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Oops, mein Fehler! Warum es so wichtig ist, dass Eltern ihre Fehler zugeben

Mutter und Tochter verbringen Zeit in der Natur.
© AdobeStock/ Halfpoint

Vorab im Video: Warum Eltern ständig denken, sie machen alles falsch

Und warum Selbstzweifel eigentlich ein Anzeichen für gute Eltern sind.

Erfahre, warum es wichtig ist, als Elternteil Fehler einzugestehen – und wie du daraus echte Stärke entwickelst.

Eltern sollten nicht versuchen, perfekt zu sein. Da sind wir uns vermutlich alle einig. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, Fehler gehören zur Erziehung. Sie zeigen uns, dass wir gerade nicht auf dem richtigen Weg sind. Deshalb ist es so entscheidend, dass wir Eltern uns Fehler eingestehen können.

Ehrlicherweise ist das aber der schwierigste Teil. Für unsere Kinder sind wir allwissend. Vor ihnen wollen wir nicht ins Schleudern geraten. Für sie wollen wir stark, orientiert und sortiert sein. Wir wollen Sicherheit ausstrahlen. Und weil wir Fehler mit Schwäche gleichsetzen, auch wenn wir es eigentlich besser wissen, geben wir die vor unseren Kindern besonders ungern zu.

Und dann ist da noch die Außenwelt, der wir uns, warum auch immer und wider besseres Wissen, als gute, ja, sogar richtig gute Eltern präsentieren wollen. Gute Kita und dann Schule, gesundes Essen, gute Wohngegend – die Liste lässt sich endlos weiterführen. Wer hier ausrutscht, fühlt sich schnell als Versager*in. Und statt den Fehltritt offen zu benennen, wird wegerklärt, relativiert oder totgeschwiegen.

Aber genau hier liegt das Problem: Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmig ist. Und weil sie nicht durch unsere Fehler lernen, sondern durch unseren Umgang mit ihnen, müssen wir sie zugeben können.

Was Kinder lernen, wenn wir unsere Fehler zugeben

Wenn du deinem Kind ehrlich sagen kannst: „Es tut mir leid, dass ich dich gerade so angebrüllt habe. Ich war gestresst, aber das war nicht okay von mir“, dann passiert etwas Großartiges. Du zeigst deinem Kind, dass Fehler menschlich sind. Dass Verantwortung nicht bedeutet, immer perfekt zu sein, sondern zu erkennen, wenn man jemanden verletzt hat. Und dass Entschuldigungen keine Schwäche sind, sondern Stärke zeigen.

Kinder, die das erleben, entwickeln ein gesundes Selbstbild. Sie lernen, dass auch sie Fehler machen dürfen, ohne Angst vor Liebesentzug oder Scham haben zu müssen. Gleichzeitig entwickeln sie ein feines Gespür für Fairness und Empathie.

Eine stabile Eltern-Kind-Beziehung entsteht nicht, weil keiner Fehler macht, sondern weil alle sie selbst sein dürfen, mit ihren Schwächen und Stärken. Dazu zählen auch größere und kleinere Konflikte und die Versöhnungen danach.

Vom Fehler zum Lernmoment

Einen Fehler zuzugeben bedeutet keinesfalls, sich selbst zu zerfleischen oder stundenlang zu analysieren. Es geht vielmehr darum, bereit zu sein, sich selbst, das eigene Handeln und auch die eigene Wirkung auf andere hinterfragen zu können. Schlussendlich läuft es auf die Frage hinaus: Bin ich offen dafür, mich zu entschuldigen, auch bei meinem Kind?

Was mir in der Vergangenheit geholfen hat, wenn eine Situation hitzig geworden ist und mich Emotionen eben doch übermannt haben:

  • Durchatmen, zurückspulen: Man merkt sehr genau, wenn man überreagiert hat. Trotzdem ist es okay, sich ein bisschen Zeit zu nehmen und erst mal runterzukommen. Auch zehn Minuten später kann man sagen: „Du, das eben war nicht fair von mir.“
  • Ich-Botschaften: Gerade, wenn die Emotionen einen überrollen, neigt man dazu, gemein zu sein. Statt also Dinge zu sagen wie, „Du hast mich wahnsinnig gemacht!“ und damit die Schuld für das eigene Fehlverhalten auf andere abzuwälzen, sollte man ganz bei sich sein und sagen: „Ich war überfordert und hab falsch reagiert.“
  • Keine Rechtfertigungen: Kinder hören genau hin. Eine echte Entschuldigung braucht kein „aber du hast …“.
  • Zeig Lernbereitschaft: Statt dem Kind das blaue vom Himmel zu versprechen und zu geloben, dass „das nie wieder passiert“, sollte man es wissen lassen, dass man selbst aus der Situation lernen will: „Ich möchte beim nächsten Mal ruhiger bleiben. Hilfst du mir, daran zu denken?“

Was tun, wenn man sich ständig schuldig fühlt?

Keine Mutter, kein Vater dieser Welt bekommt Erziehung fehlerfrei hin. Schuldgefühle gehören zum Elternsein deshalb leider dazu, vor allem, wenn man es besonders gut machen will. Doch zu viel Selbstkritik kann lähmen. Wenn du dich ständig infrage stellst, bist du nicht präsenter, sondern angespannter. Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern präsente, empathische und lernbereite Menschen.

Lies auch: Warum alle Eltern ihre Kinder unperfekt erziehen sollten!

Mein persönlicher Gamechanger: Eine gesunde Portion „Selbstmitgefühl“. Die Fähigkeit, sich selbst mit der gleichen Wärme zu begegnen, mit der wir unsere Kinder trösten. Und die Erinnerung: Auch Eltern sind Menschen. Menschen machen Fehler. Und das ist völlig okay so.

Eine gute Fehlerkultur

Wer möchte, dass sein Kind lernt, Verantwortung zu übernehmen, muss bei sich selbst anfangen und eine Atmosphäre schaffen, in der offen über Fehler gesprochen werden darf, ohne Spott, ohne Drama und ohne Angst.

Hier ein paar Ideen für den Alltag:

  • Fehler als Gesprächsthema: Frag beim Abendbrot: „Gab’s heute was, das dir schwergefallen ist?“ Oder: „Was würdest du heute anders machen, wenn du könntest?“
  • Humor hilft immer: Wenn die Schüssel runtergefallen ist oder das umgeschubste Wasserglas auf dem Tisch alles nass macht, nimm’s mit Humor. Lachen macht uns menschlich.
  • Gemeinsam Lösungen finden: „Ich hab heute zu schnell geschimpft. Was hilft dir, wenn du so richtig sauer wirst?“
  • Fehler sichtbar machen, vor allem die eignen: Kinder lernen nicht nur aus dem, was wir sagen, sondern vor allem aus dem, was wir tun.

Es ist kein Zeichen von Schwäche, Fehler zu machen. Aber es ist ein Zeichen von Mut, sie anzuerkennen. Indem wir als Eltern den ersten Schritt gehen und ehrlich zu unseren Ausrutschern stehen, geben wir unseren Kindern das größte Geschenk: ein echtes, nahbares und verständliches Vorbild.

Denn gute Erziehung beruht auf einer guten Beziehung. Und die kann nur gut sein, wenn man auch ehrlich zueinander ist und sein kann, auch über das eigene Scheitern. Und das ist, aus meiner Sicht, eine der wertvollsten Lektionen, die wir unseren Kindern mitgeben können.

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