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Trauma-Experte: Warum Geschwister nie dieselben Eltern haben

Mutter steht in der Küche und beobachtet ihre drei Kinder, die am Frühstückstisch sitzen und miteinander agieren.
© Getty Images/ Maria Korneeva

Vorab im Video: Leuchtturm-Erziehung ist der neue Stern am Pädagogikhorizont

Eltern sind für jedes Kind anders. Warum Geschwister ihre Kindheit so unterschiedlich erleben und wie es die Erziehung verändert.

Manchmal wundert man sich als Eltern ja über die eigenen Kinder, die sehr oft grundverschieden sind. Das liegt natürlich an ihrem unterschiedlichen Temperament, aber tatsächlich auch daran, dass wir für unsere Kinder nicht dieselben Eltern sind.

Hää?, sagt ihr jetzt vermutlich. Hab ich auch gesagt, als ich genau das von Trauma-Experte Dr. Gabor Maté gehört habe.

Im Podcast von Selbsthilfe-Königin Mel Robbins sagte er nämlich: „Keine Geschwister wachsen im selben Haus auf. Keine Geschwister haben dieselben Eltern. Keine Geschwister haben dieselbe Familie. Keine Geschwister haben dieselbe Kindheit. Auch nicht, wenn sie im selben Haus aufwachsen.“

Klingt erstmal verwirrend, weil die Eltern für ein Geschwisterkind ja ein und dieselben Personen für ein anderes Geschwisterkind sind. Allerdings stimmt eben genau das nicht. Und das erklärt der Trauma-Experte wie folgt:

1. Geburtenreihenfolge

Das erste Kind ist immer etwas ganz Besonderes, denn es bedeutet für Eltern, für eine Paarbeziehung, nie dagewesene Erfahrungen. Alles ist neu und wird auf den Kopf gestellt. Die Welt der Eltern dreht sich mit dem ersten Kind eine Zeit lang oft nur um das Kind.

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Anders beim zweiten, dritten oder vierten Kind. Die Eltern sind routinierter, die Abläufe strukturierter und Liebe und Aufmerksamkeit müssen geteilt werden.

Zudem sind die Eltern gewachsen, haben dazu gelernt und sich weiterentwickelt. Fehler, die sie eventuell beim ersten Kind gemacht haben, passieren ihnen bei den anderen nicht.

2. Unterschiedliche Geschlechter

Auch wenn wir Eltern es nicht bewusst machen, aber wir gehen anders mit unseren Söhnen um als mit unseren Töchtern.

Wir begegnen ihnen anders, reagieren auf Wünsche, Ideen oder Errungenschaften anders. Selbst dann, wenn Kinder dasselbe Geschlecht haben. Weil wir auf unterschiedliche Kinder unterschiedlich reagieren.

Wie Dr. Maté sagt: „Das Kind erfährt nicht die Liebe der Eltern. Das Kind erfährt, wie sich die Eltern zeigen.“

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3. Die Paarbeziehung

Lange Beziehungen haben immer bessere und schlechtere Phasen, es geht auf und ab. Und je nachdem, in welche Phase ein Kind geboren wird, kann das mehr oder weniger auf das Kind wirken.

Das bedeutet nicht, so erklärt es der Trauma-Experte, dass Eltern ein Kind mehr lieben als das andere. Aber in unterschiedlichen Phasen unseres Lebens, mit unterschiedlichen Anforderungen an uns selbst, reagieren wir Eltern anders auf unsere Kinder.

4. Das Temperament

Jedes Kind nimmt seine Umwelt anders wahr, es fühlt anders, ihm sind andere Dinge wichtig und es bewegt sich anders durch die Welt. Und genau deshalb macht es andere Erfahrungen, auch in Bezug auf die Eltern. Weil jedes Kind einen anderen Blick auf die Welt hat, hat es auch einen anderen Blick auf die Eltern.

Deshalb, so erklärt der Experte, sind wir immer andere Eltern für unsere Kinder, selbst wenn wir dieselben Eltern für alle sein könnten (was wir nicht können, wie er betont).

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Was bedeutet das für unsere Erziehung?

Und genau hier liegt die Chance für uns Eltern. Wir müssen nicht für jedes Kind dieselben Eltern sein (können wir ja auch gar nicht, wie wir eben schon gelernt haben).

Was unsere Kinder von uns brauchen, ist, dass wir sie sehen und annehmen, wie sie sind. Dass wir ihnen geben, was sie in einer bestimmten Lebensphase brauchen. Auch dann, wenn das etwas ganz anderes ist, als bei den Geschwistern.

Solange wir darauf achten, jedem unserer Kinder, das zu geben, was sie brauchen, ist das vielleicht unterschiedlich, deshalb aber noch lange nicht ungerecht. Es ist viel mehr bedürfnisorientiert. Und das führt ganz sicher zu anderen Kindheitserfahrungen. Es ist aber der Schlüssel für eine faire, liebevolle und authentische Beziehung zu jedem Kind.

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