So langsam neigt sich das Schuljahr hier in NRW dem Ende entgegen. Die letzten Klausuren werden geschrieben und man merkt, die Luft ist raus bei den Kids. Und ehrlicherweise auch bei uns Eltern. Was noch fehlt, ist das Endjahreszeugnis.
Bei vielen Schüler*innen sind die Zeugnisnoten kein Problem, die Versetzung sicher. Andere müssen aber noch zittern. Hoffentlich nur vor den Noten, nicht aber vor der Reaktion ihrer Eltern. DENN: Kein Zeugnis der Welt sagt wirklich, wer unsere Kinder sind oder wer sie einmal sein werden.
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Was sagen Noten eigentlich aus? Und was nicht?
Noten können eine grobe Orientierung über Stärken und Schwächen geben. Eine Eins in Mathe zeigt, dass ein Kind den Stoff verstanden hat und die Aufgaben gut lösen kann, unter genau den Bedingungen, die in der Schule gelten.
Ein Mangelhaft, also die Note 5, beispielsweise in Englisch, bedeutet aber auch erstmal nur: Hier gibt es Lücken. Mehr auch nicht. Keine Note verrät, ob ein Kind auf dem Pausenhof gerade der beste Streitschlichter ist. Ob es zu Hause die kleine Schwester tröstet, wenn die Welt mal wieder gemein ist. Ob es sich stundenlang in ein Thema reinfuchst, das es wirklich interessiert.
Und das ist kein romantisches Gerede, sondern Fakt: Die Bildungsforschung ist sich seit Jahren einig, dass Noten nur einen Teil der Leistungen und Potenziale eines Kindes abbilden. Vieles bleibt unsichtbar, wie Kreativität, soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz. Das alles lässt sich schlecht in Zahlen pressen. Und genau das sollten wir nicht vergessen, wenn wir demnächst ein Zeugnis in der Hand halten.
Was bedeuten schlechte Noten für die Zukunft?
Oft hört man, dass ohne gute Noten keine gute Ausbildung, ohne gute Ausbildung kein guter Job und ohne guten Job kein gutes Leben möglich seien. Aber stimmt das?
Nur zum Teil. Klar, bestimmte Abschlüsse oder Ausbildungswege verlangen bestimmte Leistungen. Und ja, es gibt Situationen, da öffnen gute Noten Türen schneller. Aber langfristig zählt weit mehr: Motivation, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Lernbereitschaft. Eigenschaften, die Arbeitgeber heute bei Berufseinsteiger*innen immer höher bewerten, als perfekte Schulnoten.
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Dazu kommt: Kinder entwickeln sich nicht linear. Manche kommen später in Fahrt. Andere blühen nach der Schulzeit erst richtig auf. Viele finden erst nach der Schule heraus, was sie wirklich wollen. Und oft brauchen sie dazu ein paar Umwege, mit Noten, die nicht makellos sind.
Was wirklich zählt: Der Blick hinter die Note
Statt panisch die Fünf in Mathe zu bejammern, sollten wir unsere Kinder fragen: Was steckt dahinter? Hat das Kind den Stoff nicht verstanden, oder hatte es einfach keinen Kopf dafür, weil es mit ganz anderen Dingen kämpft? Gab es Probleme in der Klasse? Stress mit der Lehrkraft? Ist der Unterrichtsstil unpassend?
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Nicht selten liegt das „schlechte“ Ergebnis gar nicht am mangelnden Können. Lernblockaden, Ängste, Druck, all das kann den Notenschnitt in den Keller ziehen. Manchmal braucht es dann Nachhilfe. Manchmal reicht es, das Fach aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Und manchmal ist es einfach nicht so wichtig, ob dein Kind den Satz des Pythagoras auswendig aufsagen kann. Dafür glänzt es vielleicht im Kunstunterricht, beim Gitarrespielen oder beim Programmieren.
Wie du dein Kind in der Zeugniszeit wirklich unterstützt
Die meisten Kinder wissen ziemlich genau, wo sie stehen. Wer mit einer Vier nach Hause kommt, ist oft selbst enttäuscht und braucht nicht noch einen Vortrag von Mama oder Papa. Deshalb ist es so wichtig, dass Kinder spüren: Zuhause wird niemand nach Zahlen bewertet.
Ein paar Fragen, die einem Kind dabei helfen können, über die eine oder andere Note nachzudenken, ohne dass man sie bewertet:
- Was lief gut dieses Jahr?
- Wo hattest du Spaß am Lernen?
- Was war schwer und warum?
- Was wünschst du dir für das nächste Schuljahr?
Statt die Aufmerksamkeit auf jede Zensur zu lenken, lohnt es sich, Stärken in den Blick zu nehmen. Vielleicht schreibt dein Kind keine Aufsätze, die Goethe neidisch machen würden, kann aber großartig Geschichten erzählen. Vielleicht hapert es in Mathe, dafür macht deinem Kind im handwerklichen Bereich keiner etwas vor. Genau da liegt oft die Zukunft.
Was kann man tun, wenn das Kind Angst vor schlechten Noten hat?
Viele Kinder leiden mehr unter der Angst vor unserer Reaktion als unter der schlechten Note selbst. Das kenne ich nur zu gut aus meiner eigenen Schulzeit: Der Druck entsteht oft nicht in der Schule, sondern daheim.
Als Mama habe ich deshalb gelernt, lieber einmal tief durchzuatmen, bevor man lospoltert. Schimpfen bringt gar nichts, außer (noch mehr) Angst vor der nächsten Note oder dem nächsten Zeugnis.
Wenn du merkst, dein Kind zieht sich zurück oder weicht dem Thema aus, hilft oft ein klarer Satz: „Wir finden gemeinsam eine Lösung. Du bist mehr als deine Noten.“ Und dann: Hilfe anbieten, wenn nötig. Vielleicht mit Nachhilfe. Vielleicht mit einem anderen Lernweg. Und manchmal auch mit einem Gespräch mit der Lehrkraft.
Am Ende zählt nicht die Zahl auf dem Papier. Entscheidend ist, dass unsere Kinder lernen, wie man mit Herausforderungen umgeht. Dass Fehler normal sind. Dass man auch mit Rückschlägen weiterkommt. Und dass Lernen nicht aufhört, nur weil die Schule vorbei ist.
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