Veröffentlicht inFamilie, Kind & Familie

Erziehung: Darum brauchen Kinder uns bei Auftritten & Wettbewerben

Mädchen steht auf der Bühne am Mikrofon, im Vodergrund sieht man die Hand der Mutter mit einem Handy, die alles filmt.
© AdobeStock/ nicoletaionescu

Vorab im Video: Warum Eltern ständig denken, sie machen alles falsch

Erfahre, warum deine Anwesenheit bei Aufführungen & Wettkämpfen so viel mehr bedeutet als Applaus.

Die letzten Sekunden, bevor das eigene Kind beim Schulfest ans Mikro tritt, den ersten Tanzschritt auf der Bühne wagt oder mit klopfendem Herzen am Startblock steht, gehören zu den aufregendsten, die man als Eltern miterleben kann. Herzrasen inklusive. Dabei ist das Dasein nicht nur eine nette Geste. Es ist essenziell. Für unsere Kinder. Und für uns.

Warum deine Anwesenheit so viel mehr ist als ein kurzer Applaus aus dem Publikum und warum Kinder genau dann unsere Nähe brauchen, wenn sie uns scheinbar gar nicht brauchen.

Lies auch: 4 Fähigkeiten, die Kinder langfristig erfolgreich machen

Warum bedeutet meine Anwesenheit so viel?

„Ach, die merkt doch gar nicht, ob ich da bin oder nicht!“ Kennst du diesen Gedanken? Ich auch. Er kommt gern, wenn man sich zwischen Job, Geschwisterbetreuung und Haushalt zerreißt. Aber ich verspreche dir: Dein Kind merkt es. Immer.

Kinder, egal ob Kita-, Grundschul- oder Teenageralter, haben ein feines Gespür dafür, ob sie gesehen werden. Der britische Psychologe John Bowlby, Begründer der Bindungstheorie, konnte schon in den 1950er-Jahren zeigen: Kinder entwickeln Urvertrauen, wenn sie spüren, dass ihre Bezugspersonen verlässlich da sind. Und das gilt nicht nur im Alltag, sondern eben auch in besonders großen Momenten.

Lesetipp: Eltern-Kind-Bindung: Diese 5 Sätze stärken eure Beziehung

Ob Kita-Aufführung, Fußballturnier oder Mathe-Olympiade, dein Kind investiert Wochen in diese eine Stunde Rampenlicht. Dein Blick, dein Nicken, dein Lächeln aus dem Zuschauerraum sind der Beweis: Ich sehe dich. Ich nehme wahr, was du leistest. Ich bin stolz auf dich.

Psycholog*innen sprechen hier vom „sozialen Referenzieren“: Kinder holen sich die Rückversicherung von vertrauten Personen. Sie schauen sie an und suchen nach Zeichen für Zustimmung. Dein Daumen hoch oder dein Lächeln können also über Sieg oder Niederlage entscheiden.

„Der Druck steigt doch nur, wenn ich dabei bin!“ Ist das wirklich so?

Vielleicht denkst du: Wenn ich da bin, macht sich mein Kind doch noch mehr Stress. Aber das Gegenteil ist meist der Fall. Studien zeigen: Kinder, die wissen, dass ihre Eltern präsent und ansprechbar sind, gehen mit Leistungsdruck gelassener um.

Warum? Weil sie nicht allein sind mit ihren Emotionen. Wenn du am Spielfeldrand stehst, steht da nicht nur Mama oder Papa. Da steht ein sicherer Hafen. Jemand, der auffängt, wenn etwas schiefläuft. Der eine Umarmung parat hat, wenn die Tränen kommen.

Ich habe das bei meiner Tochter erlebt. Vor ihrem ersten Theaterauftritt hat sie tagelang intensiv geübt, zu Hause natürlich mit extra viel Drama, Tränen und Hunderten „Ich kann das nicht!“. Auf der Bühne hat sie anfangs gezittert. Aber dann hat sie mich gesehen, in der ersten Reihe, einen halben Meter zu nah am Lautsprecher. Und plötzlich war da diese winzige Andeutung eines Lächelns. Die Nervosität war nicht weg. Aber sie wusste: Ich bin da. Mehr musste ich gar nicht tun.

Lies auch: Selbstzweifel in der Pubertät: Diese Worte geben deinem Kind Halt

Was, wenn ich wirklich mal nicht kann?

Leider kann man nicht bei jedem einzelnen Auftritt dabei sein. Manchmal geht es schlicht nicht. Und nein, dein Kind wird davon keinen seelischen Schaden tragen. Wichtig ist nur: Erklär es ihm ehrlich. Versprich nichts, was du nicht halten kannst.

Und finde, wenn möglich, eine Alternative. Vielleicht geht Oma mit, oder der Onkel, oder du zeichnest den Auftritt auf Video auf und ihr schaut ihn später gemeinsam an.

Was du vermeiden solltest: Bagatellisieren. Sätze wie „Ach, das ist doch nicht so wichtig!“ tun weh. Denn für dein Kind ist es wichtig. Wenn du signalisierst, dass du es ernst nimmst, auch wenn du nicht dabei sein kannst, fühlt es sich trotzdem gesehen.

Elternpräsenz ist mehr als nur Klatschen

Dass du da bist, bedeutet nicht nur Applaus am Ende. Es geht um alles drumherum: das nervöse Kichern im Auto auf dem Hinweg. Das Schuhe-Binden im Flur der Turnhalle. Das Eis danach, egal ob’s einen Pokal gibt oder nicht.

In diesen kleinen Momenten steckt ganz viel Bindung. Kinder brauchen sie, um Mut zu fassen, Risiken einzugehen und sich zu zeigen. Viele Kinder trauen sich Dinge nur, weil sie wissen: Da draußen sitzt jemand, der glaubt an mich, egal was passiert.

Psycholog*innen nennen das „emotionale Verfügbarkeit“. Kinder, die sie erfahren, entwickeln nachweislich mehr Selbstvertrauen und Resilienz. Sie wissen: Ich bin nicht allein. Und diese innere Gewissheit begleitet sie ihr Leben lang, auch, wenn wir irgendwann nicht mehr im Publikum sitzen.

Lies dazu auch: Das ist der Grund, warum Kinder öfter bei Mama ausflippen

Man kann nicht immer gewinnen

Nicht jeder Auftritt endet mit Jubel. Manchmal verknoten sich die Finger, der Ball geht daneben, die Stimme versagt. Und dann? Dann zeigt sich, warum wir Eltern da sind.

Ich erinnere mich noch an einen verpatzten Schwimmwettkampf in meiner Jugend. Ich hatte Wochen trainiert und gute Chancen auf einen Platz auf der Treppe. Und dann bin ich zu früh ins Wasser gesprungen. Disqualifiziert. Ich war sauer und wütend und hab mich unglaublich geschämt. Und dann war da mein Papa, der mich einfach wortlos in den Arm genommen und getröstet hat. Er hat gar nichts gesagt, sondern mich einfach nur ganz fest gehalten. Und dann sind wir schweigend nach Hause gegangen. Kein „Hättest du mal besser aufgepasst“, oder irgendeine andere Moralpredigt. Er war einfach nur da.

Um genau solche Momente geht es, wenn wir heute als Eltern dabei sind. Diese Momente brennen sich ein. Ein Kind lernt: Misserfolg tut weh, aber er macht mich nicht weniger liebenswert. Und ich muss damit nicht alleine klarkommen.

Auch lesenswert: Erziehungs-Tipp: Lasst eure Kinder auch mal verlieren!

Eltern gehören immer ins Publikum

Manchmal reicht dein Blick, dein Daumen, dein Nicken. Manchmal reicht es, dass du an der Seitenlinie frierst oder schwitzend in einer stickigen Aula hockst. Für dein Kind macht genau das den Unterschied.

Wenn es also irgendwie geht, geh immer hin! Sitz da. Klatsch. Schenk deinem Kind diesen Blick, der sagt: Ich sehe dich.

Weitere Themen: