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Schimpfen ist keine Erziehung – aber was dann?

Mutter schimpft mit ihrer Tochter am Küchentisch zu Hause.
© Getty Images/ Galina Zhigalova

Vorab im Video: Warum Eltern ständig denken, sie machen alles falsch

Schimpfst du noch oder erziehst du schon? Warum Anschreien nichts bringt und wie du Kinder wirklich zum Zuhören bringst.

Ich wollte die Mutter sein, die immer ruhig bleibt, tief durchatmet, auf Augenhöhe spricht und niemals mit hochrotem Kopf durchs Wohnzimmer brüllt, dass jetzt aber wirklich endlich Ruhe ist. Tja. Theorie und Praxis, ne?

Aber mal ehrlich: Schimpfen ist keine Erziehung. Punkt. Es entlädt höchstens meinen eigenen Frust, bringt aber langfristig gar nichts. Wenn wir unsere Kinder also nicht permanent anblaffen wollen, was hilft dann? Wie schaffen wir es, dass sie uns hören (und wir nicht die Nerven verlieren)?

Als Mutter von zwei Kindern, die regelmäßig und gerne gleichzeitig der Frage auf der Spur sind „Wie weit kann ich Mama treiben?“, weiß ich, dass es bessere Wege gibt. Nicht unbedingt immer leichtere, aber definitiv bessere.

Warum Schimpfen nichts bringt

Ich weiß, manchmal fühlt es sich an, als könne man seine Kinder nur erreichen, wenn man laut wird. Schließlich hören sie ja erst zu, wenn der Ton bedrohlich wird. Das Problem: Schimpfen funktioniert kurzfristig, weil es Druck aufbaut.

Kinder spuren, aus Angst vor einer noch größeren Eskalation. Jedoch ist alles, was wir mit der gesteigerten Lautstärke erreichen, eine Demonstration unserer Macht und die wirkt in dem Moment mehr als Argumente.

Langfristig kann häufiges Schimpfen Kindern auch schaden. Werden Kinder regelmäßig angeschrien, werden sie ängstlicher, unsicherer oder wütender, je nach ihrem eigenen Temperament. Sie lernen, Konflikte mit Lautstärke zu lösen oder ziehen sich innerlich zurück. Beides ist keine Basis für ein gutes Miteinander.

Klare Regeln helfen

Gute Erziehung lebt von Klarheit. Dafür braucht es Regeln, die für alle gelten, die man nicht jeden Tag neu verhandeln muss. Klingt einfach, ist aber Arbeit. Die sich jedoch wirklich lohnt.

Denn über feste Regeln muss man nicht diskutieren, und schon gar nicht muss man versuchen, sie brüllend durchzusetzen. Idealerweise sind allen Familienmitgliedern nämlich die Konsequenzen bekannt, wenn man sich nicht an sie hält.

Ein Beispiel:
Ballspielen ist im Haus nicht erlaubt, egal wo. Deshalb landet der Ball einfach und ohne Umschweife draußen im Garten. Dazu muss man nicht einmal was sagen.

Die Kunst liegt darin, die Konsequenzen vorher zu klären und nicht im Affekt zu handeln (und dann willkürlich zu reagieren). Und sie dann durchzuziehen, auch wenn es gerade nicht passt. Das ist anstrengend, ja. Aber besser, als jedes Mal auszuflippen, weil man selbst nicht weiß, was man eigentlich will.

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Zuhören statt Losschimpfen

Kinder kooperieren von Natur aus, weil sie dazugehören wollen. Tun sie das nicht, hat das fast immer einen Grund: Hunger, Müdigkeit, Überforderung, Frust. Werden wir in einer solchen Situation laut, überschreien wir einfach ihre Bedürfnisse. Bleiben wir ruhig, haben wir die Chance, hinter das Verhalten des Kindes zu schauen.

Das heißt natürlich nicht, dass ich alles dulden muss! Aber ich kann versuchen, den Grund für das ‚Fehlverhalten‘ zu sehen. Ein „Ich sehe, du bist wütend, weil du nicht länger fernsehen darfst“ bringt mehr als ein „Wenn du jetzt nicht aufhörst, gibt’s nie wieder Fernsehen!“. Zugegeben: Die Einsicht kommt bei meinen Kindern auch nicht immer sofort. Aber sie merken: Mama sieht mich. Und manchmal reicht das schon.

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Alternativen zum Schimpfen: Was wirklich hilft

Kinder brauchen ein bisschen Zeit, um sich auf einen Wechsel einzustellen. Sei es also das Ende des Fernsehabends, ein Ortswechsel oder auch die Ankündigung, dass das Zimmer bitte gleich aufgeräumt wird, am besten sagt man ihnen fünf Minuten vorher Bescheid. Klingt banal, ist aber Gold wert.

Gerade ältere Kinder mögen es gar nicht, wenn sie sich herumkommandiert fühlen. Deshalb sollte man die Kids, große und kleine, wann immer möglich in Entscheidungen mit einbeziehen. Kinder möchten ernst genommen werden und ihre Interessen vertreten wissen.

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Und als Mama und Papa sollte man wirklich immer, immer, immer versuchen, die Ruhe zu bewahren. Merkt man, dass das nicht mehr geht, hilft es, mit einer kurzen Erklärung den Raum zu verlassen: „Ich muss kurz raus, bevor ich was sage, was ich bereue“. Das ist immer besser, als laut zu werden und zu schimpfen.

Und wenn absolut nichts mehr helfen will, hilft immer noch Humor. Lachen, Blödsinn machen, alles raus tanzen. Nimmt man sich selbst und die Situation nicht so ernst, löst das die angespannte Stimmung. Und das sogar, ohne dass jemand heult, meistens.

Aber ich bin doch keine Maschine!

Ich weiß, das klingt alles so vernünftig. Aber wir sind keine Roboter. Manchmal kracht es trotzdem. Ich werde auch heute noch manchmal laut. Und das ist nicht das Ende einer guten Erziehung, sondern Teil davon. Entscheidend ist nämlich, was danach passiert.

Wenn ich ausflippe, entschuldige ich mich. Kinder lernen mehr aus unserem Umgang mit Fehlern als aus jedem perfekten Verhalten. Wir sind Vorbilder, auch (und gerade!), wenn wir uns nicht perfekt benehmen.

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Das Wissen: Ich werde gesehen, gehört und verstanden

Am Ende geht’s um Bindung. Kinder hören nicht besser zu, weil wir lauter werden. Sie hören besser zu, wenn sie uns vertrauen. Wenn sie spüren: Ich bin sicher, auch wenn ich Mist baue. Ich werde gesehen, gehört und verstanden.

Niemand schafft es, nie zu schimpfen (behaupte ich). Und das ist okay. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Richtung. Um die Haltung dahinter: Respekt, Klarheit, Konsequenz. Und ja, auch Liebe, auch wenn das kitschig klingt.

Also: Tief durchatmen, nicht alles persönlich nehmen und unbedingt Humor bewahren. Und wenn es doch mal laut wird, macht das auch nichts. Dann wird sich entschuldigt und weitergemacht. Kinder können sehr gut verzeihen, sind gnädig mit uns und wachsen an uns. So wie wir an ihnen wachsen.

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