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Werbeverbot von Junkfood: So will Özdemir Kinder schützen

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Besonders Kinder können den süßen Verführungen von Nutella & Co. oft nicht widerstehen und setzen bei übermäßigem Konsum ihre Gesundheit aufs Spiel. Bundesernährungsminister Özdemir will nun dagegen vorgehen.

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Adipositas und Übergewicht nehmen weltweit stetig zu und können schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben – auch in Deutschland wird das Problem in den letzten Jahren immer deutlich sichtbar.

Zahl der adipösen Kinder steigt

Laut eines Berichts des RKI aus dem Jahr 2018, ist etwa jedes sechste Kind in Deutschland übergewichtig oder adipös. Zwischen den 11- bis 13-Jährigen ist sogar jedes fünfte Kind betroffen. Wie das Bundesministerium erklärt, nehmen Kinder etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks, aber nur halb so viel Obst und Gemüse zu sich, wie empfohlen. Bereits im Kindesalter kann Adipositas zu gesundheitlichen Problemen führen und sich bis in das Erwachsenenleben ziehen. Die Coronapandemie habe zudem die Situation der Kinder und Jugendlichen in Deutschland deutlich verschlechter: sowohl physisch als auch psychisch.

Rund 92 Prozent der Werbung, die Kinder online oder im TV wahrnehmen, beziehen sich auf Produkte wie Fast Food, Süßigkeiten oder Snacks. Dagegen will Bundesernährungsminister Cem Özdemir nun vorgehen.

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So will Özdemir vorgehen

Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, will die Politik zur Verantwortung ziehen und fordert nun Maßnahmen, die die an Kinder gerichtete Werbung von Süßigkeiten und anderem Junkfood verbietet.
Dabei handelt es sich sowohl um Fernseh- und Radiowerbung, als auch Anzeigen auf Onlinenetzwerken, wie etwa YouTube oder Instagram. Zwischen 6 und 23 Uhr soll auf diesen Kanälen keine Werbung von Fast Food und Süßkram gespielt werden dürfen.

Auch Zeitungen und Außenwerbung sollen unter das Verbot fallen, falls sich diese in ihrer Aufmachung explizit an Kinder richten.
Im Umkreis von 100 Metern von Schulen & Co. soll demnach das Verbot zu an Kinder gerichtete Junkfood-Werbung geltend gemacht werden.

Betroffen von der Regelung sind Lebensmittel, die einen hohen Zucker-, Fett oder Salzgehalt aufweisen. Özdemir orientiert sich dabei laut Pressemitteilung des Bundesministeriums an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Hinsichtlich seines Vorschlags betonte Özdemir die „Rückendeckung eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses von Wissenschaft und Ärztinnen und Ärzten über Krankenkassen bis hin zu Elternvertretungen“. Die Maßnahmen seien damit nachdrücklich gefordert und notwendig, um die Gesundheit der Kinder zu garantieren.

Außerdem verwies er auf die Möglichkeit, weiterhin Lebensmittelwerbung für Kinder und Jugendliche zu schalten – allerdings mit gesunden und nachhaltigen Produkten.

Unterstützung und Lob von Verbänden

Ursula Felderhoff-Müser, Vizepräsidentin der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, begrüßte die geplanten Forderungen Özdemirs. Sie fordert schon länger eine strengere Regelung und betonte, dass die Wirksamkeit von Werbung auf Kindern mittlerweile gut belegt sei.

Auch die Deutsche Adipositas Gesellschaft erklärte, dass mit dem Vorhaben Özdemirs ein „großer Wurf gelungen“ sei. Übergewicht und Adipositas stellen ein zentrales Gesundheitsproblem dar und könnten durch die Werbung gestützt werden.

Positive Rückmeldungen gab es auch seitens der Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. Sie betonte, dass die Werbung von Junkfood & Co. das Kauf- und Essverhalten von Kindern maßgeblich beeinflusse.

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Kritik seitens der Lebensmittel- und Werbebranche

Doch nicht überall stoßen Özdemirs Vorschlage auf Zustimmung. Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands, ist empört über die geforderten Maßnahmen des Ernährungsministers. Im Falle einer Durchsetzung des Werbeverbots würde dies mehr als 70 Prozent der Produkte betreffen.

Zudem verwies der Geschäftsführer auf eine Studie des Max-Reubner-Insituts, welche im Jahr zuvor Werberegulierungsmaßnahmen in 17 europäischen Ländern sowie entsprechende Evaluations- und Wirksamkeitsstudien analysiert hat. Bei der Auswertung konnten demnach keine belastbaren Wirksamkeitsstudien identifiziert werden.

Im Gegenzug hob Minhoff das Beispiel Großbritannien hervor, die sich vor mehr als 15 Jahren für ein solches Werbeverbot entschlossen hatten. Das erniedrigende Fazit: Auch dort sind die Adipositas- und Übergewichtsraten nicht gesunken, sondern gestiegen.

Er betonte, dass hinsichtlich der Komplexität des Themas Übergewichts „einfache Lösungen eher keine Lösungen“ darstellen.

In der Politik ist man sich uneinig

Auch innerhalb der Politik sorgt das Vorhaben des Bundesernährungsministers für Streitigkeiten.

Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist sich sicher, dass Özdemir mit seinem Vorschlag keine Mehrheit finden wird. Er wolle „aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger“ machen.

Der baden-württembergische Landesernährungsminister Peter Hauk (CDU) stimmte Özdemirs Plänen nur teilweise zu: Er sehe den Bedarf an Regulierungen, doch „mit der Forderung nach einem Werbeverbot springe der Bundesminister zu kurz“, so Hauk auf Anfrage des SWR.
Andere Stimmen aus der CDU, wie etwa der Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger, werfen Özdemir vor, „den Weg für Dirigismus, Bürokratie und staatliche Bevormundung“ zu ebnen.

Die SPD hingegen sympathisiert mit den Vorschlägen des Ernährungsministers, auch wenn es vereinzelt Unstimmigkeiten gibt.

Regulierung im Koalitionsvertrag verankert

Laut Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, haben sich Grüne, SPD und FDP zur Regulierung der Werbemaßnahmen verpflichtend im Koalitionsvertrag geeinigt.

In einer Pressekonferenz am Montag räumte Özdemir ein, dass noch viele strittige Punkte geklärt werden müssen. Er betonte jedoch, dass es sich dabei um kein „allgemeines Werbeverbot“ handele, sondern dass die Werbung nicht mehr gezielt an Kinder gerichtet werden soll. Wie die Regulierungen letztendlich aussehen, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

Özdemir will nun die Ressortabstimmung einleiten – rechnet aber durchaus mit Widerstand.