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PFAS: Verstecktes Gift in unserem Alltag?

PFAS sind nicht nur in Gegenständen wiederzufinden - denn die Chemikalien haben es bereits geschafft, in unseren Körper einzudringen.
PFAS sind nicht nur in Gegenständen wiederzufinden - denn die Chemikalien haben es bereits geschafft, in unseren Körper einzudringen. Credit: Adobe Stock

Chemikalien begegnen uns im Alltag immer wieder: Sei es im Waschpulver, in Geschirrspülmitteln oder in Klebestoffen – sie erleichtern uns das tägliche Leben. Doch eine Gruppe von Chemikalien sorgt in letzter Zeit für Aufruhr: die sogenannten PFAS. Was genau steckt dahinter?

Inhaltsverzeichnis

PFAS: Verstecktes Gift in unserem Alltag?

PFAS: Ein Wort, dass vielen erstmal ein Fragezeichen ins Gesicht zaubern dürfte. Zuletzt wurde das Thema in den Medien durch die Recherche von NDR, WDR und SZ in Kooperation mit dem „Forever Pollution Project“ aufgegriffen. Gemeinsam mit 15 europäischen Partnermedien haben die Reporter*innen Orte innerhalb der EU identifiziert, die mit PFAS verseucht wurden.

Für den großen Durchbruch des Themas hat allerdings der Journalist Thilo Mischke gesorgt. Für seine vor kurzem veröffentlichte Doku ist der Berliner um die ganze Welt gereist, um die Verbreitung und die Konsequenzen der Nutzung von PFAS aufzudecken.

Was sind PFAS?

PFAS sind per- und polyflourierte Chemikalien, die ein Sammelbegriff für eine Gruppe von mehr als 10.000 künstlich hergestellten Stoffen darstellt. Die Stoffe kommen nicht aus der Natur, sondern werden seit den 1940er Jahren in Fabriken hergestellt. Dafür werden lange Ketten aus Kohlenstoff in einem industriellen Prozess zusammengeschweißt.

Das Ergebnis: Eine unzerstörbare Waffe. Deshalb werden PFAS auch als „forever chemicals“ (langlebige Chemikalien) bezeichnet, denn sie sind wasser-, schmutz- und fettabweisend. Sobald die Chemikalien einmal in der Umwelt sind, bleiben sie für eine lange Zeit bestehen. PFAS sind nicht abbaubar. Eines der bekanntesten Alkylverbindungen der Stoffgruppe ist das sogenannte PFOA.

Wo sind PFAS zu finden?

Durch ihren schützenden Charakter können PFAS in vielen Lebensbereichen eingesetzt werden: Von beschichteten Pfannen und Regenjacken, bis hin zu Lebensmittelverpackungen und Kaffeebechern.
Das ist per se nicht schlecht, denn die Stoffe können unseren Alltag in vielerlei Hinsicht erleichtern.

Das Problem: PFAS sind nicht nur in Gegenständen wiederzufinden – denn die Chemikalien haben es bereits geschafft, in unseren Körper einzudringen. Mütter, die einer hohen PFAS Belastung ausgesetzt sind, können die Chemikalien an ihre Kinder weitergeben, wie etwa durch Muttermilch. Auch das Trinkwasser kann kontaminiert sein. Laut der deutschen Gesundheitsstudie aus den Jahren 2014-2017 war ein Großteil der Kinder mit PFAS belastet. In ganz Europa konnten bei Erwachsenen Spuren von PFAS im Blut nachgewiesen werden.

Hotspots in ganz Europa
Laut Recherchen des „Forever Pollution Projects“ sind in Europa mehr als 17.000 Orte mit PFAS verschmutzt. 2.000 davon stellen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. In Deutschland konnten 1.500 kontaminierte Orte festgestellt werden, mehr als 300 von ihnen werden als Hotspots eingestuft.

In Deutschland sind vor allem (ehemalige) Flughäfen von der Chemikalien-Belastung betroffen. Besonders Feuerlöschübungsflächen gelten als Hotspots, da dort Feuerlöscher mit PFOS eingesetzt wurden.
Die nachgewiesene PFAS-Belastung in Deutschland wurde von dem Rechercheteam des „Forever Pollution Project“ mit einer Karte aufgearbeitet:

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Was macht PFAS so gefährlich?

Die Chemikalien können für uns Menschen schlimme, gesundheitsschädliche Folgen haben, dazu zählen unter anderem:

  • Unfruchtbarkeit
  • Leberschäden
  • Schilddrüsenerkrankungen
  • Fettleibigkeit
  • Schädigung des Immunsystems
  • Krebs

Ab einem Grenzwert von 10 Mikrogramm pro Liter Blut können gesundheitsschädliche Folgen nicht mehr ausgeschlossen werden.

PFAS um die ganze Welt

Für seinen Dokumentarfilm ist Thilo Mischke durch die ganze Welt gereist, um die PFAS-verseuchten Orte zu besuchen und Menschen kennenzulernen, die mit der Kontamination leben.

USA – Parkersburg
Auf den Spuren von PFAS beginnt seine Reise in den USA, wo ein Farmer aus West Virginia in den 1990er Jahren mit einem Video für Aufsehen sorgte. Viehbauer Wilbur Tennant war völlig ratlos, als nach und nach immer mehr seiner Kühe auf unerklärliche Weise starben. Die Tiere hatten Schaum vor dem Mund, missgebildete Hufen und anormal verfärbte Eingeweide. Das Sterben der Kühe hatte in den 1980er Jahren begonnen, als Tennants Bruder Jim ein Stück Land der Weide an den Chemiekonzern „DuPont“ verkaufte.

Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner wusste: Der Chemieriese DuPont nutzte die Fläche als Mülldeponie und entsorgte auf diese Art und Weise auch die gefährlichen PFAS. Die Chemikalien flossen somit auch in den Ohio River, aus dem Tennant das Wasser für seine Tiere entnahm. Mithilfe des Umweltjuristen Robert Billot, einem ehemaligen Nachbarsjungen von Tennant, konnte der Skandal aufgedeckt werden, der schnell weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Italien – Montagana
Auch in der italienischen Stadt Montagana wurde das Trinkwasser über mehrere Jahre verseucht. Eine Gruppe von Müttern hat es sich dort zur Aufgabe gemacht, über die Risiken aufzuklären. Die „Mütter gegen PFAS“ fordern Bluttest, die die PFAS-Belastung nachweisen können. Denn nicht nur die Erwachsenen sind von der Kontamination betroffen, sondern auch ihre Kinder. Thilo Mischke bot an, das Blut der Kinder in einem deutschen Labor untersuchen zu lassen und stellte erschreckenderweise fest: Alle Minderjährigen hatten PFAS im Blut, drei von ihnen wiesen sogar eine besonders besorgniserregende Belastung auf.

Deutschland – Altötting
Und auch Deutschland ist nicht PFAS-frei: Für seine Doku besuchte Mischke den bayerischen Ort Altötting, der sich in der Nähe eines Chemieparks befindet. Auch hier sind viele Menschen der Belastung in hohem Maße ausgesetzt – unter ihnen der ehemalige Mitarbeiter des Chemieparks, Dr. Rolf Hengel. Er arbeitete seit 1981 als Chemiker für die Firma und berichtet, dass die Risiken schon lange bekannt waren. Ende der 1980er Jahre erhielt Hengel die Diagnose Krebs – was letztendlich auch zum Ende seiner Karriere als Chemiker führte.

Wer ist verantwortlich?

Auf der Suche nach den Verantwortlichen muss Thilo Mischke im Laufe seiner Recherchen merken, dass immer weniger Menschen bereits sind, mit ihm über die gefährlichen Chemikalien zu sprechen. Keines der vielen Chemieunternehmen, die Mischke angefragt hatte, wollten mit ihm reden. Die meisten verwiesen auf den Verband der Chemieindustrie. Auch dieser leitete ihn weiter an den Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Wie zu erwarten, wollte auch dort niemand mit ihm sprechen.

Allerdings verwies das BDI auf ein Positionspapier – dort heißt es lediglich, „ein umfassendes Verbot der PFAS hätte erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Industrie und deren Innovationsfähigkeit“. Auch hier stößt der Journalist erneut auf besorgniserregende Informationen. Fakt ist: PFAS sind in Deutschland nicht meldepflichtig, weder in der Produktion noch in der Anwendung.

Welche Alternativen gibt es?

Einige Firmen arbeiten bereits an einer Alternative zu PFAS: Dazu zählt beispielsweise die Firma „Vaude“ aus Tettnang in Deutschland. Die nachhaltige Outdoor-Marke versucht seit geraumer Zeit ein Gegenangebot auf den Markt zu bringen. Seit 2018 ist die Verwendung von PFAS aus der Produktion für das Bekleidungssortiment verbannt – stattdessen stieg man hier auf Durable Water Repellency (DWR) um.

Der Prozess dauerte lange, kann sich aber blicken lassen: Denn durch DWR ist die Kleidung sowohl wasser- als auch schmutzabweisend. Allerdings konnte bisher noch kein Erfolg bei Öl oder Fettflecken garantiert werden. Die Produzenten arbeiten weiterhin an einer Verbesserung.

Auch vermeintlich neue Alternativen werden immer wieder durchgesetzt: in Altötting, der Stadt, die von der PFAS-Belastung besonders betroffen ist, wird mittlerweile auf den Nachfolgestoff Adona gesetzt. Aber auch hier gibt es gesundheitliche Bedenken.

Und genau das macht die Regulierung immer schwieriger: Denn die großen Chemiekonzerne bringen einen Stoff nach dem anderen auf den Markt, wenn auch nur minimal verändert. Die gesundheitlichen Risiken bleiben so gut wie bestehen, allerdings dauert ein Verbot der Stoffe so lange, dass die Firmen weiter viele Jahre davon profitieren können.

Wie handelt die Politik?

Je mehr Hintergründe über die Risiken von PFAS bekannt werden, desto mehr fragt man sich: Was macht eigentlich die Politik gegen die gefährliche Chemikalie? Auf seiner Suche nach Antworten wurde Thilo Mischke von vielen Verantwortlichen abgewiesen und erhielt eine Absage nach der anderen. Für mehr Aufklärung beschloss er, das Umweltministerium zu besuchen.

Umweltministerin Steffi Lemke ist bereits seit einiger Zeit für ein Verbot von PFAS und fordert eine EU-weite Regulierung. Bisher sind allerdings nur vereinzelt Stoffe der Gruppe in der EU verboten, wie etwa PFOA. Fünf EU-Staaten, darunter auch Deutschland, fordern weitere Maßnahmen gegen die Chemikalien.

Lobbyismus und Wirtschaft boykottieren das Verbot
Der Grund, warum die Verbote auf sich warten lassen, ist einerseits die Einigung innerhalb der EU-Länder, aber auch in großem Maße die Industrie. Denn die Firmen und Unternehmen, die PFAS einsetzen, profitieren von der Nutzung des Stoffes. Ein Verbot würde für sie einen Verlust in Milliardenhöhe bedeuten.

Gemeinsam mit Nina Holland, einer NGO-Mitarbeiterin von Corporate Europe Observatory, verfolgt Mischke die Spuren bis ins Europaparlament. Sie erklärt, dass die Strategie der Industrie darin bestehe, den wirtschaftlichen Verlust zu betonen – anschließend folge die Hauptaufgabe der Lobbyisten. Die Parteien selbst agieren „wie eine Art Lobbymaschine – sie sind oft besser und reagieren schneller und industriefreundlicher als die Konzerne selbst“, so Holland.

In einem Positionspapier von CDU / CSU aus dem Jahr 2022 heißt es: „Europa erlebt aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und die Folgen der Corona-Pandemie eine Zeitenwende. Es muss vermieden werden, dass Stoffe verboten werden, die wir dringend benötigen und für die es noch keine Alternativen gibt.“

Tipp: Die Doku „Giftig. Unzerstörbar. Thilo Mischke auf den Spuren tödlicher Chemikalien.“ ist weiterhin in der Mediathek von Pro7 verfügbar.

Profit über Gesundheit?

Die Folgen und Konsequenzen von PFAS sind seit langer Zeit bekannt – und trotzdem wirkt es so, als würde sich niemand für die Situation verantwortlich fühlen. Chemiekonzerne kehren einem scheinbar den Rücken zu und machen hinter verschlossenen Türen genau die Dinge, die sie schon seit Jahrzehnten ohne staatliche Regulierung tun dürfen.

Und auch wenn die Wissenschaft weiter an nachhaltigen Alternativen arbeitet, kann sich der Prozess noch über Jahre in die Länge ziehen. Die „Forever Chemicals“ sind unschlagbar.

Besonders das politische Handeln ist enttäuschend. Trotz der gesundheitsschädlichen Folgen wird wenig bis gar nichts gegen die Chemikalien getan. Wenn man sich die Positionspapiere des BDI und von CDU / CSU durchliest, entsteht der Eindruck, dass die Gewinnmaximierung von Unternehmen im Vordergrund steht: „Ich wurde vergiftet für den Profit von Unternehmen“, so Mischke im Interview mit Pro7. Mithilfe von Wasserfiltern oder vermeintlich alternativen Stoffen werden Probleme als gelöst anerkannt, auch wenn das meist nur von kurzer Dauer ist.

Doch nicht nur eine Regulierung wird von der Politik versäumt, sondern auch die Aufklärungsarbeit. In der Bevölkerung sind PFAS nach wie vor ein Fremdwort – und das, obwohl die gesamte Gesellschaft davon betroffen ist. Viele von uns sind sich der Belastung nicht bewusst und haben auch kaum Handlungsmöglichkeiten, da die Politik mit Informationen und Aufklärung viel zu lange auf sich warten lässt.

Solange wir nicht etwas gegen PFAS und dessen Verbreitung unternehmen, leidet nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unsere Gesundheit. Mischke fasst im Schlusswort zusammen: „Der Profit einzelner Unternehmen sollte nicht vor Gesundheit rund Umweltschutz stehen.“