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Weibliche Sexualität: Überraschende Ergebnisse unserer Umfrage

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Weibliche Sexualität: Die Klischees müssen endlich verschwinden!

Trotz aller Gleichberechtigung und Aufgeklärtheit gibt es rund um das Thema weibliche Sexualität immer noch arg verstaubte Vorstellungen und Klischees. Wir wollten mehr darüber erfahren, wie es Frauen heute geht und haben deshalb eine Umfrage unter unseren User*innen gestartet. Hier die zum Teil überraschenden Ergebnisse.

Inhaltsverzeichnis

Erstmal vielen Dank für eure Offenheit und die zahlreichen Teilnahmen. Es haben 1.339 User*innen an unserer Umfrage teilgenommen. Natürlich wollen wir euch die Ergebnisse nicht vorenthalten und haben die wichtigsten Fakten für euch zusammengestellt.

Unzureichend bis wenig hilfreich: Die eigene Aufklärung

Geht man gemeinhin davon aus, dass die eigenen Eltern uns als Kind aufklären, so zeigt die Umfrage ein anderes Bild (es waren allerdings Mehrfachnennungen möglich). Die Aufklärung fand vor allem in der Schule statt (46 %), aber auch durch Medien, wie Filme, Magazine, Internet etc., haben sich viele Antworten auf ihre Fragen (45 %) geholt. Die Eltern liegen mit 37 % auf Platz drei, wenn es um die eigene Aufklärung ging. Jede Vierte wurde durch Freunde aufgeklärt, 12 % sagten, sie seien als Kind gar nicht aufgeklärt worden.

Empfandet ihr eure Aufklärung als Kind als ausreichend und hilfreich bei eurer sexuellen Entwicklung?

  • 60 % der Befragten fanden ihre eigene Aufklärung als Kind nicht ausreichend und hilfreich.
  • 35 % sagten: Mir wurde nie ein selbstbewusstes Körpergefühl vermittelt. Alles Körperliche war immer etwas schambehaftet.
  • Knapp 28 % sagten: Mir wurde nie vermittelt, dass Sexualität, also auch Masturbation, etwas Tolles ist.

Diese Antworten zeigen recht deutlich, dass neben pädagogisch geschulten Menschen in der Schule auch frei zugängliche Quellen, wie Internet, Filme, Magazine etc. unser Bild von Sexualität prägen. So sehr sich also Eltern Mühe geben, ihren Kindern ein guter Ansprechpartner zu sein, so sind eben auch die Medien, also zum Beispiel der Zugang zum Internet, ein wichtiger Faktor in Sachen Aufklärung. Hier darauf zu schauen, was sich das eigene Kind anschaut, ist also enorm wichtig. Denn hier wird zwar auch viel Richtiges gesagt und geschrieben, aber es gibt eben auch z. B. viele unseriöse bis gefährliche Seiten im Netz.

Auch was Filme angeht, wird dort oft eine einseitige Sexualität gezeigt. Meist heteronormativ, meist geht es um Penetration und Orgasmus, meist ist die Frau passiv. Ein wirklich differenziertes Bild von Sexualität in all seinen Facetten und eine realistische Darstellung von weiblicher Sexualität wird hier nur selten gezeigt.

Was würdest du in Bezug auf Aufklärung bei deinen Kindern anders machen?

Wie aber kann man dann dafür sorgen, dass es den eigenen Kindern besser geht? Dass sie auf ihre Fragen Antworten erhalten, die ihnen zu einem guten Körpergefühl und einer entspannten Sexualität verhelfen? Auf diese Frage haben wir viele inspirierende Antworten erhalten. Der große Tenor bei allen Anmerkungen hierzu war jedoch: Ich zeige meinem Kind, dass ich immer da bin, um Fragen zu beantworten und ich möchte ihm auf seinem Weg zu einem selbstbewussten Umgang mit seinem Körper und einer entspannten Sexualität helfen.

Ein wichtiges Thema bei der Aufklärung ihrer Kinder war es den Teilnehmer*innen zu erklären, dass Sexualität keine Norm hat und es somit mehr gibt, als nur Heteronormativität, also den Sex zwischen Mann und Frau. Sie wollen ihren Kindern von klein auf zeigen: Liebe und Sexualität ist bunt und divers. Und egal, wofür du dich entscheidest: Es ist gut so, solange es für dich richtig ist.

Ich würde meinen Kindern erklären, dass ihr Wille und ihre Wünsche zählen. Dass es okay ist, Nein zu sagen. Ich würde versuchen, ihnen ein Selbstwertgefühl beizubringen, sodass sie sich frei und schön fühlen können.

Vielen Eltern war es jedoch auch sehr wichtig, ihren Kindern beizubringen, dass der Körper und sein Aussehen keinem Ideal folgen muss. Dass der Körper sich entwickelt und auch altert, aber deshalb nicht weniger schön ist. Dass Jungfräulichkeit kein „Gut“ ist, das man verliert oder womöglich an den Falschen verschenkt.

Wünsche für die neue Generation: ein paar schöne und wichtige Statements der User*innen

Auf die Frage: Was würdet ihr bei der Aufklärung eurer Kinder anders machen, haben die Teilnehmer*innen der Umfrage unter anderem diese Antworten gegeben:

„Ich würde noch mehr Wert darauf legen, dass sie wissen, dass es verschiedene sexuelle Ausrichtungen, Gender und Beziehungsformen gibt. Ich würde auch mehr darüber sprechen, dass man verschiedene Praktiken ausleben kann, aber nur immer, solange alle beteiligten Personen dazu einwilligen.“

Ich würde meinen Kindern vermitteln, dass Sex komplett ohne Zwang stattfinden soll und Sexualität komplett individuell ist.

„Ich würde von Anfang an klarstellen, dass das Thema keines ist, wofür man sich schämen muss und vor allem die gesellschaftlichen Stereotypen bezüglich Jungfräulichkeit, „Ausleihern“, dass Sex ab einem bestimmten Alter getan werden sollte und dergleichen direkt als völlig aussagekraftlos entlarven wollen. Außerdem finde ich es wichtig, dass auf das Thema Consent und die Selbstbestimmung viel mehr Wichtigkeit gelegt wird.“

„Ich würde sie vor allem in Dingen wie Masturbation viel mehr aufklären, denn ich dachte, ich mache etwas an mir kaputt als ich damit anfing. Ich möchte nicht, dass es meinen Kindern auch so geht.“

Sex nicht zum Tabu-Thema erklären und meinen Töchtern nicht vermitteln, dass Jungfräulichkeit ein hohes Gut ist.

„Ich würde früh vermitteln, dass ihr Körper IHR Körper ist und dass er schön und gut ist, so wie er ist, und dass auch seine Gefühle und Regungen gut und berechtigt sind. (…) Als wirklich wichtigen moralischen Grundsatz in Zusammenhang mit Sexualität (aber auch vielen anderen Bereichen des Lebens) würde ich ihnen informierten Konsens vermitteln.“

-> Auch lesen: Warum Mädchen ihre Sexualität nicht positiv erleben – über Scham & Selbstlosigkeit

Umfrage: Weibliche Sexualität und Aufklärung
Paar nackt Credit: Getty Images

Weibliche Sexualität: Die unselige Kombi aus Unkenntnis und Scham

Die Klitoris war in Schulbüchern bis dato nicht vollständig abgebildet, nämlich meist nur als kleine, erbsengroße Knospe. Unglaublich, dass das erst jetzt in Schulbüchern korrigiert wurde. Im Jahr 2022. Nun wurden Darstellungen in Büchern der Verlage Klett, Westermann und Cornelsen endlich erneuert. Kein Wunder, dass viele von uns noch mit den veralteten Darstellungen ausgewachsen sind. Wenn man sich umhört, ist vielen der Unterschied zwischen Vulva und Vagina gar nicht so klar. Wie auch, bei der unzureichenden Darstellung?

So sagten auf die Frage „Kannst du den Unterschied zwischen Scheide, Vulva und Vagina erklären?“ ganze 41 Prozent: Nein. Nicht wirklich.

Auch die Darstellungen von Masturbation war in Schulbüchern bislang kein Thema. In den 80er Jahren stand da etwas von „es fühlt sich kurz gut an und danach macht sich ein Gefühl von Scham breit.“ Mehr wurde dazu nicht geschrieben.

Und auch die Periode wird nicht gerade als Quelle von Fruchtbarkeit und Leben schenken gefeiert. Und all das, zeigt sich auch recht deutlich in den Antworten unserer Umfrage. Hier ein paar wichtige Erkenntnisse:

Um den männlichen Penis wird immer viel Bohei gemacht. Bist du als Frau ähnlich stolz auf deine äußeren Geschlechtsmerkmale?

  • 47 % sagten: Nein. Vulva und Vagina sind jetzt nichts, worauf ich explizit stolz bin.
  • Nur jede vierte Frau ist stolz auf Vulva und Vagina. (26 %)
  • 26 % sagen: Ich habe eher einen Bezug zu meinen Brüsten. Nicht zu Vulva und Vagina.

Wie empfandest du es, als du deine Periode das erste Mal bekommen hast?

  • 13 %: Ich fand es toll
  • 37 %: Ich fand es schlimm / peinlich.

Gravierende Auswirkungen auf die weibliche Sexualität

Natürlich hat die Aufklärung und auch der Umgang mit weiblicher Sexualität in der Gesellschaft Auswirkungen darauf, wie wir Sexualität wahrnehmen und ausleben. Allein schon, dass viele Frauen und Männer denken, dass Sex gleich Penetration ist. Dass ein Vorspiel nur ein Warm-up für die Frau zum Entspannen ist. Dass Sex nur dann gut ist, wenn beide einen Orgasmus haben. Und sich dann wundern, dass Frauen nicht zum Orgasmus kommen, bei all dem Unwissen und Druck.

Auch tun die Medien und Pornofilme, aber auch die Darstellung in ganz normalen Filmen ihr Übriges. Auch hier geht es gelinde gesagt nur um Heteronormativität und um Rein / Raus. Alles andere findet kaum statt und somit macht sich der Irrglaube breit, Sex sei Penetration, mit einem Orgasmus am Ende und fertig. Schade, weil da entgeht uns enorm viel.

Hier ein paar interessante Ergebnisse dazu aus unserer Umfrage, die diese These stärken:

Das sind frustrierende Zahlen, denn das bedeutet, dass 45 % aller Frauen nie oder nur manchmal zum Orgasmus kommen. Aber immerhin sagt die knappe Mehrzahl der Frauen (55 %), dass sie oft bis immer kommt. Dennoch ist hier noch Luft nach oben. Und zwar auch, wenn man davon ausgeht, dass es beim Sex nicht nur um den finalen Höhepunkt geht. Letztlich zeugt ein fehlender Orgasmus doch auch davon, dass Erregung und Stimulation eben nicht optimal sind.

So sagte auch die große Mehrzeit der Teilnehmer*innen (78 %), dass Sex dann gut und erfüllend ist, wenn beide Lust und Erregung spüren, was nicht heißt, dass beide einen Orgasmus haben müssen. Nur 16 % sagen, dass Sex nur dann gut ist, wenn beide zum Orgasmus kommen.

-> Auch lesen: Selbstbefriedigung: Warum Frauen es viel öfter tun sollten

Viele Frauen setzen sich unter Druck

Traurig aber wahr: Viele Frauen haben wenig Selbstbewusstsein, wenn es um Sex und Körperlichkeit geht. Fast jede zweite (48 %) sagte, dass sie sich nur dann beim Sex wohlfühle, wenn sie ihrem Sexpartner bzw. Partnerin vertraue. Knapp 22 % sagen sogar, dass sie sich oft unwohl und unsicher beim Sex fühlen würden.

Oftmals stehen wir Frauen uns aber auch selbst im Weg. Fehlendes Selbstbewusstsein und klischeehafte Darstellung von Sex sind da sicher nicht unschuldig. Nachgefragt, woran es liegt, dass sich viele Frauen selbst unter Druck setzen (– es waren mehrere Antworten möglich), stimmten 68 % der Befragten der These zu, dass die Darstellung von Sexualität im Internet, Sexindustrie, Filmen, Medien etc. einen Teil dazu beitrage. Für 42 % sind aber auch Vergleiche mit anderen Schuld an der eigenen Unsicherheit. Jede vierte Frau setzt sich selbst unter Druck. Lediglich jede zehnte Frau empfindet keinen Druck.

Das können wir tun, damit es unsere Töchter leichter haben

Man kann also sagen, dass es noch ein gewisser Weg ist, bis Frauen ähnlich selbstbewusst mit ihrer Sexualität umgehen wie Männer. Die Gründe sind vielfältig, aber es lohnt sich definitiv daran zu arbeiten, dass sich etwas ändert. Die vielen optimistischen und engagierten Statements von Eltern bzw. potenziellen Eltern, was sie sich für ihre Kinder wünschen, machen in jedem Fall Hoffnung.

Doch auch in der Darstellung von Sex in Film, Werbung, Medien und im Internet muss sich etwas ändern. Hier ist vieles noch zu stereotyp und wenig vielfältig, sodass sich nicht jeder und jede darin wiederfinden kann. Der Einfluss dieser Bereiche ist groß, wie wir gesehen haben. Sowohl auf Kinder, als auch auf erwachsene Frauen, die sich dadurch unter Druck setzen und das völlig zu Unrecht. Denn der weibliche Körper und seine Sexualität sind ein großes Geschenk und funktionieren ganz wunderbar. Das kann man nicht oft genug sagen.

Wir hoffen, dass unsere Umfrage und das offene Reden über das Thema etwas ändern können und wir jungen Frauen und Mädchen dazu verhelfen, selbstbewusst und stolz mit ihrem Körper und ihrer Sexualität umzugehen.