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Tabuthema Brust: 12 Frauen reden Tacheles über Klischees & persönliche Erfahrungen

Tabuthema Brust: 12 Frauen reden Tacheles über Klischees & persönliche Erfahrungen
Tabuthema Brust: 12 Frauen reden Tacheles über Klischees & persönliche Erfahrungen Credit: Emilia Schmidt / TABUSen

Eingeschnürt, hochgepusht, zensiert und sexualisiert: Die weibliche Brust ist auch heute noch ein Thema, das mit Klischees und Tabus belegt ist. Für viele Frauen sind deshalb Trends wie No Bra ein Schritt zur Gleichstellung der Frau in unserer Gesellschaft. 12 spannende Frauen und ihre offene Meinung zum Thema Brust.

Inhaltsverzeichnis

Unsere Gastautorin Emilia Schmidt (23) ist Kommunikationsdesignerin und hat im Rahmen ihrer Abschlussarbeit das Magazin „TABUSen – Gesellschaftliche Unantastbarkeiten“ kreiert. Hier findet ihr mehr Infos zu unserer Gastautorin.

Emilia Schmidt (23): „Ein Teil in mir ist sauer, ein anderer Teil ist verwundert“

Credit: Emilia Schmidt / TABUSen

„Ein Teil in mir ist sauer, ein anderer Teil ist verwundert, und der Rest von mir schreit nach Freiheit und Gleichberechtigung. Selbst war ich schon in vielen Situationen, in denen ich auf meine Brüste reduziert wurde oder unangebrachte Kommentare zu hören bekam.

Unangenehme Blicke richten sich auf meine Brüste, wenn ich ohne BH unterwegs bin und es gibt ablehnende Äußerungen, wenn ich im Sommer oben ohne Baden gehe. Mir wird vorgehalten, ich könne das nicht machen, da ich einen Freund habe und hier noch andere Männer sind. Oder auch von Frauen, die sagen, dass ich mich nicht so freizügig zeigen solle, da dies „sexualisierend“ wirkt und ich doch aufpassen sollte.

Im Video: No bra-Trend: Darum verabschieden sich immer mehr Frauen vom BH

Tabuthema Brust: 12 Frauen reden Tacheles über Klischees & persönliche Erfahrungen

Auf der anderen Seite wurde mir mal der Respekt für meinen selbstbewussten Umgang mit der Freizügigkeit zugesprochen. Ich wurde bestärkt, dass ich so im Reinen mit mir und meinem Körper bin. Aber wieso muss mir dafür Respekt ausgesprochen werden? Wieso ist es nichts Normales? Wieso soll ich mich anpassen? Wieso soll ich mich unterdrücken lassen? Wieso soll ich das tragen, was dem Ideal entspricht und die Gesellschaft erträgt? Wieso müssen wir Frauen das veraltete Tabuthema weiter führen?

Es wird immer mehr zum Anliegen vieler Frauen, ihre Brust nicht weiter zu verstecken, sondern frei, selbstbestimmt und mit Stolz zu tragen. Frauen erkennen zunehmend, dass die Tabuisierung der Brust eine Einschränkung ihrer Persönlichkeit darstellt und dass sie häufig unbewusst darunter leiden.

Die Überwindung der Tabuisierung der Brust ist somit auch ein Schritt zur Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft. Dazu will TABUSen einen Beitrag leisten. Ich habe recherchiert und mit vielen Menschen geredet. Dabei habe ich Dinge erfahren, die vielfach unbemerkt sind. Zwölf Frauen haben mir ihre Geschichten erzählt und von ihren Wünschen und Zwängen berichtet.“

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Theresa, 25: „Ich hatte immer ein Bild von der perfekten Brust im Kopf.“

Würdest du sagen, dass dich die Medien und die Gesellschaft bezüglich deiner Brüste beeinflusst haben? Weil sie ein Idealbild vorgeben?
Ich hatte immer ein Bild von der perfekten Brust im Kopf. All die Mädels, die schon viel früher große Brüste hatten als ich – da hab ich für mein Gefühl immer perfekte Brüste gesehen. Dadurch habe ich mich sehr eingeschränkt. Erst seit ich Hebamme geworden bin und jeden Tag viele verschiedene Brüste sehe, habe ich gemerkt, dass es total viele Brüste gibt wie meine. Es gibt nicht die perfekte Schönheitsbrust, sondern alle Brüste sind schön. Dadurch habe ich mich dann auch mit meiner Brust beschäftigt und die Scham verloren. Jetzt finde ich meine Brüste schön und ich bin okay damit.

Also findest du es schlecht, wie in der Gesellschaft damit umgegangen wird, also dass keine Diversität gezeigt wird und dass mehr Aufklärung gemacht werden sollte?
Ja, voll, da wird einem auf jeden Fall ein falsches Bild vermittelt. Wo sieht man denn schon Brüste?
Ich sehe jetzt viele, wegen meines Jobs. Aber sonst sieht man nur perfekte Brüste in der Werbung oder in Pornos. Sonst hat man gar kein Bild davon, wie verschieden und unterschiedlich Brüste sind.

Wenn du gesellschaftlich in Bezug auf Brüste etwas ändern könntest, was wäre es? Gibt es etwas, was dich stört?
Ja, es wäre schon schön, wenn das alles normal und ohne Scham ist. Aber ich glaube, das dauert erst mal noch. Der Prozess dahin, dass es nicht mehr beachtet wird, braucht Zeit. Man muss erst mal extrem damit umgehen und extrem zeigen und auch politisch extrem dafür kämpfen. Wie es bei vielen feministischen Themen ist, muss man erst mal ins Extreme gehen, um gehört zu werden. Dann kann es sich irgendwann normalisieren. Hoffe ich.

Würdest du dich oberkörperfrei in der Öffentlichkeit zeigen?
Mittlerweile schon, aber noch nicht so lange.

Wenn du bezüglich dieses Themas noch etwas in die Außenwelt tragen möchtest, was wäre es?
Ich wünsche mir, dass es nicht mehr so sexualisiert wird und die tolle weibliche Funktion der Brust mehr wertgeschätzt wird. Z. B. dass Frauen sich nicht mehr dafür schämen, in der Öffentlichkeit zu stillen, weil sie Angst haben, dass es sexuell gesehen wird. Es soll einfach ganz normal sein. Wenn man es oft zeigt, dann sind die Leute vielleicht nicht mehr so beschämt. Ich wünsche es mir aber auch für Frauen, die nicht stillen, für alle Frauen. […]

Paula, 28: „Auf jeden Fall werde ich beeinflusst.“

Hast du in Bezug auf deine Busen in der Gesellschaft schon positive oder negative Erlebnisse gehabt?
Was ich für Kommentare gehört habe, war im Zwischenmenschlichen. Als ich Nele bekommen habe, haben sich meine Brüste komplett verändert. Ich habe auf der ganzen Brust verteilt Schwangerschaftsstreifen bekommen. Da hat der Vater von Nele sehr abwertend darüber geredet. Von wegen: „Geil ist es nicht, aber geht schon“. Ein anderer Kerl hat gesagt, dass er ja nie was mit mir haben wollen würde, weil ich Saggy Tits habe.

Wurdest du durch diese Situationen danach in deinem Handeln beeinflusst?
Als das mit dem Papa von Nele war: Auf jeden Fall, weil ich mit der Veränderung meines Körpers selber so zu hadern hatte. Ich habe auch am Bauch überall Schwangerschaftsstreifen bekommen, der komplette Körper hat sich verändert, meine Nippel sind viel größer geworden. Dann noch so einen Kommentar zu hören, das hat auf jeden Fall was mit mir gemacht.

Als der Kommentar von dem anderen kam, habe ich das zum Enpowern genommen, für mich selber. Ich dachte mir: Ja, und? Ich habe sie! Das sind meine Brüste und so schauen sie aus! Ich habe mich auch noch mehr mit dem Thema auseinandergesetzt, wie Brüste in der Gesellschaft angesehen werden. […]

Bist du inzwischen im Reinem mit dir, was deine Brüste angeht oder beeinflussen dich noch Medien oder die Gesellschaft in deinem Tun und Denken?
Ja, auf jeden Fall werde ich noch beeinflusst, dadurch, dass man in den Medien nur „schöne“ Brüste sieht. Du fühlst dich schlecht, weil deine Brüste nicht so aussehen. Aber wenn man sich dann mal umschaut und viele Frauenbrüste sieht und man merkt, wie unterschiedlich eigentlich alle sind, ist das ganz anderes. Aber die Medien beeinflussen auf jeden Fall, weil du nicht dem Ideal entsprichst, aber man wird danach bewertet.

Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht, es ist irgendwie eine Hassliebe zwischen mir und meinen Brüsten. Aber es wird besser, weil ich mich eben damit auseinandersetze. Ich wünsche mir, dass mehr Frauen sich intensiver mit ihrem Körper auseinandersetzen. Pornografie ist auch so ein Thema, man sieht Brüste, die entsprechen einfach nicht der Realität. Ich habe auch selber mal überlegt, nach der Schwangerschaft meine Brüste machen zu lassen.

Bist du froh, dass du es nicht gemacht hast, und was hat dich daran gehindert?
Ja, ich bin froh und ich hab es nicht gemacht, da noch viele Risiken beim Stillen entstehen können und ich noch nicht ausschließen kann, ein zweites Kind zu bekommen. Zwischendurch denke ich schon noch darüber nach, ob ich es mache, aber das verschwindet auch wieder schnell. Ich bin einfach noch in diesem Körperliebe-Prozess und ich arbeite kontinuierlich an dieser Selbstliebe zu mir. Ich lerne einfach gerade, alles an meinem Körper so zu lieben, wie es ist.

Wenn du gesellschaftlich in Bezug auf Brüste etwas ändern könntest, was wäre es? Gibt es etwas, was dich stört?
Ich finde, es sollte schon in jungen Jahren beiden Geschlechtern gezeigt werden, dass es vielfältige Brüste gibt. Jede Brust sieht anders aus. Auch, dass die Brust nicht mehr so sexualisiert wird. Dass, was die Brüste betrifft, ein bisschen mehr Offenheit herrscht. Man sieht es auf Instagram, Frauenbrüste werden sofort zensiert, Männer aber nicht. Dadurch wird die Frauenbrust total sexualisiert. […]

Emily, 20: „Ich finde, Brüste sind ein Zeichen von weiblicher Stärke und kein Symbol für Sex.“

„Ich möchte nicht dumm angeschaut werden, wenn ich keinen BH trage. Und ich möchte auch nicht, dass BH-Tragen was wesentlich Normaleres ist, als keinen BH zu tragen. Das ist etwas, dass man als sehr Sexuelles sieht, obwohl ein BH etwas Einengendes ist und uns auch ein Teil von Selbstbestimmung und Freiheit nimmt. Deswegen verstehe ich es nicht, dass dies eine Verpflichtung für uns Frauen sein soll.“

Anonym: „Eine Übersprungshandlung, jetzt würde ich es nie wieder machen.“

Hast du in Bezug auf deine Busen in der Gesellschaft schon positive oder negative Erlebnisse gehabt?
Ich hatte in der siebten, achten Klasse starkes Untergewicht und war dementsprechend ein bisschen später in der Entwicklung dran als die Mädchen um mich herum. Deswegen hatte ich sehr wenig Brust im Gegensatz zu meinen Mitschülerinnen. In diesem Alter kennen Jungs irgendwie nichts, und ich wurde sehr viel damit aufgezogen, dass ich keine bzw. wenig Brüste hatte. Ich habe alles versucht: Ich hab meine Brüste mit Socken ausgestopft, mit Klopapier, mit weiß ich nicht was allem.

Dann gab es einen Jungen, der in mich verknallt war, der mich auch diesbezüglich gemobbt hat. In einer Übersprunghandlung, jetzt würde ich es nie wieder machen, habe ich mir mit einem Zirkel oder Bleistift „Fuck“ auf meine Brüste geschrieben. Es sollte auch nicht wehtun, aber ich habe immer noch eine leichte Narbe auf meiner linken Brust. Ich würde so etwas nie wieder machen, aber in der achten Klasse hat man nicht das Selbstbewusstsein, was man vielleicht jetzt hat.

Wenn du gesellschaftlich in Bezug auf Brüste etwas ändern könntest, was wäre es? Gibt es etwas, was dich stört?
Ich hasse es so dermaßen, dass es direkt sexualisiert wird, wenn ich Ausschnitt trage. Direkt heißt es „Oh heute willst du aber etwas erreichen“. Als ob ich meine Brüste zeigen würde, um gratis Drinks oder eine Handynummer zu bekommen. Als ob du zeigen würdest, was du hast, um irgendetwas zu kriegen. Ich finde es schlimm, dass mir dann immer vorgeworfen wird, ich mache das mit einem Ziel, um irgendetwas zu bekommen. Das führt dazu, dass ich es nicht mehr mache.

Und was ich auch nicht mag: Ich finde es super, dass Frauen inzwischen keinen BH mehr tragen müssen, also Tops anziehen können ohne BHs. Ich finde es aber sehr unangenehm, wenn mir dann dort drauf geschaut wird. Ich merke selber, wenn ich keinen BH unter einem Top anhabe, versuche ich das zu verdecken, aus Angst vor komischen Blicken oder komischen Kommentaren.

Würdest du dich oberkörperfrei in der Öffentlichkeit zeigen?
Niemals.

Wieso?
Weil es mir einfach unangenehm wäre. Auch wenn ich mit jemanden intim werde, den ich noch nicht gut kenne, bin ich da anfangs sehr schüchtern und zurückhaltend.

Ist das auch der Grund, wieso du beim Fotoshooting nicht dein Gesicht zeigen wolltest?
Es ist vielleicht ein sehr veraltetes Bild, aber ich denke immer, wenn Leute ein Bild von mir sehen, mit meinem Gesicht und meiner nackten Brust, dass es instant zur Wichsvorlage wird. Ich war drei Jahre in einer Beziehung und auch ihm habe ich nie ein Bild von meinen Brüsten gezeigt. Ich finde, das ist zu sexuell. Das wäre mir einfach unangenehm, auch wenn es Leute sind, die ich kenne und die sich dann daran aufgeilen. Das ist für mich kein schöner Gedanke.

Wenn du bezüglich dieses Themas noch etwas in die Außenwelt tragen möchtest, was wäre es?
Liebe Männer, guckt den Frauen nicht so oft auf die Titten, ich finde das, ehrlich gesagt, etwas anstrengend. Ich gucke ja auch nicht auf deinen Schwanz, Bro und sag „Da ist ja nicht so viel in der Hose drinnen“.

Credit: Emilia Schmidt / TABUSen

Valentina , 23: „Ich bin eine stolze Frau!“

Gab es beim Stillen in der Öffentlichkeit Reaktionen oder Blicke von Außenstehenden?
Ja, ja! Blicke vor allem auch schon innerfamiliär. Mein Vater oder der Bruder meines Freundes, die haben dann schon mal geschluckt. Vor allem: Ich ging damit auch immer recht freizügig um. Ich habe immer überall gestillt, wann ich wollte und habe das dann auch nicht bedeckt. Viele haben gesagt, dass sie es krass finden und sich selber dafür schämen würden. Andere fanden es auch cool, dass ich mich getraut habe, meine Brüste überall auszupacken. Für mich war das eine Selbstverständlichkeit. Aber ich denke, für viele ist das noch nicht so.

Wie würdest du die Reaktionen einschätzen? Waren sie schockiert, eine Brust zu sehen oder wegen des sexualisierenden Faktors?
Ich bin halt sehr freizügig damit umgegangen, und man sieht ja jetzt nicht alle Tage eine nackte Brust auf der Parkbank in unserer Gesellschaft. Das finde ich irgendwie so witzig, weil einerseits sind die Menschen total übersexualisiert, es gibt so viel Pornografie. Aber wenn es dann um Mutter-Kind geht, wird es total tabuisiert.

Wenn du gesellschaftlich in Bezug auf Brüste etwas ändern könntest, was wäre es? Gibt es etwas, was dich stört?
Ja. Viele Frauen bedecken sich die Brüste beim Stillen, was ich auch nachvollziehen kann, wenn sie sich unwohl fühlen. Aber dass man vor allem von den älteren Generationen gesagt bekommt, dass man sich bedecken soll! Da wünsche ich mir, dass es bei der Entscheidung der Mutter bleibt und man anerkennt, dass es etwas Schönes ist und nährend für das Kind. Stillen ist ein Thema, das mehr unterstützt werden sollte.

Siehst du deine Busen als normales Körperteil an oder vermittelt dir die Gesellschaft etwas anderes?
Ich glaube, dass es bei jeder Frau anders ist, manche fühlen sich gar nicht wohl und sehen sie als Fremdkörper an. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich jede Frau viel mehr mit ihrem Körper beschäftigt, sich anfasst und alles erforscht. Den Busen integrieren und zu lieben. Dann in die Akzeptanz zu kommen, dass man so aussieht, wie man aussieht. Das ist für mich wichtiger, weil es fängt bei jedem Einzelnen an.

Würdest du dich oberkörperfrei in der Öffentlichkeit zeigen?
Mache ich schon ab und an, aber natürlich fühle ich mich schon unwohl. Vor allem, wenn meine Mam dann sagt, dass ich mir was anziehen soll. Ich werde dann schon von der Gesellschaft oder Familie beeinflusst, obwohl ich es an sich machen würde. Es wäre cool, wenn das normalisiert würde.

Hat sich dieses Verhalten bei dir durch das Stillen verändert?
Ja, dadurch, dass ich ein Kind bekommen habe und meinen Körper maximal kennengelernt habe. Er sich verändert hat, und ich habe gelernt, dass es etwas sehr Magisches ist. […] Ich habe mehr Respekt davor, was mein Körper so erschaffen kann, und ich bin dankbar dafür.

Auch, dass ich nicht mehr so hart zu mir selber bin. Früher habe ich immer sehr nach Idealen gestrebt und wollte den und den Körper haben, vielleicht auch wegen Bestätigung von außen. Man bekommt vor allem durch soziale Medien immer alle Ideale mit, wie eine Frau aussehen sollte. Durch mein Kind habe ich mehr Selbstwert in Bezug auf meinen Körper bekommen.

Du hast mehr über deinen Körper erfahren, weil du ein Kind bekommen hast und dich dadurch mehr lieben gelernt. Würdest du sagen, dass das davor nicht stattgefunden hat, weil du nicht aufgeklärt wurdest und allgemein zu wenig über solche Themen aufgeklärt wird?
Ja, definitiv […]. Aber ich glaube, vieles geht über Ausstrahlung. Wenn du zufrieden mit deinem Körper und deinem Aussehen bist, dann strahlst du auch was ganz anderes aus, als wenn du nicht zufrieden bist. […]

Wenn du bezüglich dieses Themas noch etwas in die Außenwelt tragen möchtest, was wäre es?
Wir Frauen sind so wahnsinnig schöne Geschöpfe, mit soviel Kraft, Schönheit und Intelligenz, was den eigenen Körper anbelangt. Wir sind wahre Wunderwerke, wir können ein Lebewesen in unserem Bauch heranziehen. Wir sollten stolz sein, eine Frau zu sein und auf unseren Körper, der so viel leisten kann. […]

Ein Zeichen für Freiheit. Selbstbestimmung.

Sylvia, 61: „60 Jahre Erfahrung, gute und schlechte.“

„Ich habe das Gefühl, dass sich dieses Thema mit der freizügigen Brust wiederholt. Ihr macht genau das Gleiche durch, wie wir damals. Wie in meiner Jugend. Wir haben uns damals davon befreit und dagegen aufgelehnt. Wir wollten uns nicht einschränken, sondern immer so rumlaufen, wie wir wollten.

Ich finde es erstaunlich, dass ihr das jetzt wieder machen müsst. Euch wieder auflehnen müsst. Uns war es früher wichtig, am Strand oben ohne zu liegen. Obwohl das zum Teil auch nicht ganz normal war. Unsere Eltern waren ja so verklemmt und steif, da haben wir uns gegen gewehrt. Ein Zeichen für Freiheit. Selbstbestimmung.

Zum Thema Sexualisierung. Wo fängt sie an? Ein Beispiel: Als ich noch ganz jung war, 12 oder 13 Jahre, da bin ich an einer Baustelle vorbeigelaufen und dort haben mir alle nachgepfiffen und einer hat mir dann an die Brust gefasst. Ich fand das total schlimm, unangenehm, es ging zu weit und es hat mich völlig verunsichert. Auch damals, als ich im Zeltlager war. Der Typ, der das geleitet hat, hat uns Frauen gefragt, wer einen Bleistift unter seiner Brust festklemmen kann und wer nicht. So hat er uns dann in die Gruppen eingeteilt. Das ging gar nicht.

Diese beiden Situationen haben mich sprachlos gemacht und damals völlig überfordert, ich konnte nur beschämt das Weite suchen. Einige Jahre später hätte ich lautstark meine Meinung dazu geäußert, doch damals fehlten mir die Worte. Begriffe wie „sexistisches Verhalten“ gab es noch nicht. In meiner Erinnerung gab es oft Bemerkungen über Busen oder Hintern. Mal hat man sich schlecht, mal auch gut damit gefühlt.

Die Grenze zwischen Kompliment und Übergriff war nicht leicht zu finden. Muss ich mich dafür heute schlecht fühlen? Wo ist die Grenze heute? Wenn jemand zu dir sagt: Du hast schöne große Augen! Ist das ein Kompliment. Wenn jemand sagt: Du hast schöne große Busen! Ist das sexistisch!? Wenn jemand hinter dir her pfeift: Ist dies Anerkennung oder ist es übergriffig?

Ich habe meinen Busen immer gemocht, ein Körperteil von mir, den ich schön fand. Aber es gab auch immer das schlechte Gewissen: Darf ich das und wie viel darf ich davon zeigen? Das meinte ich mit 60 Jahren Erfahrung, weil viele Situationen Gutes und Schlechtes hervorgerufen haben.“

Credit: Emilia Schmidt / TABUSen

Jolina, 22: „Ich hab einfach was dagegen, dem anderen Geschlecht etwas zu verbieten.“

„Ich hätte da zwei Wünsche. Einer geht eher an die Männer, wobei auch schon an die Frauen. Es ist das Normalste von der Welt, Brüste hat fast jeder zweite Mensch auf der Erde. Chillt einfach mal, wenn ihr Brüste seht! Und an die Frauen: Seid ein bisschen radikaler, geht oben ohne und das kann ein bisschen anstrengend sein, aber je mehr es machen, desto normaler wird es. Einfach eine bisschen Radikaler-oben-ohne-Veränderung.

Es ist eine beidseitige Veränderung von Männern und Frauen. Ich glaube, es würde sich auch gut auf unser sexuelles Leben auswirken. Das hat auch damit was zu tun. Wenn das alles einfach bisschen cooler wird, sind wir auch im Privaten bisschen freier und man kann sich mehr gegenüber seines Partners, seiner Partnerin fallen lassen.“

Projekt TABUSen
Projekt TABUSen Credit: TABUSen

Hannah, 25: „Ganz klar, dass Brüste für mich zu etwas gemacht werden, was sie nicht sind.“

„Es ist leider noch ein Schritt, aber wenn wir den Schritt nicht gehen und den Mut nicht aufbringen, wie soll es sich dann verändern, wenn wir nicht anfangen? Im Endeffekt sich einfach mal trauen und es ausprobieren und merken wie schön es vielleicht ist. Das braucht seine Zeit, aber auf die lange Sicht ist es unfassbar befreiend.“

Claudia, 56: „Liebe Frauen, hängt euren Busen wieder raus.“

Hast du in Bezug auf deine Busen in der Gesellschaft schon positive oder negative Erlebnisse gehabt?
Also in meiner Jugend war oben ohne ja das Normalste der Welt, aber in meinem letzten Urlaub in der Karibik, da haben sie mich gleich halb vom Strand weggezogen. Das macht ja keiner da. Aber jetzt hat sich das auch verändert, jetzt hab ich auch keine Lust mehr, oben ohne rumzuliegen, vielleicht mal ganz alleine. […]

Wenn du gesellschaftlich in Bezug auf Brüste etwas ändern könntest, was wäre es? Gibt es etwas, was dich stört?
Grundsätzlich finde ich es total schön, eine Frau zu sehen, die stillt, aber ich sehe, wie sich die Frauen schämen, sich abseits hinsetzten und alles verdecken. Da würde ich mir schon wünschen, dass sich das ändert. Weil das ist das Leben, Muttermilch geben und Stillen. […] Wenn alle mitmachen würden und ihren Busen zeigen würden, ihr Kind in der Öffentlichkeit stillen und sagen, das ist das Natürlichste auf der Welt, wird wahrscheinlich keiner mehr was dagegen haben.

Siehst du deine Busen als normales Körperteil an oder vermittelt dir die Gesellschaft etwas anderes?
Ja, das hat schon was mit Sexualität zu tun. Ich mag meinen Busen, also meine beiden. Zum Beispiel gestern beim Joggen, da hat man ja meistens enge Klamotten an und irgendwie hat’s mich dann gefroren und dann stehen die ja ein bisschen weg. Dann kommt mir ein Mann entgegen, und ich hab gemerkt, wie ich dann komische Bewegungen mache und versuche, meine Brüste zu verdecken, weil der so blöd geschaut hat. […]

Es ist, glaube ich egal, aber von Männerseite, die schauen dir immer auf den Busen. Ich kann nicht sagen, ob mich das stört, ich habe schon immer weite Sachen an, da bin ich in Sicherheit und bekomme keine Blicke. Aber das hat jetzt nicht unbedingt was mit meinen Busen zu tun, wenn Männer mich darauf beschränken, dann ist mir das inzwischen total egal. Ich will einfach allgemein nicht angeschaut werden. […]

Wenn du bezüglich dieses Themas noch etwas in die Außenwelt tragen möchtest, was wäre es?
Liebe Frauen, hängt euren Busen wieder raus. Die Leute können mich alle einfach mal, ich mach mein Ding und das sollte jeder tun. […] Ich wünsche mir, dass jeder sein Ding macht, in Form von hinterfragen, das haben wir eigentlich alles gelernt, das ist ein Instinkt, den haben wir in uns, aber das wird uns abtrainiert. […]

Credit: Emilia Schmidt / TABUSen

Kim, 21: „Leben und leben lassen.“

„Leben und Leben lassen. Alle Aspekte inbegriffen. Wie die Person aussieht, wie sie sich präsentieren möchte und was sie tragen möchte. Die Person weiß, was sie tut und sie möchte so sein. Dann lass die Person doch so ihr Leben leben und verbiegt sie nicht […].“

Alice, 23: „Scham ist das Gegenteil von Leben.“

„Was mich einfach nervt, ist, dass ich mich nicht frei fühle. Nicht, weil ich mich ohne BH oder oben ohne nicht wohlfühle, sondern weil ich Angst habe, dass sich andere nicht damit wohlfühlen. Ich habe das Gefühl, dass ich andere Leute in eine unangenehme Situation bringe. Im Endeffekt begrenze ich mich damit selber, obwohl es für mich kein Problem ist, dass jeder meine Brüste sieht. […] Auch wenn ich mir ein weißes Shirt kaufe, frage ich mich, ob man zu viel durchsehen kann und denke mir: Wie viel kann die Gesellschaft ertragen?“

Anmerkung: Um die interviewten Frauen zu schützen, haben wir uns entschlossen, sie ohne Gesicht abzubilden. Im Magazin selbst zeigen die Frauen Gesicht.