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Lob, Belohnung oder gar nichts? Wie erkennt man Zeugnisse richtig an?

Mädchen sitzt mit ihren Eltern auf der Couch im Wohnzimmer und alle schauen sich zufrieden das Zeugnis des Kindes an.
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Vorab im Video: So sollten Eltern auf ein schlechtes Zeugnis reagieren, laut Experte

Erfahre, wie du die Noten deines Kindes richtig anerkennst, mit pädagogischen Tipps für entspannte Zeugnisgespräche.

Klatschen wir Beifall, winkt eine Belohnung oder entscheiden wir uns weder für das eine noch das andere, wenn unsere Kinder uns ihre Endjahreszeugnisse zeigen? Ich bin Mutter von zwei Schulkindern und habe die letzten Jahre die sehr guten Zeugnisse, die durchwachsenen und die, die man am liebsten in der hintersten Schublade vergraben möchte gesehen. Und immer stellt sich mir dieselbe Frage: Wie reagiere ich richtig?

Ein Zeugnis ist kein Urteil und du bist kein*e Richter*in

Bevor wir darüber reden, ob es Lob, Geld oder einen Ausflug geben sollte, lass uns erstmal klären, was ein Zeugnis überhaupt ist: Es ist eine Momentaufnahme. Es erzählt etwas darüber, wie ein Kind in einem bestimmten Zeitraum in einem bestimmten System funktioniert hat. Mehr nicht. Es sagt nichts darüber aus, wie fleißig, kreativ, empathisch oder lustig dein Kind ist.

Viele Kinder spüren trotzdem enormen Druck. Laut einer Studie der DAK-Gesundheit empfinden etwa 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland Schulstress als sehr belastend. Das gilt insbesondere in der Zeugniszeit. Angst vor schlechten Noten, Angst vor Ärger, Angst vor Liebesentzug. Ja, das gibt es immer noch. Selbst dann, wenn du nie sowas gesagt hast wie, „Wenn du eine Fünf nach Hause bringst, gibt’s Ärger!“. Kinder ziehen ihre eigenen Schlüsse.

Lob tut gut, aber bitte richtig

Grundsätzlich gilt, dass wir unsere Kinder natürlich loben sollten. Schließlich brauchen Kinder Anerkennung. Aber Achtung: Loben ist eine Kunst. Und nicht jedes Lob kommt an, wie wir es meinen.

Lies dazu auch: Mädchen erziehen: Warum Lob in bestimmten Situationen schädlich sein kann

Der Psychologe Alfie Kohn, bekannt für seine kritische Haltung zu Belohnungssystemen, betont: Lob kann schnell zur versteckten Manipulation werden, wenn es nicht wirklich wertschätzend gemeint ist, sondern ein Verhalten steuern soll. Ein Satz wie „Toll gemacht!“ ist schön, aber noch schöner wäre: „Ich habe gesehen, wie sehr du dich in Mathe reingehängt hast, auch wenn es dir schwerfiel. Darauf kannst du stolz sein.“

Lob soll also konkret sein, auf den Einsatz zielen und nicht nur aufs Ergebnis. Sonst lernen Kinder: Ich bin nur gut, wenn ich gut liefere. Das macht sie unsicher und killt oft die eigene Motivation.

Sind Belohnungen Motivation oder doch eine Mogelpackung?

Und was ist mit Geld, Gutscheinen, Handys? Es klingt verlockend nach Motivation, macht aber vor allem eines: extrinsisch (von außen) abhängig. Studien zeigen, dass Kinder, die für Leistungen regelmäßig Belohnungen erhalten, oft weniger intrinsisch (von innen) motiviert sind. Sie lernen nicht, dass Lernen an sich wichtig ist, sondern dass man es für etwas tut.

Lesetipp dazu: Warum du dein Kind nicht mit Geld belohnen solltest

Ich kenne das Dilemma nur zu gut. Ein Teil von mir denkt auch: „Mensch, für so ein Hammer-Zeugnis kann man doch mal was springen lassen!“ Aber was passiert, wenn das Kind sich im nächsten Jahr abstrampelt und es trotzdem nicht reicht? Dann bleibt die Belohnung aus und beim Kind macht sich Enttäuschung und Frust breit und der Schuldruck ist vorprogrammiert.

Viele Pädagoginnen und Pädagogen raten deshalb: Wenn du etwas schenken willst, dann nicht als Belohnung für gute Noten. Sondern für das absolvierte Schuljahr mit allen Höhen und Tiefen und für den Start in die Ferien.

Und schlechte Noten?

Was, wenn das Zeugnis gar nicht glänzt? Das ist bei den meisten Kindern irgendwann mal der Fall. Aber ein schlechtes Zeugnis ist kein Grund, sauer auf das Kind zu sein, mit ihm zu schimpfen oder von der großen Enttäuschung zu sprechen. Enttäuscht ist es in der Regel nämlich selbst von sich.

Was dann helfen kann, ist, ihm Fragen zu stellen: „Wie fühlst du dich mit den Noten?“, „Was denkst du, woran lag’s?“ Und dann muss man als Eltern eigentlich nur zuhören. Vielleicht steckt mehr hinter der schlechten Leistung. Probleme mit Lehrkräften, Mobbing, Überforderung, fehlende Motivation. Vieles davon kannst du nur mit deinem Kind lösen, wenn es merkt, dass du auf seiner Seite stehst.

Und ja, manchmal gehört auch dazu, ehrlich über Konsequenzen zu reden, aber nicht als Strafe, sondern als Hilfe. Nachhilfe, Lernplan, Struktur. Klarheit statt Strafpredigt.

Warum manchmal „gar nichts“ die beste Anerkennung ist

Jetzt kommt der Teil, der vielen Eltern (ich rechne mich hier dazu) schwerfällt: Man muss nicht immer reagieren. Ein Zeugnis ist nicht der Oscar für das beste Kind. Manche Kinder wollen gar keine große Sache daraus machen. Dann sollte man es auch nicht aufblasen. Ein „Danke, dass du mir dein Zeugnis gezeigt hast“ reicht manchmal völlig.

Manche Pädagog*innen sprechen sogar davon, dass Kinder, die sehr perfektionistisch sind, lernen müssen, dass Noten nicht alles sind. Ein neutraler Umgang kann ihnen dabei helfen.

Mein persönliches Fazit: Feiert die Mühe, nicht die Zahlen

In meiner Familie gibt’s keine festen Belohnungen für Zeugnisse oder Noten. Aber wir feiern kleine und große Erfolge: den Mut, ein (extra) Referat zu halten, um die Note noch zu verbessern, den Versuch, sich in einem ungeliebten Fach zu verbessern, die Ausdauer beim Lernen. Wir gehen Eis essen, weil die Sommerferien anfangen, nicht, weil eine Eins in Englisch auf dem Zeugnis steht.

Zeugnisse sind wichtig, klar. Aber wichtiger ist, dass unsere Kinder wissen: Sie sind nicht ihre Noten. Sie sind viel mehr. Und genau das sollten sie an diesem Tag spüren.

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