status und ihre Position bedacht, Frauen legen Wert auf Vernetzung und soziale Beziehungen. Psychologin Jankowski: „Frauen haben in ihrer Entwicklung nicht gelernt, mit Konkurrenzsituationen umzugehen und Konkurrenz nicht persönlich zu nehmen, sondern wurden dazu erzogen, sich gegenseitig zu unterstützen, zu helfen und „lieb zu sein“.

​In der Praxis bedeutet das:

  • Männer gehen mit Konkurrenzsituationen ganz anders um. Sie sind Kämpfe und Rivalitäten von klein auf gewohnt und gehen damit offen um, da sie Konkurrenz und Niederlagen kennen. Sie nehmen Konkurrenz nicht persönlich und bilden keine geheimen Allianzen gegen andere Männer, sondern sehen sie als Anerkennung. Männer übertrumpfen sich durch ihre Leistung. Macht wird durch Erfolge markiert. Ganz offensiv.

  • Frauen sind mehr auf Harmonie und Solidarität getrimmt und führen Rivalitäten eher auf subtile Weise, da sie Konkurrenz als eine Bedrohung empfinden. Sie orientieren sich nicht zuerst an der Leistung, sondern an der Person der Konkurrentin. Dementsprechend handeln sie auf der persönlichen Ebene und lassen sich von ihren Emotionen leiten. Das Ergebnis sind verdeckte Spielchen, Intrigen und Ehrverletzungen. Beliebte Techniken, um „die Andere“ zu schwächen, sind solche, die später als Missverständnis oder Überempfindlichkeit abgetan werden können.
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Das große Tabu mit der Konkurrenz

Doch warum sind Frauen so schlecht im „offenen Kampf“? Prof. Dr. Birgit Rommelspacher erklärt in ihrem Buch ‚Mitmenschlichkeit und Unterwerfung. Zur Ambivalenz der weiblichen Moral‘: Eine waschechte, offene Niederlage, wie sie bei Männern vorkommt, verbietet bei Frauen der gesellschaftliche Anstand, der weibliche Sozialcharakter und „die Moral des Nicht-Verletzens“.

Da offener Kampf Frauen unpassend, peinlich und unwürdig erscheint, liegen die Bewältigungsstrategien auf der Hand: Man tut so, als stehe man über allem und sei völlig „cool“, die Machtspiele laufen „undercover“ als Kommunikationsverweigerung oder Stichelei. Dass das für eine erwachsene Frau eigentlich noch viel peinlicher und auch ganz schön unsexy ist, spielt da keine Rolle. Wenn man sich darauf konzentriert, die Konkurrentin niederzumachen, verliert das Vorankommen im Job an Bedeutung.

Doch warum führen wir solche gemeinen Machtspielchen oder lassen sie mit uns spielen anstatt auf unser Gegenüber zuzugehen? Das Problem: Wir würden einen Tabubruch begehen. Schließlich gilt eine allumfassende Solidarität unter Frauen – mit einer offenen Konfrontation wäre es vorbei mit der weiblichen Eintracht.

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Keine Bisse, kleine Schritte

Stattdessen vergeuden Frauen ihre Energie und blockieren mit ihrer Stutenbissigkeit sich selbst und andere. Psychologin und Coach Sandra Jankowski kennt die Lösung: „Möglicherweise muss schon früh in der Pädagogik angesetzt werden. Mädchen sollten nicht sofort sanktioniert und gemaßregelt werden für Konkurrenzkämpfe, sondern sollten sich wie Jungen entfalten können. Was sanktioniert werden sollte, ist intrigantes Verhalten. Hier sollte mehr auf eine direkte Aussprache gesetzt werden.“

Das gilt auch im Beruf: Man sollte Probleme und Mobbing im Beruf direkt ansprechen und versuchen, ein gemeinsames Ziel zu finden, ohne Anschuldigungen zu machen. Ein Gespräch durch einen Mediator oder Coach kann das Problem am ehesten auflösen.

Jankowski sagt außerdem: „In Unternehmen können Frauennetzwerke zu diesem Thema helfen, den Zusammenhalt der Frauen zu stärken und den Umgang mit Konkurrenz zu erleichtern. Frauen sollten eine andere Sichtweise auf Konkurrenzsituationen bekommen: Diese gerade nicht als Platzverdrängung und persönlichen Angriff nehmen, sondern als Anerkennung und als Möglichkeit, sich zu messen.

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Ignorieren, lästern, Ideenklau: Stutenbissige Frauen sind einfallsreich

Ganz ehrlich: Frauen müssen zwar nicht unbedingt nur deshalb zusammenhalten, weil sie Frauen sind. Aber müssen wir uns nur deshalb bekriegen, weil wir eben Frauen sind? Nein, schließlich haben wir als Frauen die Fähigkeiten (Gespür für Mitmenschen, Anpassungsfähigkeit) für richtig gute Karrieren in einem richtig guten Klima. Auch nebeneinander. Schließlich steigt der Frauenanteil in Studiengängen und Unternehmen mehr und mehr.

Zusammenhalten sollten Frauen vor allem auch deshalb, weil es in der Berufswelt noch so vieles zu verbessern gibt: Das fängt beim Gehalt und der Kinderbetreuung an und hört bei Sexismus noch lange nicht auf. Wir sind doch für unsere emotionale Intelligenz bekannt. Dann sollten wir sie auch nutzen.

*Studie ‚Sexueller Wettkampf bei der Arbeit: Geschlechtliche Unterschiede von Neid und Missgunst am Arbeitsplatz‘, 2012: Abraham P. Buunk, Rosario Zurriaga, Pilar Gonzalez; Alejandro Castro-Solano

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