Was ist betreutes Trinken?
Mein Sohn ist jetzt 15 Jahre alt und dürfte theoretisch in unserer Anwesenheit Alkohol trinken. Betreutes oder begleitetes Trinken nennt sich das und es erlaubt Jugendlichen ab 14 Jahren, in Anwesenheit einer erziehungsberechtigten Person den Konsum von Bier, Wein oder Sekt.
Und ja, er hat schon mal am Bier genippt und seine Nase auch in ein Wein- und Sektglas gehalten. Interesse hat aber nichts davon bei ihm erregt. Eher Ekel. Und das macht mich richtig froh. Denn in meiner Jugend sah das anders aus. Egal ob bei Familienfeiern oder Partys unter uns Kids, es wurde auch schon Alkohol getrunken. Irgendwie war das normal.
Während Befürworter des begleiteten Trinkens meinen, das sei durchaus eine pädagogische Maßnahme, warnen Kritiker vor den Risiken. Kann man den ‚geregelten‘ Konsum von Alkohol also als Prävention verkaufen oder ist es eine Einladung zu exzessivem Konsum?
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Rechtliches zum begleiteten Trinken
Nach dem Jugendschutzgesetz (§ 9 JuSchG) dürfen Jugendliche ab 14 Jahren Bier, Wein oder Sekt trinken, wenn sie von einer sorgeberechtigten Person begleitet werden. Das gilt auch in der Öffentlichkeit und in Gaststätten.
Gesellschaftliches
Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) fordert inzwischen eine Abschaffung dieser Ausnahmeregelung. Sie will, dass Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren auch dann keinen Alkohol mehr in der Öffentlichkeit trinken dürfen, wenn ein Elternteil dabei ist.
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zeigt, dass sich auch die Mehrheit der Bevölkerung gegen das betreute Trinken ausspricht. 65 % der Befragten schlossen sich der Meinung an, dass die Ausnahmeregelung aus Paragraf 9 des JuSchG abgeschafft gehört. Ein generelles Mindestalter von 18 Jahren für den Konsum alkoholischer Getränkte wünschten sich 52 % der Befragten.
Vorteile, Risiken und Wissenschaftliches
Das erklärte Ziel des begleiteten Trinkens liegt vermutlich auf der Hand. Nämlich, dass der Konsum in kontrolliertem Umfeld und in moderatem Rahmen stattfindet. Denn, so die Idee, begleiteter Alkoholkonsum ist weniger problematisch als unkontrollierter Konsum.
Die Kontrolle kann helfen, über Risiken aufzuklären und Fehlverhalten zu vermeiden, sofern der Konsum mit klaren Regeln, Offenheit über Risiken und einer großen Vorbildfunktion der Eltern erfolgt. Jedoch scheitert es oft genau daran und das betreute Trinken ist einfach ’nur‘ eine Alkoholerfahrung.
Dabei ist es wissenschaftlich bewiesen, dass jeder Schluck Alkohol schädlich ist. Sowohl für Erwachsene, im Besonderen aber für Kinder und Jugendliche, deren Gehirne und Körper sich noch entwickeln. Selbst moderate Mengen sind deshalb nicht ohne Risiko.
Studien zeigen zudem, dass Jugendliche, die mit Erlaubnis ihrer Eltern Alkohol probieren oder sogar regelmäßig mit ihnen trinken, später öfter zu riskantem Alkoholkonsum neigen. Ein früher Einstieg kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, exzessives Trinken oder Suchtprobleme zu entwickeln.
Prävention oder Saufeinladung?
Betreutes Trinken kann den Umgang mit Alkohol kontrollierter und reflektierter machen, wenn Jugendliche ausreichend dazu aufgeklärt werden. Das Risiko, damit ein frühes Normalisieren von Alkoholkonsum zu fördern, was später zu riskantem Trinkverhalten führen kann, ist wissenschaftlich bewiesen.
Aktuell liegt es in der Entscheidungsgewalt der Eltern, ob sie ihrem Teenager ‚leichte‘ Alkoholika zugänglich machen oder nicht. Aber: Alkohol bleibt schädlich. Auch, wenn der Konsum in moderaten Mengen erfolgt. Und auch, wenn ein Erwachsener dabei sitzt.
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