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Verliebt in zwei Menschen: Was soll ich bloß machen?

Verliebt in zwei Männer gleichzeitig: Geht das überhaupt?
Verliebt in zwei Männer gleichzeitig: Geht das überhaupt? Credit: pexels.com

In einer Gesellschaft, die monogame Beziehungen für den einzigen Weg zum Glück hält, ist es nicht vorgesehen, zwei Menschen gleichzeitig zu lieben. Was aber, wenn es eben trotzdem passiert? Über Beziehungsmodelle, warum nicht hinter jeder Affäre eine kaputte Beziehung steckt und waswirklich hilft.

Inhaltsverzeichnis

Verliebt in zwei Menschen – das kann eigentlich gar nicht gehen, sagen die meisten. Dass es dennoch passiert, zeigt das reale Leben immer wieder. Und dann wird es schnell problematisch. Denn unsere Gesellschaft sieht monogame Beziehungen als „normal“ an und alles andere wird argwöhnisch beäugt.

So offen man sich heute gibt, was Diversity und Sexualität angeht, so bleibt die Liebe zu mehr als einem Partner eben doch eher ein No-Go. Polyamouröse und offene Beziehungen werden gerne als „Phase“ abgetan, bestenfalls als Experiment, das letztlich doch scheitern und in einer monogamen Partnerschaft enden wird – so zumindest denken viele.

Kann eine offene Beziehung gutgehen? Das sagt die Expertin

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Entscheide dich! Wir selbst machen uns den Druck

Verliebt man sich in zwei Menschen gleichzeitig, bekommt man genau das zu spüren. Sofort steht die Frage im Raum, für wen von beiden man sich entscheiden wird. Alles andere kommt gar nicht erst infrage. Wie weit dieses Denken geht, zeigt auch die Tatsache, dass man als Single schon als unseriös gilt, wenn man bei Tinder mehrere Typen gleichzeitig datet.

Und das Schlimme ist: Wir haben das schon so verinnerlicht, dass wir uns selbst den meisten Druck machen. Wir empfinden die Liebe für zwei als quälend und versuchen uns deshalb schleunigst zu entscheiden – für einen Menschen und gegen einen Menschen.

Wir sind eben geprägt durch das in unserer Gesellschaft vorherrschende Beziehungsmodell: Man lebt als Paar zusammen, liebt nur seinen Partner und gründet bestenfalls gemeinsam eine Familie. So der gängige Plot.

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Die Gründe: Nicht immer ist es die angeknackste Beziehung

Markus Ernst ist Psychologe und berät in seiner Praxis häufiger Menschen, in deren Liebesleben Chaos herrscht. Dass jemand für zwei Personen gleichzeitig Gefühle hegt, ist ihm schon öfters untergekommen. Sich in zwei Menschen zum gleichen Zeitpunkt zu verlieben, hält er jedoch eher für unrealistisch: „Verliebtsein nimmt so viel Raum, Kopf und Bauch ein, das kann man meiner Meinung nach schwer parallel mit zwei Menschen erleben.“

Zudem vertritt er die These, dass sich auch liierte Menschen meist dann in jemand Neuen verlieben, wenn in ihrer Beziehung etwas im Argen liegt. „Wenn Gefühle für einen zweiten Menschen auftauchen, muss man genau hinschauen, ob es sich hierbei um wirkliche Verliebtheit oder vielmehr um eine Kompensation der Art ‚Der Andere gibt mir das, was mein Partner mir nicht geben kann‚ handelt“, so der Experte.

Und es ist Schade, dass exakt dieses Denken eben bei den meisten Leuten vorherrscht. Wenn jemand sich noch in jemand anderen verliebt, dann fehlt ihm was in der Beziehung oder sie war eh schon kaputt. Aber ist das wirklich immer so? Ist „fremdverlieben“ automatisch auch immer eine Bankrotterklärung an die bestehende Beziehung? Und ich bin der Meinung, dass exakt das eben nicht der Fall ist.

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Mehr Gründe, sich fremdzuverlieben

Die Krux bei der ganzen Sache ist doch: Die bestehende Partnerschaft muss nicht zwangsläufig angeknackst sein, um empfänglich für die Reize anderer zu sein. Man kann sich ja auch keine Scheuklappen anlegen, nur weil man in einer Beziehung ist, und für den Rest seiner Tage nur noch mit diesem Exemplar Mann oder Frau seine Zeit verbringen.

Da draußen laufen Milliarden Menschen rum und viele davon sprechen uns gefühlsmäßig an. Es ist ganz normal, dass uns andere Menschen berühren, verzaubern, reizen – was auch immer. Und zwar egal, ob wir Single sind oder nicht. Die Frage ist eben nur: Wie weit lassen wir diesen Reiz von außen zu?

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Was tun? Offene Karten oder Heimlichkeit?

Es gibt Paare, die gehen offen damit um. Sie tauschen sich darüber aus, was sie fühlen und was außerhalb der Partnerschaft ok ist und was nicht. Der Normalfall ist das jedoch nicht. In monogamen Beziehungen beginnt in der Regel das große Chaos, sobald Gefühle für einen Dritten aufkommen.

Und nicht wenige sagen ganz klar: Wenn man Gefühle für jemand anderen hat, muss man sich trennen. Aber ist das so? Muss man seine intakte Beziehung hinschmeißen, nur weil man jemanden getroffen hat, zu dem man sich hingezogen fühlt? Inwieweit müssen Gefühle exklusiv sein?

Richtig kompliziert wird es, wenn alles heimlich und ohne Wissen des Partners passiert. Wenn man seine Gefühle vor dem Partner verschweigt, aus Angst, ihn zu verlieren. Damit macht man alles noch schlimmer. Weil man sich zusätzlich dafür verachtet, dass man lügt und den geliebten Menschen hintergeht.

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Verliebt in zwei: Die üblichen Tipps

Auch Expert Markus Ernst sagt: „Ich denke, dass man nach einiger Zeit von alleine klar werden wird, für wen das Herz mehr schlägt.“ Sein Tipp: Sich in solch einer Situation erst einmal zurückzuziehen, auf Abstand zu beiden gehen und sich ein bisschen Zeit geben. Um sich über die eigenen Gefühle überhaupt klar werden zu können. Und um zu verstehen, was das Herz wirklich will.

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Finde deinen eigenen Weg

Ich würde noch einen Schritt weiter gehen: Man sollte sich Gedanken darüber machen, wie man sein Konstrukt von Partnerschaft konzipieren möchte. Und zwar mal ganz frei und ohne auf die Erwartungen anderer oder gesellschaftliche Erwartungen zu achten. Vielleicht liebt man eben anders als andere. Das Gebilde „monogame Beziehung“ besteht zwar schon lange, aber hat es deshalb die alleinige Daseinsberechtigung?

Nimmt man beispielsweise die britische Schauspielerin Tilda Swinton. Sie führt eine polyamouröse Beziehung, will heißen: Sie ist verheiratet und ist nebenbei seit Jahren noch mit einem anderen Mann zusammen. Alle Beteiligten wissen voneinander, niemand wird betrogen oder hintergangen.

So wunderbar monogame Beziehungen und die Exklusivität von Gefühlen sind: Wir sollten andere Beziehungsmodelle nicht vorschnell verurteilen. Warum nicht mal rechts und links vom „normalen Weg“ schauen? Oder neue Modelle zumindest mal durchdenken? Egal, was du tust: Das einzig Wichtige sollte sein: ALLE Beteiligten müssen damit glücklich sein. Sich auf Kosten anderer auszuleben, ist definitiv nicht OK.