Eigentlich sollen der Sommer und die Ferien eine besonders schöne Zeit im Jahr sein. Endlich gemeinsam als Familie entspannen, erleben, auftanken. Keine Schulbrote schmieren, keine Mathehausaufgaben, kein morgendlicher Wecker. Alles schreit förmlich danach, dass es eine gute Zeit wird.
Aber kaum ist der Urlaub da, fliegen in vielen Familien auch schon die Fetzen. Geschwister streiten sich wegen Kleinigkeiten, Eltern diskutieren über Tagespläne, alle sind irgendwie genervt und das erhoffte Urlaubsidyll verwandelt sich in eine Dauer-Zankerei. Warum ist das so? Und was kannst du tun, damit aus euren Ferien wieder echte Erholung wird?
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Wenn Erwartungen zu groß werden
Urlaub bedeutet für viele Familien, endlich Zeit für all das zu haben, was im Alltag zu kurz kommt. Gemeinsam spielen, neue Orte entdecken, zur Ruhe kommen, schöne Erinnerungen schaffen. Eltern wünschen sich Harmonie und glückliche Kinder. Kinder erwarten Abenteuer und viel Bespaßung. Das sind ziemlich viele und hohe Erwartungen an das bisschen freie Zeit. Und wenn dann auch noch alle eng aufeinander hocken, sei es im Ferienhaus, im Hotelzimmer oder im Zelt, kann es schnell knallen.
Ein zentraler Punkt ist also, dass alle ihre Erwartungen an die Ferien klären, am besten bevor man die Koffer und alle ins Auto packt. Was wünscht sich jede*r Einzelne? Wie viel Ruhe, wie viel Action, wie viel Zeit miteinander und wie viel Freiraum braucht jedes Familienmitglied?
Eine ehrliche Runde am Küchentisch vor dem Urlaub kann Wunder wirken. Auch kleinere Kinder können oft sehr klar sagen, was ihnen wichtig ist. Und manchmal reicht es schon, wenn man ein Mitspracherecht bekommt und nicht einfach ins Programm der Eltern hineingepresst wird.
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Ferienzeit ist Familienzeit, aber bitte nicht nur
Es klingt vielleicht paradox, aber gerade in der gemeinsamen Urlaubszeit ist es wichtig, sich auch mal aus dem Weg gehen zu können. Dauerbespaßung auf engem Raum überfordert nicht nur introvertierte Familienmitglieder. Auch Kinder brauchen, je nach Alter, ihre eigenen Rückzugsorte, Freundschaften und Interessen. Wer also glaubt, im Urlaub müsse man jede Minute gemeinsam verbringen, sorgt ungewollt für Frust.
Plant deshalb bewusst Zeiten ein, in denen sich alle frei entfalten können. Vielleicht zieht sich der 15-Jährige lieber mit einem Buch an den Strand zurück, während die kleine Schwester ausgiebig im Wasser spielt. Vielleicht wollen Mama und Papa mal ohne Kinder joggen gehen oder morgens in Ruhe einen Kaffee trinken. Wer sich auch im Urlaub kleine Inseln schafft, in denen jede*r für sich sein darf, hat danach wieder mehr Kraft für das Miteinander.
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Man darf auch im Urlaub streiten
Konflikte sind ein natürlicher Teil von Beziehungen. Deshalb ist es auch nicht entscheidend, dass gestritten wird, sondern wie.
Wenn du merkst, dass sich etwas zusammenbraut, hilft es, kurz innezuhalten und sich zu fragen, was genau das eigentliche Problem ist? Geht es wirklich um die kaputte Sandburg oder steckt dahinter vielleicht Müdigkeit oder Hunger? Kinder (und auch wir Erwachsenen) reagieren in ungewohnten Situationen oft sensibler, weil die gewohnte Struktur fehlt. Die Stimmung kippt dann schneller, besonders, wenn der Tagesrhythmus durcheinander ist oder der Blutzuckerspiegel im Keller.
Hilfreich können deshalb auch im Urlaub Rituale sein, wie feste Essenszeiten und ausreichend Pausen. Und wenn es trotzdem kracht, versuche, deeskalierend zu reagieren. Ein „Ich sehe, dass du gerade richtig wütend bist“ kann mehr bewirken als ein „Jetzt hör auf zu schreien!“.
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Kompromisse lösen Spannungen
Ein häufiger Auslöser für Streit im Urlaub sind die ganz unterschiedlichen Vorstellungen davon, was ’schöne Ferien‘ bedeuten. Während du vielleicht endlich mal im Liegestuhl entspannen willst, verlangt das Kind nach Action, Eis und Animation. Oder du möchtest alle zwei Tage einen Ausflug machen, während dein Teenager am liebsten den ganzen Tag chillt.
Hier helfen nur Kompromisse. Vielleicht macht ihr eine Wunschliste, auf der jedes Familienmitglied seine Top-3-Aktivitäten notiert. Dann kann man gemeinsam schauen, wie sich diese möglichst fair in den Urlaub integrieren lassen. Wer immer nur mitgeschleift wird, hat nämlich schnell keine Lust mehr.
Auch hilfreich kann ein Rollentausch sein. Lass die Kinder mal einen Tagesplan gestalten, mit Budget, Essensidee und allem drum und dran. Das sorgt für Selbstwirksamkeit und einen Perspektivwechsel. Und es kann sehr entlastend sein, wenn nicht immer alles an dir als Elternteil hängt.
Habt Nachsicht mit euch
Nicht jeder Tag im Urlaub muss ein Highlight sein. Nicht jedes Familienmitglied muss rund um die Uhr gut gelaunt sein. Und nicht jeder Streit ist ein Drama. Wenn wir aufhören, den perfekten Familienurlaub inszenieren zu wollen, entsteht Raum für echte Nähe, ehrliche Gespräche und auch für überraschend schöne Momente, die sich ganz ohne Plan einstellen.
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Mit etwas Vorbereitung, realistischen Erwartungen und viel gegenseitigem Verständnis kann aus einem potenziellen Pulverfass eine richtig gute gemeinsame Zeit werden, voller kleiner Abenteuer, echter Entspannung und vielen Momenten, die ihr mit nach Hause nehmt.
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