Die Schultasche ist fast schon wieder gepackt, der Stundenplan hängt verheißungsvoll am Kühlschrank, und trotzdem hängt die Stimmung im Keller. Nach sechs Wochen Sommerferien (oder sogar noch länger) fällt es vielen Kindern schwer, wieder in den Schulrhythmus zu kommen. Manche brauchen nur ein paar Tage, um sich einzufinden. Andere kämpfen wochenlang mit Müdigkeit, Gereiztheit oder sogar Angst.
Als Mutter von zwei Kindern kenne ich beide Varianten. Das schnelle Wiedereintauchen in den Alltag, wenn die ersten Wiedersehensfreuden überwiegen. Und die zähe Rückkehr, wenn schon am Sonntagabend Bauchschmerzen einsetzen und das morgendliche Anziehen eine kleine Verhandlungsschlacht wird.
In diesem Artikel geht es darum, warum der Schulstart nach den Ferien so herausfordernd sein kann und wie du deinem Kind hilfst, den Übergang leichter zu meistern.
Warum der Wiedereinstieg so schwerfällt
Ferien bedeuten für Kinder nicht nur Pause von Hausaufgaben und Vokabeltests. Sie bedeuten auch Freiheit im Tagesablauf, wie später ins Bett gehen, mehr Zeit zum Spielen und weniger Pflichten haben. Der Schulstart reißt sie abrupt aus diesem Rhythmus.
Häufige Gründe für Anpassungsschwierigkeiten sind:
- Veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus: In den Ferien verschieben sich Bettgeh- und Aufstehzeiten oft um Stunden. Der plötzliche Frühstart kann körperlich wie ein Mini-Jetlag wirken.
- Hohe soziale Reizbelastung: Plötzlich wieder 20 bis 30 Kinder im Klassenraum, Gruppenarbeit, Lärm, das kostet alle Kinder Energie und manche sehr viel Energie.
- Leistungsdruck: Manche Kinder fürchten sich vor Tests oder vor der eigenen Erwartung, ‚wieder gut mitzukommen‘.
- Ungelöste Konflikte: Streit mit Mitschüler*innen oder angespannte Beziehungen zu Lehrkräften können das Zurückkommen zusätzlich belasten.
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Diese Anpassungsschwierigkeiten sind erstmal normal. Sie werden problematisch, wenn sie länger anhalten oder sich zu einer handfesten Schulangst entwickeln.
Wann es mehr als nur Anlaufschwierigkeiten sind
Die meisten Kinder sind nach ein bis zwei Wochen wieder im Schulmodus. Wenn aber Symptome wie diese länger anhalten, lohnt sich genaueres Hinschauen:
- Häufige Bauch- oder Kopfschmerzen, vor allem morgens
- Anhaltende Schlafstörungen oder nächtliches Grübeln
- Deutliche Gereiztheit oder Rückzug im Zusammenhang mit Schule
- Angstreaktionen beim Gedanken an den Schulbesuch
- Plötzlicher Leistungsabfall trotz guter Fähigkeiten
Hinter solchen Reaktionen kann eine tieferliegende Angststörung, Mobbingerfahrung oder Überforderung stecken. Spätestens dann braucht dein Kind mehr Unterstützung als nur „das wird schon wieder“.
Strategien für einen sanften Wiedereinstieg
1. Den Rhythmus langsam anpassen
Ideal ist es, schon ein paar Tage vor Schulbeginn Schlaf- und Essenszeiten wieder schrittweise an den Schulalltag anzugleichen. Und wenn die Zeit bis zum Schulstart schon zu knapp ist, um schrittweise vorzugehen, dann findet eine Routine und bleibt der treu. Schon nach einer Woche haben sich in der Regel alle daran gewöhnt.
2. Positives mit der Schule verknüpfen
Plane in der ersten Schulwoche bewusst kleine Highlights ein: ein Treffen mit der besten Freundin, ein gemeinsamer Snack nach der Schule, Lob für kleine Fortschritte. Positive Emotionen helfen, Ängste zu verdrängen.
3. Gespräche auf Augenhöhe führen
Versucht, von Anfang an in Kontakt zu bleiben, bei allem, was die Schule betrifft. Frag konkret nach, was in der Schule gerade schwierig ist und was deinem Kind helfen würde. Vermeide abwertende Kommentare wie „Das ist doch nicht so schlimm“, denn dein Kind fühlt anders und im Zweifel kann man mit einem Kommentar Ängste verstärken.
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4. Alte Probleme früh ansprechen
Falls es vor den Ferien bereits Konflikte gab, sprich mit Klassenlehrer*innen oder dem Schulsozialdienst, bevor sich diese Themen wieder hochschaukeln.
Wenn aus dem Ferienblues eine Schulverweigerung wird
In seltenen Fällen verschwindet die Unlust nicht, sondern steigert sich. Manche Kinder entwickeln eine ausgeprägte Schulangst oder verweigern den Besuch ganz. Das ist kein Trotz, sondern ein Warnsignal. Hier helfen:
- Frühzeitige schulpsychologische Beratung
- Abklärung durch Kinder- und Jugendtherapeut*innen
- Individuelle Lösungen wie stufenweiser Wiedereinstieg oder temporäre Entlastung im Stundenplan
Das Ziel ist immer, dem Kind die Sicherheit zurückzugeben, dass Schule ein machbarer Ort ist und dass es Unterstützung bekommt, wenn es schwierig wird.
Geduld und Verständnis statt Druck
Nach langen Ferien brauchen Kinder Zeit, um wieder im Schulalltag anzukommen. Ein bisschen Trödeln am Morgen oder anfängliche Unlust sind kein Drama. Oft reichen Geduld, klare Strukturen und ein offenes Ohr. Wenn die Probleme aber hartnäckig bleiben oder sich verschlimmern, ist es wichtig, früh Hilfe zu suchen.
Der Schulstart ist kein Sprint, sondern ein Übergang. Je verständnisvoller wir ihn begleiten, desto schneller finden Kinder wieder Sicherheit und die Freude am Lernen.
Hilfreiche Anlaufstellen:
- Nummer gegen Kummer: https://www.nummergegenkummer.de
- Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke): https://www.bke.de
- Schulpsychologische Beratungsstellen
- Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT): https://www.dgvt.de
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