Wenn das Kind einen Elternteil anschreit, lautet die Reaktion meist: Zurückschimpfen. Doch glaubt man einer Familien-Expertin, hat dieses Verhalten der Kinder nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Ganz im Gegenteil: Es ist sogar gut.
Wutausbrüche bei Kindern sind schlecht? Keinesfalls! Denn auch wenn viele aus ihrer eigenen Erziehung noch wissen, dass es bei jedem Schreianfall Ärger von den Eltern gibt – schließlich gehört sich das nicht und zeugt von einem respektlosen Verhalten – ist die kindliche Erziehung heute ganz anders.
Warum haben Kinder Wutausbrüche?
Kennst du das? Dein Kind sitzt strahlend beim Frühstück – und fünf Minuten später liegt es kreischend auf dem Boden, weil der Apfelsaft in der falschen Tasse ist. Willkommen im ganz normalen Familienalltag! Wutausbrüche gehören dazu – auch wenn sie uns manchmal ganz schön den letzten Nerv rauben. Aber keine Sorge: Dahinter steckt kein „schlechtes Benehmen“, sondern ein ganz natürlicher Entwicklungsschritt.
Kinder erleben Emotionen noch wie einen Sturm im Bauch – kraftvoll, ungebremst und überwältigend. Sie haben schlichtweg noch nicht das Werkzeug, um mit all den starken Gefühlen umzugehen.
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Stell dir vor, du wärst wütend, müde, hungrig und jemand würde dir ständig sagen, was du tun sollst – ganz schön viel auf einmal, oder? Genau so fühlt es sich für viele Kinder an. Ihr Gehirn lernt gerade erst, Emotionen zu regulieren. Das ist wie ein Muskel, der trainiert werden will – mit Geduld, Liebe und ganz viel Übung. Ein Wutanfall ist also meist ein Hilferuf: „Ich weiß nicht, wie ich das sonst ausdrücken soll.“
Das unterstreicht auch eine der renommiertesten Expertinnen in Sachen Kinderpsychologie, Nora Imlau. Sie ist der festen Überzeugung, dass diese lauten Schreie und Wutausbrüche oft mehr bedeuten können, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Vertrauen und emotionale Sicherheit
Die Expertin betont, dass das Schreien eines Kindes nicht unbedingt ein Zeichen von Respektlosigkeit oder mangelnder Disziplin ist. Vielmehr könne es ein Zeichen für eine tiefe Bindung zwischen Eltern und Kindern sein.
Auch ich stelle mir immer wieder die Frage, warum meine Tochter ihre täglichen Wutanfälle nur bei mir hat und nie bei Oma, Opa oder im Kindergarten. Betrachte ich aber die Aussage von Nora Imlau genauer, erscheint mir dieses Verhalten endlich plausibel. Während sie sich in der „Fremdbetreuung“ immer wieder „zusammenreißen“ muss und nicht ausflippen darf, traut sie sich in ihrer sicheren Umgebung – also bei mir – ihre wahren Gefühle zu zeigen. Das beweist ein hohes Maß an Vertrauen in die elterliche Bindung und ihre Liebe zu mir.
Kinder, die gegenüber ihrer Eltern ihren Gefühlen freien Lauf lassen, sind davon überzeugt, dass Mama oder Papa ihre emotionale Achterbahn akzeptieren und verstehen werden.
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Buch-Tipp: In ihrem Ratgeber „Mein Familienkompass“ verrät Nora Imlau*, wie du deine Kinder liebevoll erziehen kannst und gleichzeitig deine eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen verlierst. Denn auch wenn heutzutage nachgewiesen eine bedürfnisorientierte Erziehung für Kinder wichtig ist, darfst du dich als Mama oder Papa nicht vernachlässigen. Nur wenn es dir gut geht, kannst du deinem Kind die Liebe schenken, die es braucht.

Wie reagiere ich, wenn mein Kind mich anschreit?
Auf diese Frage hat Nora Imlau eine einfache Antwort: Mit Liebe! Die Expertin erklärt, dass diese Ausbrüche ein Fenster in die psychologische Welt des Kindes öffnen, auf das die Eltern mit liebevoller Begleitung und nicht mit Ablehnung reagieren sollten.
Es ist wichtig, auf diese emotionalen Momente mit Einfühlungsvermögen zu reagieren. Durch diese einfühlsame Reaktion auf die Ängste und Frustrationen ihrer Kinder können Eltern ein sicheres Umfeld schaffen, in dem sich ihre Kinder ohne Angst vor Ablehnung ausdrücken können.
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Eine wichtige Sache zum Schluss: Wir sind alle Menschen! Und uns kann und darf auch mal der Kragen platzen. Wichtig ist nur, dass wir tief in uns wissen, dass unser Kind nicht gerade ausflippt, weil es das mit böser Absicht tut, sondern weil es genau weiß, dass Mama und Papa es dennoch lieb haben und immer der sichere Hafen sein werden.
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