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Mädchen erziehen: Warum Lob in bestimmten Situationen schädlich sein kann

Teenagerin lacht in die Kamera. Im Hintergrund erkennt man, dass sie in einem Shopping-Center ist.
© AdobeStock/ New Africa

Richtig loben: Warum besonders unsere Töchter davon profitieren

Um unsere Kinder so richtig zu motivieren und ihr Selbstvertrauenzu stärken, greifen wir Eltern gern zum Lob.

Beim Loben kommt es auf das richtige Maß und den richtigen Einsatz an. Zu viel oder zu allgemeines Loben kann vor allem unseren Töchtern mehr schaden als nutzen.

Inhaltsverzeichnis

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert – und mit ihr auch unsere Erziehungsmethoden. Wir wollen unsere Kinder bestmöglich unterstützen, ihnen helfen, selbstbewusst und stark durchs Leben zu gehen. Doch gerade bei Mädchen kann eine gut gemeinte Erziehungsmaßnahme wie das Lob in bestimmten Situationen unerwartete, negative Auswirkungen haben.

Warum das so ist und wie wir als Eltern das Lob sinnvoll einsetzen können, um unsere Töchter wirklich zu stärken, lest ihr hier.

Lob ist gut gemeint, aber oft falsch angewendet

Loben kann motivieren, Selbstvertrauen aufbauen und Kindern das Gefühl geben, geliebt und geschätzt zu werden. Doch genau hier liegt auch eine Gefahr, insbesondere bei der Erziehung von Mädchen.

In unserer Gesellschaft, in der Mädchen oft schon früh mit hohen Erwartungen an ihr Aussehen, ihre Leistungen und ihr soziales Verhalten konfrontiert werden, kann Lob zu einem zweischneidigen Schwert werden.

Übermäßiges Lob und seine Folgen

Wenn Mädchen für jede Kleinigkeit gelobt werden, entsteht schnell Leistungsdruck. Es kann das Gefühl entstehen, dass sie den Erwartungen ihrer Eltern entsprechen müssen, um weiterhin Lob und Anerkennung zu erhalten. Statt sich also frei zu entfalten, entwickeln sie die Angst, Fehler zu machen oder nicht gut genug zu sein.

Diese Angst kann dazu führen, dass Mädchen sich zurückziehen, sich selbst mehr und mehr kritisieren oder versuchen, perfekt(er) zu sein. Dieser Perfektionismus ist jedoch oft der Beginn von Unsicherheit und Selbstzweifeln, die sich bis ins Erwachsenenalter ziehen können.

Lob kann intrinsische Motivation zerstören

Ein weiteres Problem des übermäßigen Lobs ist die Beeinträchtigung der sogenannten intrinsischen Motivation. Wer ständig für seine Leistungen gelobt wird, kann leicht den Eindruck gewinnen, dass der eigene Wert von äußeren Bestätigungen abhängt.

Anstatt eine Tätigkeit also aus eigenem Antrieb und Freude auszuführen, wird etwas getan, um Lob zu erhalten. Dies kann langfristig die Freude am Lernen und an neuen Herausforderungen vermindern. Stattdessen wird nur noch auf die Belohnung hingearbeitet, was den Entfaltungsdrang und die Kreativität erstickt.

Externe Bestätigung vs. innere Zufriedenheit

Wenn Mädchen lernen, dass ihr Selbstwert und ihre Fähigkeiten an externe Bestätigungen gekoppelt sind, verlieren sie den Zugang zu ihrer inneren Zufriedenheit. Sie werden abhängig von dem Lob anderer und beginnen, sich selbst nur durch die Augen derjenigen zu sehen, die sie loben. Dies kann in einer Welt, die immer noch stark auf das äußere Erscheinungsbild und gesellschaftliche Normen fokussiert ist, verheerende Auswirkungen haben.

Besonders gefährlich wird das, wenn Mädchen merken, dass sie nur dann Lob bekommen, wenn sie bestimmten Erwartungen entsprechen – sei es in Bezug auf ihr Aussehen, ihre schulischen Leistungen oder ihr soziales Verhalten.

Doch was bedeutet das für uns als Eltern? Sollen wir unsere Töchter nicht mehr loben? Natürlich nicht! Lob bleibt ein wertvolles Erziehungswerkzeug – aber es muss klug und vor allem situationsbezogen eingesetzt werden.

Der Wert des spezifischen Lobs

Statt allgemeine Komplimente wie „Du bist so klug“ oder „Du siehst toll aus“ zu verteilen, sollten wir Eltern darauf achten, gezielt und konkret zu loben. Hat ein Mädchen beispielsweise eine schwierige Aufgabe gelöst, ist es besser zu sagen: „Ich habe gesehen, wie viel Mühe du dir gegeben hast, um das Problem zu lösen. Das ist wirklich beeindruckend.“

Solche Aussagen fördern die sogenannte „Growth Mindset“-Haltung, nach Motivationsforscherin Carol Dweck. Menschen mit einem Growth Mindset sind überzeugt davon, dass ihre Fähigkeiten und ihre Intelligenz durch Anstrengung und Lernen wachsen können. Ihnen gegenüber stehen Menschen mit einem „Fixed Mindset“, die glauben, dass Fähigkeiten mit dem Talent eines Menschen zu tun haben. So erklären sie, dass manch eine*r richtig gut bspw. in Mathematik ist und ein*e andere*r nicht.

Lob sollte sich auf das Verhalten beziehen

Statt also nur ein Ergebnis zu loben, sollten Eltern den Prozess, der das Kind an diesen Punkt geführt hat, in den Vordergrund stellen. Damit fördert man eine Growth-Mindset-Haltung.

Wenn Mädchen lernen, dass ihre Anstrengung, ihr Durchhaltevermögen und ihre Kreativität geschätzt werden, entwickeln sie eine gesunde Selbstwahrnehmung. Diese wird weniger von der Meinung anderer abhängen und mehr von ihrem eigenen Empfinden über das, was sie erreichen können.

Alternativen zum Lob: Fragen, Zuhören, Unterstützen

Neben dem gezielten Einsatz von Lob gibt es weitere Wege, um Mädchen zu stärken und zu motivieren, ohne dass sie sich dabei von äußerer Bestätigung abhängig machen.

Aktives Zuhören als Schlüssel

Einer der wichtigsten Aspekte in der Erziehung ist das aktive Zuhören. Eltern, die ihren Töchtern wirklich zuhören, ihnen Raum geben, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, vermitteln ihnen, dass sie ernst genommen werden. Dieses Zuhören kann oft mehr bewirken als jedes Lob. Es zeigt den Mädchen, dass sie wertvoll sind, unabhängig von ihren Leistungen.

Fragen statt bewerten

Eine weitere wertvolle Technik ist es, Fragen zu stellen, statt etwas direkt zu bewerten. Fragen wie „Wie hast du das gemacht?“ oder „Was hat dir dabei am meisten Spaß gemacht?“ regen Mädchen zum Nachdenken an und fördern ihre Selbstreflexion. Sie lernen so, ihren eigenen Erfolg zu erkennen und zu schätzen, unabhängig von der Meinung anderer.

Unterstützung statt Perfektionismus

Elterliche Unterstützung sollte immer darin bestehen, seinem Kind zu helfen, seine eigenen Ziele zu erreichen und nicht darin, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Mädchen sollten ermutigt werden, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen, statt Angst vor dem Scheitern zu haben.

In einer Welt, die von Leistungsdruck und äußeren Erwartungen geprägt ist, brauchen Mädchen nicht noch mehr Druck durch übermäßiges oder falsches Lob. Sie brauchen Eltern, die ihnen zuhören, sie unterstützen und ihnen helfen, ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken zu entdecken – ganz unabhängig von der Meinung anderer.

Und natürlich kann all das auch in der Erziehung von Jungs nicht schaden!