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Teenager müssen sich streiten dürfen! Warum Krach in der Pubertät wichtig ist

Porträt eines Teenager-Mädchens draußen.
© AdobeStock/ stivog

Vorab im Video: Wenn Kommunikation mit Teenagern zur Herausforderung wird

Missverständnisse zwischen Eltern und Teenager lassen sich nicht vermeiden, aber wir können lernen, besser mit ihnen umzugehen.

Warum Teenager Streit in gewisser Weise brauchen und wie du Konflikte in der Familie entspannt begleitest.

Kommen Teenager nach Hause, weht einem auch immer eine ordentliche Portion Widerworte entgegen. Da wird diskutiert, gezickt, die Augen verdreht und mit Türen geknallt wie in einem mittelmäßigen Teenie-Drama. So oder so ähnlich sieht vermutlich das Familienleben vieler aus, die mit einem oder mehreren Teenagern unter einem Dach leben.

Ich kenne das auch ganz gut, denn auch meine zwei Kinder erinnern mich jeden Tag daran, wie sehr Pubertät bedeutet, dass man seine Eltern manchmal am liebsten zum Mond schießen möchte. Umgekehrt gilt da auch mal dasselbe.

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Aber so anstrengend das alles ist: Dieser Krach hat einen Sinn. Mehr noch, er ist notwendig. Warum, was hinter diesen endlosen Diskussionen steckt und wie wir Eltern Streit mit unseren Teens aushalten (und manchmal sogar davon profitieren), darum soll es hier gehen.

Warum streiten Teenager so viel?

Die kurze Antwort: Weil sie es müssen.

Die lange Antwort ist ein bisschen komplexer und hat viel mit dem Teenager-Gehirn zu tun. In der Pubertät wird dieses nämlich einmal generalüberholt. Zwischen elf und 18 Jahren werden Milliarden Verbindungen gekappt und neue entstehen. Dieser Umbau sorgt dafür, dass Teenager oft überreagieren und impulsiv handeln, auch, wenn der Auslöser von außen betrachtet völlig banal scheint.

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Hinzu kommt: Teenager entwickeln in dieser Zeit ihre eigene Identität. Sie müssen ausprobieren, wer sie sind und was sie nicht mehr sein wollen. Und was liegt da näher, als sich an denen zu reiben, die am nächsten dran sind: uns Eltern. Streit ist also kein Zeichen dafür, dass wir versagt haben, sondern eher ein Beweis dafür, dass unsere Kinder anfangen, sich von uns abzugrenzen.

Gehört Streit zu einer guten Beziehung?

Irgendwie schon. Gerade in der Familie ist Streit ein Anzeichen für eine gute und sichere Bindung. Wer sich sicher fühlt, traut sich, unbequem zu sein. Kinder, die zu Hause nie ihre Meinung sagen dürfen, verlernen, für sich einzustehen. Und das bleibt nicht ohne Folgen, auch später im Job, in Freundschaften oder in Partnerschaften.

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Natürlich heißt das nicht, dass bei euch jeden Abend der Haussegen schief hängen muss. Aber ein bisschen Reibung ist gesund. Wichtig ist nur, dass Streit nicht in gegenseitigen Verletzungen endet. Es geht nicht darum, wer gewinnt, sondern darum, dass alle lernen, Grenzen zu setzen, Kompromisse zu finden und sich danach wieder zu versöhnen.

Wann wird Streit problematisch?

Streit hat natürlich Grenzen. Wenn Diskussionen in Beleidigungen oder sogar Gewalt ausufern, ist das ein Alarmsignal. Auch Dauerkonflikte, die ohne Pause schwelen und bei denen niemand mehr wirklich zuhört, können die Beziehung belasten. Dann kann es helfen, einen neutralen Blick von außen zu Rate zu ziehen, zum Beispiel durch eine Familienberatung.

Manchmal steckt hinter endlosem Streit auch etwas anderes. Vielleicht ist es Überforderung in der Schule, Mobbing, Ängste oder psychische Probleme. Dann ist es wichtig, nicht nur den Krach zu sehen, sondern zu fragen: Was liegt darunter? Worum geht es wirklich? Oft ist Wut nur ein Deckmantel für Unsicherheit oder Hilflosigkeit.

Wie streiten wir richtig?

Jetzt kommt der Teil, bei dem ich mir selbst an die Nase fassen muss, denn ich schaffe es auch nicht immer, meine Kinder in Ruhe ausdiskutieren zu lassen. Aber ein paar Dinge helfen:

1. Atmen, zuhören, abwarten.
Teenager wollen oft gar keine Lösung. Sie wollen meckern dürfen. Wer sich ständig einmischt oder alles zerredet, verlängert den Streit nur. Manchmal reicht ein: „Ich sehe, du bist wütend. Lass uns später reden.“

2. Klare Regeln, klare Grenzen.
Streit darf emotional sein, aber nicht verletzend. Beschimpfungen, Drohungen oder Gewalt sind niemals okay. Da muss Schluss sein. Für alle Seiten.

3. Nach dem Sturm kommt die Ruhe.
Nach einem Streit tut es gut, wieder zueinander zu finden. Ein kurzes Gespräch, eine Umarmung oder einfach ein „Alles okay zwischen uns?“ zeigt: Wir können uns fetzen, aber die Beziehung steht trotzdem.

Streit ist kein Scheitern

Vermutlich wird es immer mal wieder knallen bei uns zu Hause. Wahrscheinlich bei euch auch. Und das ist okay so. Ein Zuhause, in dem Teenager keine Angst haben, sich zu streiten, ist ein Zuhause, in dem sie lernen, wer sie sind. Es ist anstrengend, ja. Manchmal ungerecht, laut und nervig. Aber es sorgt auch für mehr Ehrlichkeit, mehr Vertrauen und mehr Miteinander.

Wenn also das nächste Mal wieder eine Tür knallt, erinnern wir uns daran: Dahinter wächst gerade ein junger Mensch, der seinen Platz in der Welt sucht. Und wir dürfen ihn dabei begleiten. Auch wenn es manchmal laut wird.

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