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Rassismus im Alltag: Diese unbewussten Vorurteile fördern Diskriminierung

Zwei Frauen mit unterschiedlichen Hautfarben, die sich umarmen und befreundet sind.
Gemeinsam gegen Rassismus: Auch du kannst helfen, Vorurteile zu bekämpfen. Credit: Adobe Stock

Rassismus bleibt viel zu oft unbemerkt. Welche Fakten du kennen solltest und was du gegen Diskriminierung tun kannst, liest du hier.

Inhaltsverzeichnis

Ich bin eine weiße Cis-Frau. Ich wurde in meinem Leben nie wegen meiner Hautfarbe oder meiner Herkunft ausgegrenzt. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Trotzdem möchte ich heute über Rassismus sprechen.

Denn es ist nicht die Aufgabe von People Of Color (POC) uns zu belehren und aufzuklären. Vielmehr ist es die Aufgabe jedes einzelnen von uns, uns selbst weiterzubilden. Dazu gibt es schließlich mehr als genug wertvolle Werke von Schwarzen Autor*innen, Filmemacher*innen und Aktivist*innen (Buchempfehlungen gibt es übrigens am Ende des Artikels).

Ich bin – wie so viele Menschen in Deutschland – in einer Gesellschaft groß geworden, die von Vorurteilen, Fremdenhass und Rassismus geprägt ist. Diese tief verwurzelten Vorurteile beeinflussen unser alltägliches Verhalten und Denken, ohne dass wir es merken.

Im Video: Warum die „Black Lives Matter“-Bewegung uns alle angeht

Rassismus im Alltag: Diese unbewussten Vorurteile fördern Diskriminierung

Trotzdem (oder gerade deswegen) sind viele von uns schlecht darüber informiert, was Rassismus eigentlich ist und wo er sich unserer Gesellschaft widerspiegelt.

Rassismus: Das „böse“ Wort

Spricht man den Durchschnittsdeutschen auf Rassismus an, so sorgt allein das Wort für eine heftige Abwehrreaktion. Der Jurist Mehmet Daimagüler erklärte es in seinem Abschlussplädoyer beim NSU-Prozess 2017 treffend:

Viele Menschen nehmen es als Provokation wahr, auf Rassismus angesprochen zu werden.

„Nicht der Rassismus selbst scheint daher das Problem zu sein, sondern das Thematisieren desselben. Die Zurückweisung erfolgt reflexhaft. Eine Auseinandersetzung mit dem Gesagten findet dann in der Regel gar nicht statt.“

Es geht nicht darum, sich wie ein guter Samariter zu fühlen, weil man sich als Weißer Mensch dafür entscheidet, sich mit den Problemen und Herausforderungen von ethnischen Minderheiten zu befassen. Es geht darum, einen Blick in sein Inneres zu werfen und sich zu fragen, wie man sein Denken und Verhalten nachhaltig verbessern kann.

Institutioneller und individueller Rassismus

Wenn man von Rassismus spricht, unterscheidet man zunächst zwischen zwei Arten: institutioneller Rassismus und individueller Rassismus.

Von individuellem Rassismus spricht man, wenn die Diskriminierung von einzelnen Personen ausgeht. Dazu zählen also abfällige Bemerkungen gegen People of Color, diskriminierende Handlungen und letztlich auch rassistisch motivierte Gewaltverbrechen.

Individueller Rassismus ist das, woran die meisten Menschen automatisch denken, wenn man von Rassismus in der Gesellschaft spricht. Und weil sie ihn mit eigenen Augen nicht sehen und selbst nicht erleben, glauben sie, wir hätten in Deutschland kein Problem mit Rassismus.

Das stimmt zum einen schon mal nicht, wenn man sich die Kriminalstatistik anschaut. Laut dem Bundesinnenministerium wurden 2019 insgesamt 7.909 rassistisch motivierte Verbrechen gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein.

Zum anderen vergessen die Menschen, die nicht an Rassismus in Deutschland glauben, dabei die zweite Ausprägung des Rassismus: der institutionelle Rassismus.

Institutioneller Rassismus – auch struktureller Rassismus genannt – ist der, der unsere Gesellschaftsstruktur seit Jahrhunderten prägt. Er ist tief verwurzelt in unserer Politik, unserem Bildungssystem, unserer Gesetzgebung und auch im Arbeitsmarkt. Seinetwegen erfahren Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft in diesen Bereichen Ausgrenzung und Benachteiligung.

White Supremacy: Was ist das eigentlich?

Schuld am institutionellen Rassismus ist die gefährliche Ideologie „White Supremacy“, zu Deutsch „Weiße Vorherrschaft“. Vielleicht ist euch dieser Begriff im Zuge der Anti-Rassismus-Bewegung schon einmal begegnet.

Einfach gesagt: White Supremacy ist die Überzeugung, dass Weiße Menschen anderen Nicht-Weißen Menschen überlegen sind. Seinen Ursprung hat diese Ideologie, wenig überraschend, in der Kolonialzeit. Die Zeit also, in der fast die gesamte Welt mit Sklaven handelte.

Credit: unsplash.com/@mcoswalt

Ihr denkt euch jetzt vielleicht: „Weiße Vorherrschaft – das ist völlig veraltet. So denkt doch heute keiner mehr.“ Das stimmt so leider nicht. Natürlich gibt es mittlerweile Antidiskriminierungsgesetze, aber POC werden in unserer Gesellschaft dennoch Tag für Tag benachteiligt. Hier zeigt sich institutioneller Rassismus im Schulsystem oder auf dem Jobmarkt.

So belegt beispielsweise eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2014, dass Kinder aus Migrationsfamilien schlechtere Chancen auf höhere Bildung haben als andere Kinder.

Eine weitere Studie belegt, dass POC bei gleicher Qualifikation drei bis vier Mal so viele Bewerbungen schreiben müssen, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, wie Weiße Menschen.

Bei einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2019 gaben zudem 35 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund an, in den vergangenen zehn Jahren auf Wohnungssuche rassistische Diskriminierung erlebt zu haben.

Racial Profiling: Gibt es nicht? Gibt es doch!

Eine weitere Institution, in der sich institutioneller Rassismus bemerkbar macht, ist die Polizei.

Wenn die Polizei Menschen aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe oder Haarfarbe kontrolliert, ohne dass es einen konkreten Anlass gibt, dann spricht man von Racial Profiling. Diese Art der Diskriminierung ist in Deutschland verboten – doch das heißt nicht, dass sie nicht vorkommt.

In einer Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) aus dem Jahr 2017 gaben 14 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland an, in den vorangegangenen fünf Jahren Opfer von Racial Profiling geworden zu sein.

Übrigens: Beschwerden wegen Racial Profiling gibt es vergleichsweise nur sehr wenig (zwischen Januar 2018 bis April 2019 waren es nur 58). Der Grund? Die Beschwerden müssen fast immer bei der Polizei selbst eingereicht werden. Die zeigt im Gegenzug oft denjenigen an, der sich beschwert. Und so ein Prozess gegen die Polizei ist nicht nur teuer, sondern auch wenig erfolgversprechend.

Wer Rassismus bekämpfen will, muss Veränderung befürworten – und die fängt bei einem selbst an. (Alice Haster)

Intersektionalität: Kompliziert und wichtig

Wer von Rassismus spricht, muss auch über Intersektionalität sprechen. So bezeichnet man die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen. Das heißt, wenn mehrere Merkmale einer Person sie zum Opfer von Diskriminierung werden lassen.

Beispiel: Eine POC, die sowohl weiblich als auch homosexuell ist, könnte also nicht nur aufgrund ihrer Hautfarbe, sondern auch wegen ihres Geschlechts und ihrer Sexualität diskriminiert werden.

Und Diskriminierungsformen gibt es viele. Menschen können wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrer Geschlechtsidentität, ihrer körperlichen Einschränkungen und Behinderungen, ihres Alters, ihrer sozialen Stellung oder ihres Bildungsgrades angefeindet werden.

Die meisten POC haben also gleich mit mehr als einer Diskriminierungsform zu kämpfen. Deshalb ist es im Kampf gegen Rassismus so wichtig, auch Intersektionalität anzuerkennen. Denn nur so versteht jeder, wie viele Privilegien er wirklich hat, und kann im Gegenzug die Gesamtheit von Diskriminierung erkennen.

Was können wir gegen Rassismus tun?

Nach dieser Informationsflut hat hoffentlich auch der Letzte verstanden, dass Rassismus in Deutschland noch immer ein großes Problem ist. Doch darauf folgt auch gleich schon die nächste Frage: Was können wir dagegen tun?

In unserem Artikel zu Black Lives Matter haben wir bereits viele Möglichkeiten gesammelt, wie du die Bewegung unterstützen und dich gegen Rassismus engagieren kannst.

Es ist wichtig, dass Rassismus in unserer Gesellschaft nicht normalisiert wird. Wer also mitbekommt, wie andere Menschen – ob beabsichtigt oder nicht – abwertend und diskriminierend über POC sprechen, sollte das nicht einfach ignorieren. Selbst, wenn es Freunde oder Familie sind. Geht direkt auf diese Menschen zu und lasst sie wissen, warum ihre Aussagen oder ihr Verhalten falsch sind.

Wer schweigt, stimmt zu. Nutze also deine Stimme und positioniere dich deutlich, sowohl im Alltag als auch in den sozialen Medien. Egal ob du 10 Follower, 100 oder 10.000 hast – teile informative Beiträge und hilfreiche Ressourcen, um das Bewusstsein anderer für Rassismus und Diskriminierung zu sensibilisieren.

Mache zum Beispiel auch auf Petitionen aufmerksam, die du unterschreiben und mit anderen teilen kannst, oder nimm an Anti-Rassismus-Demos teil, die mittlerweile in vielen Städten stattfinden, um deine Solidarität zu zeigen.

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