Veröffentlicht inFamilie, Kind & Familie

„Ich bin zu blöd!“ So reagierst du richtig, wenn dein Kind sich selbst kritisiert

Mädchen legt ihren Kopf auf ihrem Arm auf dem Schreibtisch ab, während es knetet.
© Getty Images/ Catherine Falls Commercial

„Ich kann das nicht“ - Warum sind Kinder so hart zu sich selbst?

Und wie du dein Kind in solchen Momenten stärkst

Wenn Kinder an sich zweifeln, zählt deine Reaktion. Was hinter der Selbstkritik steckt und wie du deinem Kind Halt gibst, liest du hier!

Kennst du das? Dein Kind malt ein Bild, schaut es sich kurz an und zerreißt es dann wütend. „Das ist hässlich! Ich kann das nicht!“ Oder es ‚versagt‘ in einem Spiel und sagt mit tränenerstickter Stimme: „Ich bin einfach zu dumm.“

In solchen Momenten bricht einem als Elternteil kurz das Herz. Und man fragt sich, warum ist mein Kind so hart zu sich selbst? Woher kommt diese schonungslose Selbstkritik und vor allem: Wie soll man darauf reagieren?

Warum Kinder so selbstkritisch sein können

Zuerst die gute Nachricht: Wenn Kinder sich selbst kritisch hinterfragen, zeigt das, dass es ein Bild von sich selbst entwickeln kann und beginnt, seine Leistungen, sein Verhalten und seine Wirkung auf andere einzuschätzen. Das ist eine wichtige Entwicklungsphase, aber eben auch eine sehr verletzliche.

Kinder im Vorschul- und Grundschulalter haben noch ein wackeliges Selbstwertgefühl. Sie messen ihren eigenen Wert häufig an äußeren Erfolgen: Wie gut habe ich das gemalt? War ich schnell genug beim Rennen? Habe ich Mama gefallen, als ich aufgeräumt habe?

Bleiben dann Lob oder Erfolgserlebnisse aus, kippt das Selbstbild schnell. Aus Zweifeln darüber, ob es etwas gut oder weniger gut gemacht hat, werden schnell Zweifel, ob es selbst gut genug ist. Dann wird aus einem, „Ich habe einen Fehler gemacht“ schnell ein „Ich bin ein Fehler“. Eine kleine, aber sehr entscheidender Unterscheidung.

Was hinter der harten Selbstkritik steckt

Hinter Aussagen wie „Ich kann das nicht“ oder „Ich bin dumm“ steckt selten nur die Situation selbst. Viel öfter drücken Kinder damit Gefühle aus, die sie (noch) nicht richtig benennen oder verarbeiten können: Scham, Frust, Angst vor Ablehnung oder das Gefühl, nicht zu genügen.

Und ganz ehrlich: Wie oft denken wir Erwachsenen insgeheim genau dasselbe? Nur sagen wir es nicht laut. Kinder dagegen sind ehrlich, auch zu sich selbst. Und genau das macht ihre Selbstkritik so schmerzhaft mitzuerleben.

Manchmal kommt der Druck, den sie spüren, von außen, durch Leistungsanforderungen, Vergleiche mit anderen oder unbedachte Bemerkungen („Na, das kannst du aber besser!“).

Oft ist es aber ihr eigener Anspruch an sich selbst. Manche Kinder sind kleine Perfektionist*innen. Sie wollen alles richtig machen und sind maßlos enttäuscht, wenn das nicht klappt.

Wie du richtig reagierst, ohne Gefühle kleinzureden

Die erste Reaktion vieler Eltern ist: trösten, beschwichtigen, widersprechen. „Aber Schatz, du bist doch nicht dumm!“ Oder: „Quatsch, das Bild ist doch wunderschön!“ Und ja, dieser Impuls ist verständlich. Schließlich wollen wir, dass unser Kind sich gut fühlt.

Aber Vorsicht: Wer die Gefühle des Kindes sofort entkräftet, läuft Gefahr, sie damit auch ungewollt abzuwerten. Ein Kind empfindet in diesem Moment echten Schmerz. Und es verdient, dass du diesen Schmerz siehst und ernst nimmst, selbst wenn du ihn rational nicht nachvollziehen kannst.

Was stattdessen hilft:

  • Erstmal da sein. Setz dich zu deinem Kind, halte Blickkontakt, signalisiere: „Ich sehe dich.“
  • Gefühle spiegeln. Sag zum Beispiel: „Du bist gerade richtig traurig, oder?“ Oder: „Du bist enttäuscht, weil es nicht so geworden ist, wie du wolltest.“
  • Keine Bewertungen. Statt zu sagen: „Das Bild ist doch schön!“, frag lieber: „Was genau gefällt dir daran nicht?“ Oder: „Was hättest du dir anders gewünscht?“
  • Fehler normalisieren. Erzähl ruhig, wann du zuletzt etwas vermasselt hast und wie du damit umgegangen bist. Kinder lieben Geschichten aus dem echten Leben.
  • Selbstwert trennen von Leistung. Mach deinem Kind immer wieder deutlich: „Ich hab dich lieb – ganz egal, ob du was gut kannst oder (noch) nicht.“

Wie du dein Kind langfristig stärkst

Akute Krisen begleiten ist das eine – aber wie kann man Kinder generell so stärken, dass sie entspannter mit sich selbst umgehen und nicht zu ihrem oder ihrer härtesten Kritiker*in werden?

Hier ein paar bewährte Strategien:

1. Zeig, dass du an dein Kind glaubst

Nicht durch leere Lobhudelei („Du bist der Beste!“), sondern durch echtes Zutrauen wächst das Selbstbewusstsein eines Kindes. Sag zum Beispiel: „Ich weiß, dass du das probieren willst. Ich bin bei dir.“ Oder: „Das war schwierig, aber du hast nicht aufgegeben. Stark!“

2. Benenne Anstrengung, nicht nur Ergebnis

Wenn dein Kind ein Puzzle gelöst oder etwas gebaut hat, sag nicht nur: „Toll gemacht!“, sondern auch: „Du hast dir richtig Mühe gegeben und bist dran geblieben, das hat sich gelohnt.“ So lernt sein Kind, dass es nicht nur aufs Ergebnis ankommt, sondern auch jeder Schritt dahin schon ein Erfolg sein kann.

3. Lass Fehler zu

Wenn du dich mal vergriffen oder einen Fehler gemacht hast, steh dazu. Sag z. B.: „Da hab ich falsch reagiert. Tut mir leid.“ Damit zeigst du: Fehler machen ist menschlich. Jeder und jede macht Fehler, egal ob man nun noch ein Kind ist oder schon erwachsen. Mach deutlich, dass es nicht entscheidend ist, dass man einen Fehler macht, sondern, wie man damit umgeht.

4. Fördere Mitgefühl, auch für sich selbst

Wenn dein Kind sich selbst beschimpft, frag es, was es einem Freund oder einer Freundin sagen würde, der oder die so über sich selbst spricht? So lernt dein Kind nach und nach, auch sich selbst mit der gleichen Empathie zu begegnen, die es anderen entgegenbringt.

5. Schaffe einen sicheren Hafen

Dein Kind braucht einen Ort (und das bist im Idealfall du), an dem es nicht perfekt sein muss. Wo es traurig, wütend, unfair oder unsicher sein darf, ohne Angst haben zu müssen, abgelehnt zu werden.

Lesetipp: Immer Theater zu Hause? Das steckt hinter den Ausbrüchen deines Kindes

Wann du genauer hinschauen solltest

Selbstkritik ist bis zu einem gewissen Grad ganz normal. Vor allem in Phasen der Unsicherheit oder Veränderung (z. B. Schuleintritt, neue Geschwister, Umzug, Pubertät). Sie sollte aber nicht überhandnehmen.

Lies dazu auch: Pubertät & Selbstzweifel: Diese 9 Sätze helfen deinem Teen

Werde hellhörig, wenn dein Kind sich über längere Zeit häufig abwertet, sein Verhalten sich stark verändert (z. B. Rückzug, Schlafprobleme, auffällige Stimmungsschwankungen) oder es sich sogar selbst weh tut. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Lies dazu auch: Wenn Teenager ausrasten: Was Eltern aushalten müssen und was nicht

Eine gute erste Anlaufstelle ist zum Beispiel eine Erziehungs- und Familienberatungsstelle.

Selbstkritik ist ein wichtiges Signal

Wenn Kinder sich mal selbst kritisieren, ist das kein Grund zur Panik. Es zeigt, dass sie in der Lage sind, sich zu reflektieren. Was ein Kind braucht, das über sich sagt: „Ich bin doof“, ist keine schnelle Beruhigung oder gar eine Relativierung seiner Gefühle. Es sucht vielmehr nach Verständnis für seine Situation. Es will gehört, verstanden und begleitet werden.

Und genau hier kannst du als Elternteil zeigen, was wirklich zählt. Das ist nämlich nicht Perfektion, sondern eine stabile und feste Beziehung. Du musst nicht krampfhaft nach den richtigen Worten suchen, sondern ein offenes Ohr haben und einfach da sein.

Weitere Themen: