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Pride Month: Was steckt hinter internalisierter Queerfeindlichkeit?

Frau, die auf dem Boden liegt und einen Regenbogen im Gesicht hat.
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Internalisierte Queerfeindlichkeit - Was steckt dahinter?

Ein Phänomen, das lange unentdeckt geblieben ist und dennoch Spuren hinterlassen hat.

Als queere Person steht man im Alltag vor vielen Herausforderungen – vor allem mit sich selbst. Das kann schwerwiegende Folgen haben.

Die eigene Sexualität zu erforschen und zu finden, kann wahnsinnig schwierig sein. Besonders, wenn man von gesellschaftlichen Stigmata und Vorurteilen umgeben ist.
Queere Menschen haben schon immer existiert, auch wenn die Thematik erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts an Sichtbarkeit gewonnen hat.

Und auch wenn es heute mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Gesetze gibt, die Homosexualität und queeres Leben schützen sollen, wächst der Hass auf queere Menschen besonders im internationalen Kontext weiter an. Und dieser Hass findet selbst in der queeren Community Nährboden.

Was ist internalisierte Queerfeindlichkeit?

Internalisierte Queerfeindlichkeit ist im Grunde genommen der Hass auf die eigene Sexualität. Dieser Hass wird maßgeblich durch gesellschaftliche Werte und das heteronormative Verständnis begünstigt, mit welchem die meisten von uns aufgewachsen sind.

In einer Gesellschaft aufzuwachsen, die überwiegend heterosexuelle Menschen porträtiert und in der queere Menschen nach wie vor eine Minderheit abbilden, werden wir von Geburt an trainiert, welche Lebensweise scheinbar „normal“ ist und welche nicht. „Normal“ meint in diesem Sinne, die gesellschaftliche und soziale Mehrheit, die gleichzeitig die Norm bestimmt.

Das hat schwerwiegende Konsequenzen: Denn je weniger queere Menschen in der Öffentlichkeit gezeigt werden, desto schwieriger ist es, seine eigene Sexualität zu akzeptieren.

Viele queere Menschen verfallen dabei in eine Art „Selbsthass“ und Selbstmissachtung: Aufgrund von Angst und Scham leiden immer noch viele Menschen unter internalisierter Queerfeindlichkeit.

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Wie äußert sich internalisierte Queerfeindlichkeit?

Internalisierte Queerfeindlichkeit hat viele Facetten und äußert sich unterschiedlich bei den betroffenen Personen. Einige Merkmale sind jedoch typisch und hinterlassen bei den Betroffenen folgende Emotionen:

  • Das Gefühl, dass man nicht gut genug ist und kein Glück oder Freude im Leben verdient
  • Das Gefühl, anderen Menschen gefallen zu müssen und Dinge zu tun, mit denen man sich nicht wohlfühlt
  • Gedanken darüber, wie das Leben als heterosexuelle oder Cis-Person sein würde und ob es gleichzeitig einfacher sein würde
  • Sich von Freunden, Bekannten o.ä. zu trennen, da man das Gefühl hat, niemandem vertrauen zu können

In dem Buch „The Velvet Rage“ erklärt der Psychologe Alan Downs, wie schwierig es sein kann, als homosexueller Mann in einer heteronormativen Gesellschaft aufzuwachsen. Leider gibt es das Buch nur auf Englisch, dennoch kann es Betroffenen dabei helfen, die eigene Sexualität zu akzeptieren und einen gesunden Umgang mich sich selbst zu finden.(hier bei Amazon kaufen)*

Studien und Untersuchungen zu Queerfeindlichkeit

Oft hört man von dem Klischee, dass queerfeindliche Äußerungen im großen Maße von Menschen kommen, die eigentlich selber queer sind. Diese These konnte bislang in keiner Studie wissenschaftlich nachgewiesen werden. Allerdings konnten Wissenschaftler*innen einen Zusammenhang herstellen.

Der konservative Fidesz-Spitzenpolitiker József Szájer aus Ungarn ist ein Paradebeispiel dafür: Im Jahr 2020 wurde er in Brüssel bei einer „Sex-Party“ mit etwa 20 Männer erwischt und legte als Konsequenz alle politischen Ämter nieder.

Geschehnisse wie diese könnte man als lustige Doppelmoral oder Heuchelei abstempeln, doch in den meisten Fällen steckt dahinter ein ernstes, gesellschaftliches Problem, mit dem viele queere Menschen zu kämpfen haben.

Durch Erfahrungen und Erziehung können sich diese Gefühle verstärken. Versuche aus Großbritannien und den USA fanden demnach heraus, dass Menschen, die mit autoritären und homofeindlichen Eltern aufgewachsen sind, sich überwiegend selbst queerfeindlich äußern und einen großen Hass auf die LGBTQIA+ Community hegen.

Auswirkungen von Hasskriminalität und Diskriminierung

Queere Menschen leiden zudem häufiger an psychischen Erkrankungen: Die Ursache liegt allerdings nicht an der sexuellen Orientierung selbst, wie es erzkonservative Politiker*innen oft versuchen zu instrumentalisieren, sondern an Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen der Betroffenen.

Das können Ergebnisse einer Studie der Deutschen Wirtschaftsforschung (DIW) belegen: Queere Menschen werden demnach doppelt so häufig wie heterosexuelle Menschen mit Depressionen diagnostiziert.

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So kann man internalisierte Queerfeindlichkeit bekämpfen

Um sowohl sich selbst, als auch andere um sich herum zu schützen, ist es wichtig, internalisierte Queerfeindlichkeit so früh es geht zu erkennen. Oftmals ist es ein langer Prozess, denn die Erfahrungen und erlernten Dinge, die wir bereits im Kindesalter mit uns tragen, sind tief in uns verankert.

Die queerfreundliche Programm „Du bist du„, gegründet von der „Sexuellen Gesundheit Zürich“ (SeGZ) und dem „Checkpoint Zürich“, hat im Zuge dessen ihre Community befragt, welche Maßnahmen helfen können, um internalisierter Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken:

  • Sich bewusst werden, über die eigene Queerfeindlichkeit
  • Gedankenmuster und Vorurteile offen ansprechen
  • in queeren Kreisen engagieren
  • Bezugspersonen finden, denen man vertrauen kann
  • Über Gefühle und Ängste sprechen
  • Community suchen
  • Über Identität und Sexualität sprechen
  • Auch kleine Meilensteine zur Selbstakzeptanz wertschätzen

Ein Grund zur Sorge: Internationale Queerfeindlichkeit wächst

Internalisierte Queerfeindlichkeit kann sich nur dann verringern, wenn auch gesellschaftliche Strukturen mit ihr wachsen. Leider zeichnet sich im Jahr 2023 ein trauriger Trend ab, der die Rechte queerer Menschen weiter unter Druck setzt und damit Leben gefährdet.

In 67 Staaten weltweit wird Sexualität, die nicht der heteronormativen Strukturen entspricht, kriminalisiert. Von Straflagern bis hin zu der Todesstrafe ist alles dabei.

Doch auch in Deutschland steigen die Straftaten gegenüber queeren Menschen weiter an: Im Jahr 2022 veröffentlichte die Bundesregierung eine Statistik zur politisch motivierten Kriminalität in Deutschland und zählte dabei 417 Delikte unter dem Unterthemenfeld „geschlechtsbezogene Identität“.

Im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ wurden 1.005 Straftaten erfasst, was einer Steigerung im Vergleich zum vorherigen Jahr von 15 % entspricht. Die Bundesregierung selbst verweist allerdings darauf, dass es sich vermutlich um eine hohe Dunkelziffer handelt, die in der Statistik nicht einbezogen wird.

Hilfe für Betroffene: Solltest du selbst von queerfeindlicher Diskriminierung oder Gewalt betroffen sein, findest du hier Anlaufstellen und Hilfsangebote:

Lesben- und Schwulverband (LSVD)
Interventionen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie (VLSP)

Anmerkung zum Schluss: Bist du selber von internalisierter Queerfeindlichkeit betroffen, kann das ein ziemlich hartes Pflaster sein. Wenn dich das Thema im großen Ausmaß beschäftigt und / oder einschränkt, ist es sinnvoll, über eine therapeutische oder psychologische Unterstützung nachzudenken.

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