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EZB erhöht Leitzins: Was bedeutet das und wer profitiert?

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EZB erhöht Leitzins: Was bedeutet das und wer profitiert?

Im Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank erstmals seit elf Jahren den Leitzins erhöht. Doch was sind die Folgen und wer profitiert von der Leitzins-Erhöhung?

Inhaltsverzeichnis

Am 21. Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte erhöht. Zuletzt wurde der Leitzins 2011 angehoben. Mit der Erhöhung will der EZB-Rat rund um Chefin Christine Lagarde eine „Normalisierung der Geldpolitik“ erreichen. Das Geld wird also teurer.

Allerdings sei schon vorab gesagt, dass der Begriff ‚Leitzins‘ ein wenig irreführend ist, weil er suggeriert, dass es sich lediglich um einen Zins handelt. Eigentlich gibt es aber drei verschiedene Leitzinsen: Den Hauptrefinanzierungssatz, den Einlagenzinssatz und den Spitzenfinanzierungssatz. Wenn die Rede vom Leitzins ist, ist in der Regel der Hauptrefinanzierungssatz gemeint. Er gilt als der wichtigste Leitzins und wird auch EZB-Leitzins genannt.

Bei uns erfahrt ihr alles, was ihr über die Leitzins-Erhöhung wissen müsst.

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Was macht die EZB und was ist eigentlich der Leitzins?

Die Europäische Zentralbank ist unsere oberste Notenbank und hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Ihre Aufgabe ist es, für ein stabiles Finanzsystem im EU-Raum zu sorgen und die Inflation zu kontrollieren und ggf. gegenzusteuern. Sie legt den europäischen Leitzins fest. Dabei handelt es sich um ihr wichtigstes geldpolitisches Instrument, um die sich im Umlauf befindliche Geldmenge aktiv zu steuern.

Kreditinstitute und Geschäftsbanken können sich bei der EZB Geld leihen oder dieses dort anlegen. Die Leitzinsen legen fest, zu welchen Konditionen das möglich ist. Vereinfacht gesagt, wird es für Banken günstiger, sich Geld zu leihen oder welches anzulegen, wenn der Leitzins gesenkt wird (expansive Geldpolitik). Wenn der Zinssatz jedoch erhöht wird, wird es teurer (restriktive Geldpolitik).

Der Hauptrefinanzierungssatz gibt an, zu welchem Zinssatz sich Banken über einen längeren Zeitraum Geld bei der EZB leihen können. Über den Spitzenfinanzierungssatz erhalten Banken kurzfristig Geld. Er ist in der Regel einen Prozentpunkt über dem Hauptrefinanzierungssatz und entspricht der Obergrenze des Tagesgeldsatzes.

Diese kurzfristigen Kredite sind sogenannte Übernachtkredite, die zu Beginn des nächsten Geschäftstages wieder fällig werden. Banken können zudem kurzfristig überschüssiges Geld bei der Zentralbank anlegen. Die Konditionen hierfür werden durch den Einlagenzinssatz festgelegt.

Kurz und knapp zusammengefasst:

Hauptrefinanzierungssatz: Eine Bank leiht sich zu diesem Zinssatz über einen längeren Zeitraum Geld bei der EZB.
Spitzenfinanzierungssatz: Eine Bank leiht sich kurzfristig Geld bei der EZB zu einem höheren Zinssatz, als dem der Hauptrefinanzierung.
Einlagenzinssatz: Eine Bank legt überschüssiges Geld zu diesem Zinssatz bei der EZB an.

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EZB erhöht Leitzins: Was bedeutet das und wer profitiert?

Das US-amerikanische Pendant zur Europäischen Zentralbank ist die Notenbank Federal Reserve (Fed). Aufgrund der ausufernden Inflation in den USA wurde der Leitzins dort im Jahr 2022 bereits zum vierten Mal angehoben.

Bei der letzten Erhöhung im Juli wurde der Leitzins zum zweiten Mal in diesem Jahr sage und schreibe 0,75 Prozentpunkte angehoben. Bereits im Juni wurde er um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Bei diesem Schritt handelte es sich um den größten Zinserhöhungsschritt seit 1994. Aktuell bewegt sich der Leitzins in den USA bei einer Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent.

Warum hat die Zentralbank den Leitzins angehoben?

Nun hat der EZB-Rat erstmals seit elf Jahren den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte angehoben. Vor dieser Erhöhung lag der Leitzins seit 2016 bei null Prozent. Dadurch wurden Kredite verbilligt. Somit sollte die Wirtschaft angekurbelt werden. Für Geschäftsbanken und Sparer war diese Nullzinspolitik jedoch ein Graus.

Auch der Einlagenzinssatz wurde um 0,5 Prozentpunkte auf 0,0 Prozent angehoben. Zuvor mussten Banken Negativzinsen auf Einlagen zahlen. Mit der Zinswende gehören Strafzinsen aktuell bei den meisten Geldinstituten der Vergangenheit an. Zuvor mussten Kundinnen und Kunden bei einigen Banken Strafzinsen zahlen, wenn sie hohe Geldbeträge auf ihrem Girokonto hatten.

Der Hauptgrund für die Erhöhung des Leitzinses ist die steigende Inflation im Euroraum. Mit Inflation ist die Teuerungsrate der Verbraucherpreise gemeint. Die Inflationsrate bewegt sich mit 8,6 Prozent in der Eurozone derzeit auf einem Rekordniveau. Der Euro verliert also an Wert. Mit der Zinserhöhung soll nun die Nachfrage ein Stück weit gesenkt werden, weil weniger Geld zur Verfügung steht.

Doch die Erhöhung des Leitzinses hat auch negative Folgen für eine Volkswirtschaft. Problematisch ist die Anhebung des Leitzinses insofern, als Kredite teurer werden. Unternehmen müssen also sparen und ihre Ausgaben senken. Das bedeutet allerdings auch, dass sie weniger Mitarbeiter*innen einstellen können oder ihren Mitarbeiter*innen weniger Lohn zahlen müssen.

Hier bewegt sich die EZB in einem Spannungsfeld. Einerseits muss sie Kontrolle über das Geld bewahren, das in Umlauf gelangt und die Inflation über den Leitzins regulieren, andererseits dürfen die Folgen für die Wirtschaft nicht zu gravierend ausfallen.

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Welche Auswirkungen hat die Leitzinserhöhung auf Verbraucherinnen und Verbraucher?

Welche Auswirkungen hat die Erhöhung nun auf Verbraucherinnen und Verbraucher? Und was bedeutet die Zinswende für Anleger? Von den niedrigen Zinsen haben besonders Personen profitiert, die einen Baukredit aufgenommen haben. Immobilienfinanzierungen wurden durch die niedrige Zinspolitik nämlich immer günstiger.

Derzeit sieht die Situation anders aus: Häuslebauer in Deutschland müssen mit steigenden Baufinanzierungszinsen rechnen. Besonders Kreditnehmer, deren Zinsbindung bald ausläuft, sollten auf der Hut sein.

Baukredite steigen laut „Finanztip“ bereits seit Januar 2022. Die Zinswende ist in diesem Bereich also schon deutlich früher eingetreten. Vereinfacht gesagt, bis zur Leitzinserhöhung war es günstiger, sich einen Baukredit zu leisten. Aktuell ist ein Baukredit teurer. Dennoch sind Bauzinsen nach wie vor günstiger als beispielsweise in den Jahren 2007 oder 2008.

Die Nachfrage nach Immobilien ist weiterhin groß. Größer als das Angebot. Faktoren wie der demografische Wandel, fehlendes Bauland, ein Mangel an Rohstoffen und Baumaterial sowie der Fachkräftemangel spielen hier eine Rolle. Dass die Nachfrage nach Immobilien sinkt, ist eher unwahrscheinlich. Außer – und hier spielt die Leitzinserhöhung wieder eine Rolle – Personen, die vorhaben zu bauen, können es sich nicht mehr leisten.

Für Sparer sieht die Situation erst einmal besser aus, da Sparen günstiger wird. Denn die oben bereits erwähnten Negativzinsen sollten nun der Vergangenheit angehören. Zuvor gab eine Bank die Negativzinsen auf hohe Geldbeträge meist in Form von Verwahrentgelten an ihre Kund*innen weiter.

Problematisch ist die Leitzinserhöhung für EU-Länder mit einer hohen Staatsverschuldung wie Frankreich oder Italien. Wenn die Zinsen weiter steigen, wird es für diese Länder zunehmend schwieriger, ihre Schulden zu tilgen.

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Sinken die Preise?

Mit sinkenden Preisen und Lebenshaltungskosten ist durch die Entscheidung der EZB jedoch nicht zu rechnen. An dieser Stelle spielen die hohen Energiepreise eine wichtige Rolle. Sie sorgen dafür, dass die hohe Inflation auch weiterhin besteht. Denn Rohstoffe sind nach wie vor knapp.

Auf die Energiepreisentwicklung und andere Faktoren wie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder Lieferengpässe aufgrund des Corona-Lockdowns hat die EZB keinen Einfluss. Die EZB kann durch eine Erhöhung des Leitzinses lediglich die Nachfrage senken, weil weniger Geld zur Verfügung steht.

Neues Krisenprogramm: „Transmission Protection Instrument“

Neben der historischen Zinswende hat die EZB ein neues Krisenprogramm an den Start gebracht: „Transmission Protection Instrument“. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das die EZB ermächtigt, Staatsanleihen einzelner Euro-Länder aufzukaufen und die jeweiligen Kreditzinsen zu senken.

Kritisiert wird derzeit, dass nicht offengelegt wird, ab wann das „Transmission Protection Instrument“ zum Einsatz kommen kann.

Quellen: