Frauenfreundschaften sind anders als die Freundschaften unter Männern. Das merkt man allein schon daran, wenn man seinem Freund oder einem Kumpel von Problemen mit oder von einer Freundin berichtet. Die klassische Reaktion in 99 Prozent der Fälle: entsetztes Kopfschütteln. Was Frauen untereinander beschäftigt, zusammenhält oder zerrütet, ist Männern ein vollkommenes Rätsel. Sie halten uns schlichtweg für bekloppt.
Die gängigen Klischees über BFFs (Best Friends Forever): Sie kennen keine Tabus voreinander, gehen zusammen auf die Toilette und erzählen sich ALLES - auch intimste Dinge, jedes kleinste Detail. Dazu sind sie empathisch, verständnisvoll und hilfsbereit. Soweit so gut. Klingt nach ner Top Kombi. Viel enger als das laut Klischee bei Männerfreundschaften der Fall ist. Denen wird ja gerne mal nachgesagt, sie seien lockerer, derber, mehr an der Oberfläche. Doch die ganze Sache ist leider etwas komplizierter.
Denn es gibt eine Sache, bei denen die BFFs dann doch schlechter abschneiden als ihre freundschaftlich verbundenen Männerkollegen: Und zwar Konflikte!
Wenn Frauen sich streiten, steckt dahinter weit mehr als vermeintliche Zickerei, PMS oder ein 'zu viel' an Emotionalität (auch wieder so ein blödes Klischee). Klar: Wer enger verbunden ist, bei dem kann es auch schneller krachen. Und heftiger. Dennoch liegt das Problem woanders. Denn Frauen gehen Konflikten mit einer Freundin gerne aus dem Weg statt Tacheles zu reden! Stattdessen versuchen sie gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Harmonie und Frieden über alles. Man will ja keinen Streit.
Und so kommt es oft, dass wir den Ärger in uns hineinfressen, lächeln und "Ist doch kein Problem" sagen. Und zwar bis das Fass irgendwann überläuft. Und dann explodieren wir! Dass unser Gegenüber die ganze Zeit gar nicht ahnen kann, was uns innerlich so zum Brodeln bringt, macht die ganze Sache nicht besser. Manchmal ist aber auch genau das Gegenteil der Fall: Man explodiert nie, behält seinen Ärger für sich und behält so eine Freundschaft bei, die einem vielleicht gar nicht gut tut. Aber man schweigt und spielt Harmonie und ist genervt.
Große Erwartung - große Enttäuschung
Vielleicht erwarten wir auch zu viel von einer wirklich guten Freundin. Und schnüren ihr so schnell die Luft ab, engen sie ein. Gerade weil wir uns gar keinen emotionalen Rückzug oder eine Schutzzone gönnen. Geht es uns schlecht, muss sie für uns da sein, uns Rat geben, uns trösten. Sie muss sich für unsere Beziehungsprobleme interessieren, für den Ärger auf der Arbeit und andere Befindlichkeiten. Ständig öffnen wir uns sehr emotional gegenüber unseren engen Freundinnen, holen Feedback ein, Rückversicherung: "Ist das nicht schlimm? Ja, oder?" Und hat sie einen neuen Partner sind wir auch nicht immer happy. Schließlich heißt das, dass sie weniger Zeit für uns hat. Wir sind eifersüchtig. Klar, dass man bei so viel pärchenähnlicher Nähe, Angst vor einem Streit hat, der diese Harmonie gefährden könnte.
Bei unserem Partner sind wir da ganz anders. Wir sind meinungsfreudiger, machen ihm auch mal Vorwürfe, rücken raus mit der Sprache. Warum nur halten wir uns bei der Freundin zurück mit dieser Offenheit? Vielleicht weil wir denken, wir müssten sie schonen? Dürften nie verletzend zu ihr sein, weil sie uns so mag, wie wir sind - und zwar OHNE in uns verliebt zu sein wie unser Partner? Weil wir denken, in dem Fall bekommen wir so viel ungefragt geschenkt, dass wir kein Recht haben, Kritik zu üben?
Der beste Weg heraus aus dem Dilemma ist es, es den Männern gleichzutun (so ungerne wir das auch zugeben mögen). Zumindest ab und an ein bisschen Abstand zu wahren. Das tut in Liebesdingen gut und ist bei einer guten Freundschaft genauso wichtig. Ein gesunder Abstand - kein kühler. So können wir die enge Verbundenheit leben, ohne komplett emotional und gefühlsgesteuert zu sein. Denn manchmal eben muss man auch in Freundschaftsfragen einen kühlen Kopf bewahren. Jede arg emotionale Bindung birgt die Gefahr, dass man auch arg emotional verletzt wird. Und nicht selten enden Frauenfreundschaften deshalb auch mit einem großen Knall.
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