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Stimmt’s? Brauchen (hoch)begabte Kinder weniger Schlaf?

Nahaufnahme eines Mädchens. Sein Kopf liegt auf einem weißen Kissen.
© Getty Images/ Catherine Falls Commercial

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Intelligenz und dem Schlafbedarf eines Menschen?

Das sagt die Wissenschaft.

Schlafen hochbegabte Kinder anders? Alles über Dauer, Qualität und praktische Tipps, damit dein Kind erholt und stark bleibt.

Führt eine hohe Intelligenz zu einem geringeren Schlafbedarf?

Das Gerücht, Kinder (oder allgemein Menschen), mit einer Begabung oder auch Hochbegabung würden weniger schlafen, begegnet einem immer wieder. Die Erklärung, die man dazu hört, ist, dass sie einfach weniger Schlaf brauchen würden. Aber ist da was dran? Einen klaren wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Hochbegabung und dem Schlafbedarf eines Menschen konnte nämlich bisweilen nicht eindeutig belegt werden.

Woher kommt diese Annahme also und warum hält sich dieses Gerücht besonders bei Kindern so ausdauernd? Gibt es sie vielleicht doch, Kinder, deren Gehirn im Turbo-Modus läuft und die deshalb auch weniger schlafen?

Schlafdauer ist nicht gleich Schlafbedarf

Dass das eigene Kind weniger schläft als andere, beruht in der Regel auf einer subjektiven Einschätzung durch die Eltern. Die beziehen ihre Informationen aus Vergleichen mit anderen Eltern, bei denen die Kinder (natürlich immer) länger schlafen. Dabei vergessen wir gern, dass unterschiedliche Menschen natürlich unterschiedliche Schlafbedürfnisse haben – unabhängig ihrer kognitiven Leistung. Dem einen reichen 6 Stunden Nachtschlaf, ein anderer funktioniert erst mit 9 Stunden Schlaf richtig.

Objektiv betrachtet, das konnte eine Studie der Universität von Montreal, Kanada zeigen, schlafen hochbegabte Kinder nicht weniger als normal begabte. Wenngleich sie häufiger an Schlafproblemen litten als normal begabte Kinder.

Das Kinderkrankenhaus der Universität Zürich konnte in einer nicht experimentellen Untersuchung widerum zeigen, dass Kinder mit einem hohen IQ-Wert tendenziell kürzer schlafen und schlussfolgerten daraus, dass ihr Gehirn auch nachts aktiver ist als das von normal begabten Kindern.

Schlafqualität leidet bei Hochbegabung

In einer Untersuchung aus Frankreich zeigten Messungen, dass rund die Hälfte der hochbegabten Kinder von Schlafproblemen wie Ein- und Durchschlafstörungen, nächtlichem Aufschrecken oder einer Verschiebung der Schlafphasen betroffen war. Eine deutliche größere Zahl als in der Vergleichgruppe.

Dabei zeigte sich auch, dass die REM-Phase der hochbegabten Kinder deutlich ausgeprägter war. Die ist bekannt dafür, Kreativität, Problemlösungsfähigkeiten und Gedächtnisbildung besonders zu fördern.

Warum schlafen Hochbegabte häufiger schlechter?

Die Gründe für einen unruhigeren, schlechteren Schlaf sind vielfältig und nicht nur biologisch bedingt. In der Regel ist es ein Zusammenspiel aus:

  • besonderen kognitiven Leistungen: einem hochbegabten Kind fällt es wesentlich schwerer, abends abzuschalten und nicht mehr seinen Gedanken, Ideen und Fragen nachzugehen. Oft ist allein das ‚rechtzeitige Einschlafen‘ ein Problem.
  • vielen Interessen und Hobbys. Je mehr und vielfältiger sich ein Kind für Dinge begeistern kann, um so enger und dichter sind die Tage gefüllt. Musikschule, Kinder-Uni, Sport oder AGs müssen alle in eine Woche gequetscht werden. Das macht einem Kind ganz sicher viel Spaß, raubt ihm aber auch wichtige Erholungszeit.
  • und einem ’sozialen Jetleg‘: Während normal begabte Kinder ein eventuelles Schlafdefizit am Wochenende ausgleichen, indem sie ausschlafen, machen Hochbegabte genau das nicht. Zu wenig Schlaf führt leider nicht dazu, dass man irgendwann länger schläft, sondern beeinflusst eher den verbleibenden Schlaf negativ und der gesamte Schlafrhythmus verschiebt sich. Ihre innere Uhr ist im Prinzip gestört.

Viele Schlafprobleme entstehen nicht, weil Hochbegabte weniger schlafen müssen, sondern weil sie weniger schlafen können. Ihr Alltag, ihre geistige Leistung erschweren ihnen das Abschalten schlichtweg.

Auch Hochbegabte müssen ausreichend schlafen

Schlaf ist, unabhängig von der Begabung, aber ein entscheidender Faktor für die Gehirnentwicklung. Er ist die Grundlage für Erholung, für Erfolge beim Lernen, mehr Kreativität und emotionale Stabilität.

Besonders leistungsfähig sind Kinder und Erwachsene, wenn sie zwischen 7 und 9 Stunden Schlaf bekommen. Wie die ‚Times‘ 2024 berichtete, würden schon 15 Minuten Extraschlaf ausreichen, um die Gehirnentwicklung bei Jugendlichen besonders positiv zu fördern.

Besonders wichtig beim Schlaf sind die Tief- und die REM-Schlafphasen, denn dann speichert das Gehirn Erinnerungen besonders gut, verarbeitet Emotionen und baut Stoffwechselprodukte ab. Heißt: Auch Hochbegabte können ihr besonderes Potenzial nur richtig entfalten, wenn sie ausreichend schlafen.

Tipps für guten Schlaf

Theoretische Tipps, die den Schlaf verbessern sollen, sind ja immer das eine, oft scheitert es an der realistischen Umsetzung. Deshalb hier mal ein paar alltagsnahe Strategien, die allen Kindern beim Schlafen helfen:

  1. Feste Rituale
    Wer regelmäßig zur selben Zeit im Bett verschwindet (auch am Wochenende) stabilisiert den eigenen Biorhythmus.
  2. Entspannung am Abend
    Der Abend sollte so unaufgeregt wie nur möglich sein. Das heißt, am besten verzichtet man mindestens eine halbe, besser noch eine ganze Stunde vorm Schlafengehen auf Bildschirme jeglicher Art. Ein warmes Bad, ein gutes Buch oder ein Hörbuch helfen, den Körper und die Gedanken runterzufahren.
  3. Gedanken aufschreiben
    Einmal im Gedankenkarussell gefangen, kommt man da nicht so schnell wieder raus und findet nicht in den Schlaf. Es hilft deshalb ungemein, aufzuschreiben, was einen so kurz vorm Einschlafen beschäftigt. Legt eurem Kind also Zettel und Stift neben das Bett.
  4. Termine reduzieren
    Weniger zu tun zu haben, bedeutet nicht zwangsläufig Langeweile. Ganz im Gegenteil. Wer Zeit hat, sich mit sich auseinanderzusetzen, wird ruhiger und ausgeglichener. Verschafft eurem Kind also freie Nachmittage und Abende.

Schlafen hochbegabte Kinder denn jetzt weniger oder nicht?

Auch wenn es so wirken mag, nein, hochbegabte Kinder schlafen genauso viel wie normal begabte. Aber, sie schlafen oft schlechter. Ob ein Kind eventuell zu wenig Schlaf bekommt, kann man ganz gut erkennen. Lies hier, welche Anzeichen ein Kind dann zeigt.

Als Eltern können und sollten wir viel tun, um unseren Kindern guten Schlaf zu ermöglichen. Ein hochbegabtes Kind braucht hier und da ein bisschen mehr Unterstützung, um seinen aktiven Geist abends zur Ruhe zu bringen.

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