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Pornosucht: Was, wenn der Kick plötzlich zum Zwang wird?

Wie viel ist ok und ab wann spricht man von Pornosucht?
Wie viel ist ok und ab wann spricht man von Pornosucht? Credit: iStock

Pornos sind nichts, wofür man sich schämen muss. Doch ab wann wird der Konsum zum Problem und ab wann spricht man von Pornosucht?

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„Ich war so süchtig, dass ich bei den geilsten Frauen nichts mehr gespürt habe. Ich war so leer …“ – vor einigen Jahren schockte Patrick Nuo im Dschungelcamp mit diesem Geständnis die Zuschauer. Und rückte damit ein Thema in den medialen Fokus, das bislang eher belächelt wurde: Pornosucht.

Der Sänger hat eigenen Angaben zufolge jahrelang täglich mehrere Stunden Sexfilme im Netz angesehen. Mit seiner öffentlichen Beichte hat der Sänger vielen Betroffenen sicherlich geholfen. Denn mit seinem Problem ist er weiß Gott nicht allein. Dennoch ist Pornosucht ein Tabuthema, über das man nicht spricht.

Dabei sind laut Schätzungen fünf Prozent der deutschen Bevölkerung pornosüchtig. Wobei Pornosucht bislang keine anerkannte Diagnose ist. „Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist aber gerade dabei, ihren Diagnosen-Katalog ICD um „zwanghaftes Sexualverhalten“ zu erweitern. In dieses Kapitel fällt auch die Pornosucht“, schreibt die Techniker Krankenkasse.

Durch das Internet ist es relativ einfach geworden, Pornos zu konsumieren. Lagen früher die pubertierenden Jungs auf der Lauer, um im Playboy heimlich einen nackten Busen zu Gesicht zu bekommen, so bietet das Internet heute einen leichteren Zugang und ein schier unendlich großes Angebot an pornographischem Material oder Cybersex.

Normaler Pornokonsum ist absolut ok

Eins nochmal vorweg: Pornos zu schauen, ist natürlich absolut nicht verwerflich. Jeder sollte seinem Partner das Recht zugestehen, sich dort Lust zu holen, wo es ihm gefällt. Das betrifft Männer und Frauen gleichermaßen, denn natürlich erfreuen sich auch Frauen an Pornos.

Für Eifersucht sorgen sollte der Konsum von Pornos ebenfalls nicht. Das sollte allen Beteiligten klar sein: „Dieses Appetitholen hat mit der realen Partnerin oder dem Partner nichts zu tun, die bzw. den man riechen, fühlen und schmecken kann. Es geht hier nicht um Konkurrenz, egal, wie perfekt die Filmdarsteller aussehen mögen“, so Dr. Frauke Höllering, Allgemeinmedizinerin mit Schwerpunkt Sexualmedizin.

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Pornosucht: Längst keine Seltenheit

Doch der Pornokonsum kann sich auch schnell in ungesundem Maße steigern und zum Problem werden. Sichere Zahlen gibt es nicht, aber Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland ungefähr eine halbe Million Pornosüchtige. Andere Studien besagen, dass auf 10.000 Internetnutzer 80 Internet-Sexsüchtige kommen.

Laut der Uni Gießen, die zum Thema Sexsucht forscht, sind es vier- bis fünfmal mehr Männer als Frauen, die betroffen sind.

Der Grund, weshalb viele die Kontrolle verlieren und die Lust am Schauen zur Pornosucht wird: Beim Pornogucken erlebt der Konsument ein enormes Glücksgefühl. Das Gehirn schüttet bei diesen sexuellen Reizen jede Menge Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin und Endorphine aus. Das Gehirn gewöhnt sich an dieses Glücksgefühl und braucht immer mehr Reize, um den gewünschten Glückskick zu bekommen.

Und das „mehr“ ist weit leichter zu beschaffen als jede andere Droge: Per Mausklick ist es ganz leicht, Zugang zu pornografischem Material zu erhalten. Alles geschieht still und heimlich am heimischen Bildschirm. Die Anonymität ist gewahrt, niemand bekommt etwas mit von der Lust auf Pornos. ​Gerade Kinder und Jugendliche sind deshalb stark gefährdet.

Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland ungefähr eine halbe Million Pornosüchtige.
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Wie viel ist ok und ab wann spricht man von Pornosucht?

Die Grenze zur Pornosucht ist überschritten, wenn der Betroffene die Kontrolle verliert und seinem Drang permanent nachgeben muss, obwohl er weiß, dass es ihm schadet. Oftmals kommen auch finanzielle Probleme und Probleme im Job und der Beziehung hinzu.

Das ist ähnlich wie bei der Sexsucht oder anderen Suchtstoffen: Jeder Gedanke am Tag dreht sich nur noch um die Sucht nach der Lust. Der Alltag der Süchtigen ist geprägt vom intensiven Konsum von Pornografie, vom Masturbieren und dem Gedanken an Sex.

Zudem ist die „normale“ Sexualität mit dem Partner oder der Partnerin ebenfalls davon betroffen. Denn den Kick bekommen Betroffene nur noch durch den harten Pornokonsum. Im eigenen Bett läuft dagegen immer weniger.

Bei der Pornosucht wird allerdings nicht nur die Häufigkeit gesteigert, sondern auch die Art der bevorzugten Pornos kann sich mit der Zeit ändern. Sind es anfangs noch softe Sex-Filmchen, gehen nicht wenige nach und nach zu Hardcore-Pornos oder sogar Vergewaltigungsfilmen über. Deshalb sollten sich Betroffene ihre Sucht auch eingestehen und sich Beratung und Hilfe suchen.

Beratung, Hilfe und Infos bei Pornosucht

Süchtige sind mit ihrem Problem nicht allein. Vielen Menschen geht es ähnlich und es ist kein Grund, sich zu schämen. Macht euch online schlau, sucht euch Hilfe und stellt euch eurem Problem.

Dabei geht es um zwei Schritte, die Betroffene tun müssen: Entzug, also keine Pornografie mehr konsumieren und im zweiten Schritt herausbekommen, welche persönlichen Probleme hinter der Pornosucht stecken.

VIDEO: Nachgefragt: Was tun, wenn der Partner ständig Pornos guckt?

Pornosucht: Was, wenn der Kick plötzlich zum Zwang wird?

Wer Sorge hat, dass er oder sein Partner pornosüchtig ist, kann hier einen kurzen Test machen: Mach den Test: Ist dein Partner vielleicht pornosüchtig?

Mögliche Gründe für die Pornosucht

Häufige Motive der Pornosucht: fehlende sexuelle Befriedigung, Einsamkeit, Frust und fehlende Lebensinhalte. Das Fatale daran: Das Leiden wird durch die schöne, geile Pornowelt noch verstärkt.

Die Filme zeigen potente Männer und dauerbereite Frauen, die ein scheinbar orgiastisches Leben führen, das mit der eigenen Realität wenig gemein hat. Die Folge: Das Interesse am eigenen realen Liebesleben und der Partnerin oder dem Partner, falls vorhanden, schwindet, je mehr Pornos konsumiert werden.

Aber natürlich können auch andere Gründe dahinterstecken. Welche genau, können Süchtige in einer Therapie oder Gesprächsgruppen für sich herausfinden.

Wer unter Pornosucht leidet, sollte sich Hilfe und Beratung suchen.
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Gibt es den „klassischen“ Porno-Konsument?

Das Klischee vom einsamen Pornosüchtigen, der keine Frau abbekommt, stimmt nicht. Die Studie der Universität Gießen zeigt, dass rund 40 Prozent der Süchtigen in einer Beziehung sind. Allerdings ruiniert die Pornosucht nach und nach diese Beziehung. Statt ein Sexualleben mit der Partnerin zu haben, wird das eigene Vergnügen heimlich alleine vor dem Bildschirm befriedigt.

Dr. Frauke Höllering: „Pornosüchtige haben das Problem, dass der reale Sex in der Beziehung irgendwann nicht mehr befriedigend ist. Zum einen ist der bei der Selbstbefriedigung physisch ausgeübte Druck viel größer. Zum anderen steigert sich der Süchtige in Fantasien, die in seinem realen Sexleben nicht vorkommen.“

Wege aus der Pornosucht

​Entzieht sich der Partner in der Beziehung mehr und mehr und lebt seine sexuellen Triebe nur noch heimlich vor dem Bildschirm aus, hilft nur das offene, klärende Gespräch.

„Wird die Sucht extremer, zerbrechen viele Beziehungen daran, da die Pornosucht immer mit Heimlichkeit und Scham einhergeht. Ein ständiges Versteckspiel ist die Folge. In diesem Fall kann eine Therapie oder der Beitritt in eine Selbsthilfegruppe helfen“, so Dr. Frauke Höllering.