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Warum wir nicht mehr von „Indianern“ sprechen (und die Kostüme beerdigen) sollten

Credit: Unsplash.com/obi-onyeador

Vielen ist nicht bewusst, dass der Begriff „Indianer“ rassistisch und diskriminierend ist. Uns lange Zeit auch nicht. Das hat sich gestern geändert. Wir verraten wieso.

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Ich will ehrlich sein, mein erster Impuls auf Kritik an unserem Rezept für „Indianer-Kekse“ war: Man kann sich auch anstellen. Da ist sie wieder, die überempfindliche Internetgesellschaft. Generation-Winnetou wird dem wohl beipflichten.

Aus dem Kollegium ertönen ähnliche Stimmen: „Darf man jetzt auch keine Indianerkostüme mehr tragen?“ Die Antwort: Nein – und das aus gutem Grund.

Mein zweiter Impuls war, mich zu fragen, ob der Begriff „Indianer“ wirklich diskriminierend ist. Die Antwort auf diese Frage ist so eindeutig, dass ich mich frage, wie wir so ignorant sein konnten.

Vorab: Was ist passiert?

Gestern haben wir auf gofeminin.de ein Rezept für „Indianer-Kekse“ zum Nachbacken veröffentlicht. So sah das Ganze aus:

Credit: gofeminin.de

Daraufhin trudelten zahlreiche Nachrichten unserer Leser ein. Sie schrieben uns Kommentare wie: „‚Indianer‘ ist eine Fremdbezeichnung, welche für den Massenmord an einer bestimmten Volksgruppe genutzt wird. […] Bitte teilt eure Backanleitungen doch unter anderen Bezeichnungen und nehmt diesen Artikel von der Website.“

Oder auch: „Eventuell sollten solche Titel überdacht werden. Vor allem von einer Brand, die sich deutlich gegen Diskriminierung positioniert.“

Warum es diskriminierend und rassistisch ist, wenn man von „Indianern“ spricht

Wenn es um den Begriff „Indianer“ geht, muss man als erstes sagen, dass er von vornherein falsch war. Er beruhte damals auf dem Glauben von Christoph Kolumbus, er hätte Indien entdeckt. Das macht den Gebrauch des Wortes zumindest schon vom Ursprung her ignorant.

Aber die Liste mit Gründen, warum die Bezeichnung tatsächlich diskriminierend und rassistisch ist, ist noch deutlich länger und gravierender:

  • „Indianer“ ist eine Fremdbezeichnung. Das bedeutet, dass die indigenen Völker Amerikas sich niemals selbst so bezeichnet haben, sondern die Kolonialisten den vermeintlich barbarischen Ureinwohnern diesen Namen gegeben haben.
  • Damit steht die Bezeichnung auch für die versuchte Ausrottung der indigenen Volksgruppen durch Massenmord, Zwangsarbeit und Deportationen begleitet von Todesmärschen. Der Hass gegen die indigenen Volksgruppen war so groß, dass in Städten Prämien für ihre Köpfe ausgeschrieben wurden. Es wurden Angriffe gegen schlafende Dörfer vollzogen. Zuletzt wurde den überlebenden Volksgruppen in Reservaten ihre Kultur genommen. Wer sich der Amerikanisierung widersetzte, bekam keine Essensrationen. Kinder wurden von ihren Eltern getrennt und in Internate gesteckt, wo ihnen ihre Muttersprache verboten wurde. Und das ist nur ein kurzer, grober Überblick über alle Gräuel gegen die indigenen Völker.
  • Es gibt über 500 indigene Völker und Stämme mit eigener Sprache. Damit haben die einzelnen indigenen Volksgruppen in etwa so viel gemeinsam wie Deutsche mit Russen und Schweden. Wir bestehen doch auch auf differenzierte Bezeichnungen, warum sollten wir anderen Völkern dieses Recht aberkennen?

Wenn man das alles weiß, fragt man sich zurecht: Warum um alles in der Welt benutzen wir dieses Wort noch?! Aber wir setzen mit Kostümen sogar noch einen drauf.

Warum auch das „Indianerkostüm“ diskriminierend und rassistisch ist

Wählt ein Kind ein Kostüm, dann tut es dies aus Bewunderung. So mutig sein wie Pocahontas, mit Tieren sprechen können wie Yakari. Aber das sind Heldenfiguren mit Eigenschaften, die das Kind verkörpern möchte. Mit einem „Indianerkostüm“ hingegen wird ein Stereotyp gezeichnet – und dann wird es verletzend.

Europäer, die „Lululu“ trällernd und sich gegen den Mund schlagend mit Federn auf dem Kopf umhertanzen – was daran ist nicht geschmacklos und verletzend?

Ich bin Russlanddeutsche. Wenn mir an Karneval jemand mit einer Pelzmütze auf dem Kopf (vorzugsweise noch mit Stern und Sichel) und einer Wodkaflasche in der Hand „Kalinka!“ entgegen grölt, fände ich das auch nicht cool. Wir zeichnen so Bilder, die eine ganze Kultur ins Lächerliche ziehen. Ob bewusst oder unbewusst: Wir würdigen so ganze Völker herab – und genau das ist per Definition diskriminierend.

Wer einen sehr schönen, persönlichen Bericht dazu lesen möchte, findet hier einen Artikel der Vice mit dem Titel: Ich bin „echter“ Indigener und finde eure Indianer-Kostüme nicht witzig.

Was haben wir daraus gelernt?

Wir bereuen sehr, dermaßen ignorant gewesen zu sein, und haben den Keksartikel direkt offline genommen – so wie jeden anderen Artikel dieser Art, den wir finden konnten. Falls wir einen übersehen haben sollten, weist uns bitte daraufhin, wir holen das nach.

Wenn ihr in Zukunft das Wort „Indianer“ auf gofeminin.de lest, dann nur im Zusammenhang mit einer Erklärung, warum wir die indigenen Völker Amerikas nicht mehr so nennen (so wie in diesem Artikel).

Was sollte man stattdessen sagen?

Politisch korrekt wären Bezeichnungen wie Indigene oder indigene Volksgruppen. Für indigene Völker Nordamerikas wird auch der Ausdruck Native Americans verwendet. Für indigene Völker Kanadas First Nations.

Im direkten Kontakt kennt man idealerweise die Eigenbezeichnung der Volksgruppe oder erfragt sie, dann kann man sein Gegenüber wirklich korrekt ansprechen.