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Schluss mit Body Shaming: Seid glücklich, statt perfekt!

Anti-Bodyshaming
Anti-Bodyshaming Credit: unsplash.com

Achtjährige, die auf Diät sind, weil sie sich zu dick fühlen. Füllige Frauen, die in den sozialen Netzwerken auf eine unfassbar inkorrekte Art und Weise beschimpft werden: Langsam sollte uns doch echt der Kragen platzen! Über Body Shaming, Knoten in den Köpfen und die Frage, was sich seit Body Positivity verändert hat.

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Früher in der Schulklasse gab es immer ein dickes Mädchen. Und egal, ob in der Grundschule oder später auf dem Gymnasium: Es war eigentlich immer so, dass dieses Mädchen vom Großteil der Klasse gemieden und fertig gemacht wurde. Auch beim Sport war es immer dieses eine Mädchen, das zuletzt gewählt wurde und die spöttische Bemerkungen erntete. Das alles ist lange her. Aber das Traurige ist: Seitdem hat sich absolut gar nichts geändert. Zumindest nicht zum Guten. Denn eigentlich ist es heute noch viel schwieriger, ein kleines, dickes Mädchen zu sein.

Wenn sich schon Kinder zu dick fühlen

Die Zahl der Mädchen und Frauen, die sich durch strenge Diäten selbst geißeln und sich ein freizeitfüllendes Sportprogramm auferlegen, ist in den letzten Jahren eher noch gestiegen. Selbst unter sogenannten „normalgewichtigen“ Mädchen und Frauen ist der Wettkampf um eine gute Figur unerbittlich. Heute gibt es extrem viele kleine Mädchen, die schon mit acht Jahren eine Diät machen, weil sie sich zu dick fühlen. Und das ist unglaublich traurig.

Eine Studie aus dem Jahr 2015, die von der Non-Profit-Organisation Common Sense Media in Auftrag gegeben wurde, besagt, dass 80 Prozent der 10-jährigen Mädchen in den USA schon mal eine Diät gemacht haben. Und die Hälfte der befragten Mädchen und ein Drittel der befragten Jungen würde gerne dünner sein. Und das im Alter von – Achtung – sechs bis acht Jahren!

Body Shaming: Wenn wir unseren Körper ablehnen
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Diktat der Schönheit funktioniert noch immer

Hätten all diese kleinen Mädchen damals und heute von Body Positive gehört, hätten sie Rolemodels wie Beth Dito, Joy Nash oder das Plus-Size Model Denise Bidot, dann wäre es ihnen sicher besser ergangen und sie hätten sich zu wehren gewusst.

Doch leider sieht die Realität anders aus. Obwohl es viele starke, füllige Frauen gibt, die den Mund aufmachen und sich dafür einsetzen, dass das Diktat der Schönheitsideale keine ganzen Lebensläufe boykottiert: Es hört einfach nicht auf. Es gibt immer noch ein abnormes Schönheitsideal, dem nur die wenigsten von uns entsprechen. Und wer eben nicht 90-60-90-Maße hat, wer aus dem gängigen Schönheitsmuster von jung, schlank und sportlich rausfällt, der hat ein Problem. Und zwar nicht unbedingt, weil er ein Problem mit sich selbst hat, sondern weil die Gesellschaft ihm eins andichtet.

Podcast-Tipp: Vor 8 Jahren ließ sich die Beauty-Expertin Susanne Krammer zu einer Schönheitsoperation hinreißen. Doch der scheinbar ungefährliche Eingriff lief schief. Berührend und ehrlich teilt sie ihre Geschichte mit Host Tino und den Hörer*innen unseres Podcasts „Echt & Unzensiert„.

Dick = faul und disziplinlos?

Dicke Menschen werden nicht nur ausgegrenzt und es wird sich auf ihre Kosten lustig gemacht. Nein: Man unterstellt ihnen zudem, dass sie zu faul wären, dass sie keinen Biss hätten, dass sie sich nur aufraffen müssten, um endlich auch zu den Dünnen zu gehören.

​Dick sein ist in unserer Gesellschaft nicht gewollt und geschätzt. Wer dick ist, ist ein Versager. Raff dich auf. Nimm ab. Mach Sport oder zieh zumindest den Bauch ein. Das Problem ist nämlich: Dick, fett oder füllig beschreibt nicht nur die Körperfülle, sondern steht für bestimmte Charaktereigenschaften, die unweigerlich damit verbunden werden. Dick bedeutet faul, hässlich, disziplinlos, ungepflegt und krank zu sein. Man ist ein Verlierer, bevor man auch nur den Mund aufgemacht hat.

Body Shaming: Wenn kleine Mädchen sich dick fühlen
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Was man fülligen Frauen gerne zugesteht, was sie sind: Sie sind lustig und echte Kumpels. Und sie sind auch gerne Fetisch für Männer, die eben darauf stehen. Dass kurvige Frauen schön oder gar sexy sind, gesteht man ihnen nicht zu. Sie sollten sich viel lieber schämen dafür, dass sie in keine gängige Klamottengröße passen und werden deshalb bei den meisten Modeketten gar nicht erst berücksichtigt. Bei Kleidergröße 44 hört der Spaß nämlich spätestens auf. Und alles, was jenseits der 44 kommt, verhüllt und versteckt mehr, als dass es schön und tragbar ist.

Body Shaming: Gegen alles, was nicht der Norm entspricht

Und genau hier kommt der Begriff des Body Shaming zum Tragen. Body Shaming bedeutet so viel wie „Shaming someone for their body type“. Bedeutet: Jemand wird wegen seines Äußeren diskriminiert und gehänselt. Sei es hinter dem Rücken des Betreffenden oder ganz öffentlich durch fiese Sprüche in der Schule, im Büro oder in sozialen Netzwerken.

Aber der Begriff wird auch verwendet, wenn man sich selbst niedermacht und seinen Körper sehr negativ bewertet. Beispielsweise, weil wir uns mit anderen Frauen vergleichen und uns dann weniger begehrenswert und schön finden, oder weil wir uns mit irgendwelchen Instagram-Schönheiten oder dem Frauenbild in den Medien vergleichen.

Body Shaming trifft jedoch nicht nur füllige Frauen (Fat Shaming), sondern auch extrem dünne Frauen (Skinny Shaming) und alte und behinderte Menschen. Und natürlich betrifft das Thema auch Männer. Ganz klar. Jeder, der nicht der Wunderformel jung und dynamisch entspricht, wird niedergemacht und als weniger schön, wertvoll oder hässlich angesehen.

Body Shaming und Body Positiv
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Was als Lästerei auf dem Schulhof angefangen hat, geht also auch später weiter. Im Sommer wird dicken Frauen abgesprochen kurze Kleidungsstücke wie Shorts oder Minis zu tragen. „Mit den Beinen würde ich mir lieber was Längeres anziehen. Schlimm, dass man sich sowas ansehen muss!“ heißt es dann. Ebenso wenn eine ältere Frau Shorts trägt, ist das ein No Go. „In dem Alter sollte man sich schon ein bisschen mehr anziehen“. Dabei fragt man sich: „Wer bitte legt fest, was schön ist und was nicht? Wer schreibt vor, wer sich zeigen darf?“

Body Positive: Frieden mit dem eigenen Körper schließen

Gut, dass es mittlerweile auch Gegenwehr gibt. Nehmen wir die Body Positive-Bewegung. Diese Bewegung propagiert, dass wir uns alle schön finden sollen, egal ob wir der Norm entsprechen oder nicht. Auch bei Body Positive geht es nicht nur um dick oder dünn, sondern auch um Hautfarbe, Körperbehaarung ja oder nein, Narben, Behinderungen usw. Das Mantra: „Jeder Körper ist schön“. Das Ziel: „When you fuel your body with love, your mind has no limits.“ Auf deutsch: Wenn du deinen Körper mit Liebe betankst, sind deinem Geist keine Grenzen gesetzt.

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Die Body-Positive-Bewegung hat auch feministische Züge, weil sie die Frau vom Zwang des Schönheitsdiktats befreien möchte. Body Positivity besagt: Du musst dir nicht die Achselhaare und die Bikinizone rasieren, nur weil „man“ es so macht. Und du musst nicht aussehen wie ein Fotomodel, nur weil die Werbung sich auf einen Typ Frau festgelegt hat, der extrem jung, dünn und kantig ist. Und wir müssen uns auch nicht verstecken, wenn wir als Frau eine Kaiserschnittnarbe am Bauch haben und Dehnungsstreifen an den Oberschenkeln.

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Das Bild steckt in den Köpfen fest

Body Shaming vs. Body Positiv
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Das Problem von Body Positivity

Zudem läuft die Bewegung der Body Positivity auch Gefahr, Menschen, die dem Schönheitsideal entsprechend schlank und sportlich sind, als Abziehbildchen und Opfer der Schönheitsindustrie zu sehen. Schau mal, das haben sie mit dir gemacht. Du hungerst dich runter und rennst dem Ideal hinterher. Und das geht dem Grundgedanken von Body Positivity zuwider. Denn auch die Frau, die eine Figur wie Giselle Bündchen hat, darf und soll sich schön finden dürfen und stolz auf ihren Körper sein. Genauso wie die Adipöse und die Vierfachmutter nach der Menopause eben auch. Wer jeden Körper als schön empfindet, darf eben auch nicht die ’schönheitsideal-konforme‘ Frau hassen.

Body Positivity heißt ja: Jeder soll sich lieben dürfen, so wie er ist. Und hier merkt man eben, dass Body Positivity zwar eine extrem gute Antwort auf Body Shaming ist, aber dass es unserer Gesellschaft immer noch schwer fällt, umzudenken. Sie fällt leicht von einem Extrem ins andere. Und plötzlich sind nur füllige Frauen „echte Frauen“ und alle anderen Mitläufer.

Was also tun gegen Body Shaming?

Unsere Gesellschaft tickt immer noch zu sehr in den alten Mustern, so dass es sicherlich Jahrzehnte dauern wird, bis sich das Schönheitsideal den Realitäten angepasst hat. Bis das als schön gilt, was wir wirklich sind: Nämlich dick, dünn, mager, alt, jung, grauhaarig, faltig, ramponiert und matt. Und wir sollten zumindest unseren Kindern ein gutes Vorbild sein und ihnen das Selbstvertrauen geben, damit sie sich selbst lieben können. Anstatt mit unseren Töchtern Diät zu machen und über unsere Falten zu schimpfen, sollten wir ihnen zeigen, dass wir unseren Körper lieb haben, so wie er ist. Sonst senden wir ein falsches Signal.

Wir müssen bei uns selbst anfangen. Wir müssen uns klar machen, dass unser Leben zu schade ist, um ständig noch sportlicher, schmaler, definierter, straffer und genormter zu werden. Dass wir mit uns und unserem Körper Frieden schließen sollten. Wir werden die Werbung nicht ändern können, aber unsere Denkweise sehr wohl.

Wir müssen aufhören uns und andere wegen unsere körperlichen Erscheinung zu beurteilen. Unser Körper ist ein Wunderwerk. Herz, Lunge, Hirn und Blutkreislauf: Jedes Detail spielt ineinander, so dass wir atmen und leben können. Und wir können Leben schenken, Kinder gebären. Unser Körper kann so viel mehr als perfekt auszusehen. Hier ist der Punkt, an dem wir Body Shaming aus der Welt schaffen können, indem wir uns genau das vor Augen halten.

Und letztlich ist es doch so, wie bereits Audrey Hepburn gesagt hat: „Happy girls are the prettiest.“

Serientipp: ‚Dietland‘ – für alle, die die Schnauze voll haben

Wenn auch du genug von den Kommentaren, Anfeindungen und vom Schubladendenken generell hast, empfehle ich dir ‚Dietland‘. ‚Dietland‘ gibt’s als Buch, geschrieben von Sarai Walker oder als Serie momentan verfügbar über Amazon Prime.

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Doch bei allem Positiven, das diese Art des Protests mit sich gebracht hat, bleibt auch der Frust. So ziehen Werbung und Medien eben nur bedingt bis gar nicht mit. Es machen immer noch keine Frauen „wie du und ich“ Werbung für ein Parfum (Es sei denn, sie sind topbezahlte Hollywood-Schauspielerinnen, die dann allerdings auch noch mit Photoshop geschönt werden). Und es ist eben auch Fakt, dass in unserer Gesellschaft immer das auffällt, was aus der Norm fällt. Eine extrem dicke und eine extrem magere Frau wird immer auffallen und als „anders“, seltsam und sogar hässlich angesehen werden. Und das kann man den Menschen leider nicht abtrainieren.