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Frauen in Führungspositionen: Immer noch die Ausnahme?

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Auch im Jahr 2023 zeigt sich: Frauen sind den Männern gegenüber unterlegen, wenn es um Führungspositionen geht. Doch warum ist das so und wie können wir das ändern?

Inhaltsverzeichnis

Frauen in Führungspositionen sind leider nach wie unterrepräsentiert. Nicht nur in den Vorständen, sondern auch im mittleren und höheren Management ist der Frauenanteil in Deutschland noch stark ausbaufähig.

Immerhin gibt es für große Unternehmen eine Geschlechterquote. Sie besagt, dass 30 Prozent der Aufsichtsräte mit Frauen besetzt werden müssen und gilt für 108 börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen. Weitere 3.500 Unternehmen sind verpflichtet, sich eine beliebige Zielvorgabe zu setzen.

Frauen in Führungspositionen: Statistik

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern befindet sich Deutschland im unteren Drittel, wenn es um die Anzahl der Frauen in Führungsetagen geht. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2021. Obwohl 46,1 Prozent aller Erwerbstätigen in der EU Frauen sind, ist nur jede dritte Führungskraft weiblich (34,7 Prozent). Schlusslicht der Studie ist Zypern mit knapp 21 Prozent Frauenanteil.

Allerdings zeigt sich im Vergleich zu den vorherigen Jahren ein langsamer, aber stetiger Wandel, wenn man einen Blick auf die 160 börsennotierten Unternehmen wirft: Dieser liegt im Jahr 2022 laut dem Mixed-Leadership Barometer von EY auf einem neuen Höchststand von 15,5 Prozent. 2018 waren es gerade mal 7,9 Prozent. Im MDax ist der Frauenanteil auf 11,1 Prozent und im SDax auf 12,4 Prozent gestiegen.

Dennoch ist der Anteil weiblicher CEOs weltweit ziemlich ernüchternd: Lediglich drei Prozent der 500 größten Unternehmen im internationalen Vergleich haben eine Frau als Geschäftsführerin.

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Warum sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert?

Es gibt mehrere Gründe für die Unterrepräsentation der Frau in Führungspositionen: Zum einen beeinflussen die historischen Strukturen, insbesondere das Rollenbild von Mann und Frau, das Arbeitsklima in Unternehmen und das gesellschaftliche Miteinander. Zum anderen müssen sich viele Frauen zwischen Familie und Beruf entscheiden – während Männer mit ca. 30 Jahren einen Karriereaufstieg anvisieren, ist es für Frauen aufwendiger, ihre Karriereziele zu erreichen.

Rollenverteilung der Geschlechter

Der Handlungsspielraum für Frauen ist oft nicht groß genug, besonders wenn es um die Flexibilität von Führungskräften geht. Zudem bringen Mutterschutz und Elternzeit extremen personellen und finanziellen Aufwand mit sich. Viele Unternehmen wählen daher eher den leichteren Weg und versichern sich mit einer männlichen Führungskraft.

Auch ein erfolgreicher Führungsstil wird Frauen oft abgesprochen, da sie zu vorsichtigerem Verhalten neigen und sich eher sozial orientieren. Viele Menschen sind nach wie vor der Meinung, Führungskräfte müssen stark, selbstbewusst und autoritär sein. Diese Charaktereigenschaften werden jedoch hauptsächlich Männern zugeschrieben, was Frauen den Weg in Führungspositionen häufig erschwert.

Qualifizierung der Geschlechter

Zudem beklagen Unternehmen, dass es keine qualifizierten Bewerberinnen gibt oder die Frauen schlichtweg nicht erfahren genug gegenüber ihren männlichen Konkurrenten sind. Das ist allerdings Quatsch: Der Anteil von Frauen mit Hochschulabschluss liegt laut Statistischem Bundesamt mit 52,9 % sogar über dem Anteil der Männer.

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung schaffen es viele Frauen beim Aufstieg nicht über die mittlere Management-Ebene hinaus – auch wenn sie vergleichbare Leistungen erbringen und genauso erfahren sind wie ihre Kollegen. Der Credit geht nach wie vor an die Männerwelt. Ann Morrison bezeichnet diesen Prozess als „Gläserne Decke“. Er ist auch heutzutage noch weit verbreitet.

Auch die Gender-Pay-Gap ist häufig ein Grund für den mangelnden Anteil an Frauen in Führungspositionen: Laut einer Statistik aus dem Jahr 2022, verdienen Männer immer noch 18 Prozent mehr Geld als Frauen. Das Erreichen von Gleichstellung ist demnach auch im finanziellen Sinne noch stark eingeschränkt.

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Jetzt reinhören: Unternehmerin Tijen Onaran spricht bei „Echt & Unzensiert“, dem Podcast von gofeminin, mit Host Tino Amaral über die Themen Gleichstellung, Frauenquote und Diversity – verständlich und super sympathisch.

Frauen in Führungspositionen: Vorteile und Anreize für Unternehmen

Eine Studie des RKW Kompetenzzentrums zeigt, dass Frauen als Führungskräfte viel Potenzial mit sich bringen:

Qualifizierte, leistungsorientierte Frauen, die die Karriere im Blick haben, können das Unternehmen bereichern und zum Fortschritt in Hinblick auf die Digitalisierung beitragen. Außerdem prägt eine ausgeglichene Aufstellung von Männern und Frauen die Diversität im Unternehmen. Und: Mehr Repräsentation in der Wirtschaft wirkt sich auch positiv auf das eigene Image aus.

Zudem kann eine Meinungsvielfalt entstehen, die Mitarbeiter und Führungskräfte einzelne Prozesse aus einem anderen Blickwinkel betrachten lässt. Durch Eigenschaften wie die soziale Orientierung können Frauen zur Teambildung beitragen und somit aktiv das Arbeitsklima verbessern und die Zufriedenheit im Unternehmen stärken.

Oft sind Unternehmen, die eine Geschlechtervielfalt in Führungspositionen aufweisen, auch gleichzeitig erfolgreicher. Spätestens, wenn Frauen unter ihnen sind, müssen Führungskräfte gemeinsam Möglichkeiten erarbeiten und männerdominierte Positionen überdenken.

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Andere Länder machen es vor

Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes ist Lettland Spitzenreiter innerhalb der EU – und zwar mit 45,9 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen. Erstaunlich ist, dass Lettland diesen Wert ohne Frauenquote erreichen konnte. Viele Lettinnen sehen den Grund dafür in der Vergangenheit: Die sowjetische Ideologie ebnete den Weg Richtung Gleichberechtigung, aber auch das Erreichen der Unabhängigkeit im Jahr 1991 soll dazu beigetragen haben.

Auch Schweden ist seinen eigenen Weg gegangen, wie es aus einem Bericht des Wirtschafts- und Sozialwirtschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht: Die Regierung hatte keine gesetzliche Frauenquote festgelegt. Dennoch wurde damit gedroht, diese im Ernstfall einzuführen. Die Wirkung der angedrohten Maßnahmen kann sich sehen lassen: Schweden verzeichnet einen Frauenanteil in Führungspositionen mit 43 Prozent und teilt sich innerhalb der EU den Platz mit Polen.

Jedoch ist der Erfolg durch das Modell der Selbstregulierung „im Schatten der Hierarchie“, wie es in Schweden der Fall ist, in europäischen Ländern eher die Ausnahme. Dennoch scheint das Konzept funktioniert zu haben.

Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Obwohl Deutschland mit dem Image eines der wirtschaftsstärksten Länder innerhalb der EU prahlt, scheint es hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter zu hinken. Frauen sind nach wie vor die Ausnahme in Führungspositionen. Wie kommen Lettland und Co. also zu dieser starken Frauenquote?

Marion Festing, Professorin an der ESCP Business School Berlin, erklärt, dass manchmal kleine Veränderungen schon zu großer Wirkung verhelfen können: „In den skandinavischen Ländern ist es üblich, dass man pünktlich nach Hause geht. Das ist auch hilfreich für die Gleichberechtigung, denn wenn man Überstunden belohnt, dann haben die abholenden Elternteile – und damit häufig die Frauen – an der Stelle einen strukturellen Nachteil“.

Ein Artikel der Hans-Böckler-Stiftung verweist zudem darauf hin, dass schwedische Arbeitnehmerinnen mit Kindern zwischen 13 und 18 Jahren wieder genauso lange wie Beschäftigte ohne Kinder arbeiten. Für deutsche Frauen hingegen bleibt dies eine Wunschvorstellung: Die Arbeitszeit der Frauen mit Kindern bleibt, nachdem der Nachwuchs aus dem Haus ist, beinahe gleich. Nur vereinzelt kommt es zu einem Anstieg der Arbeitszeiten.

Auch in puncto Hausarbeit wird Richtung Gleichstellung gelebt: schwedische Männer arbeiten in der Familienphase rund 18,1 Stunden pro Woche im Haushalt – die Frauen bringen es auf 23,8 Stunden.
Der deutsche Durchschnittsvater hingegen verbringt lediglich 13,1 Stunden mit Hausarbeit und überlässt der Durchschnittsmutter mit 33,1 Stunden pro Woche die Arbeit.

Gegenüber der Familie sollten also weitere Möglichkeiten geschaffen werden, die Arbeit gerecht aufzuteilen, sodass beide Parteien davon profitieren. Zudem wäre es sicherlich hilfreich, bereits den Kindern ein gutes Vorbild in Sachen Haushalt zu sein: Damit würden sich sowohl Mädchen als auch Jungen nicht länger hinter Geschlechterrollen verstecken.

Bekannte Frauen in Führungspositionen

Ganz klar nach dem Motto „Women Empowerment“ kürt das Manager Magazin jedes Jahr die 100 einflussreichsten Frauen der Wirtschaft. Die Liste ist kein Ranking, jedoch wird eine Frau immer explizit hervorgehoben und vorgestellt. Im Jahr 2021 war es Martina Merz, Vorsitzende im Vorstand von Thyssenkrupp. Zuvor war sie Managerin bei Bosch und ist seit 2019 für das Essener Unternehmen tätig.

Auch Özlem Türeci hat es als medizinischer Vorstand von BionTech bereits auf die Liste geschafft. Die Ärztin, Wissenschaftlerin und Krebsforscherin hat gemeinsam mit ihrem Mann Uğur Şahin im Jahr 2008 das Unternehmen gegründet. Ausgerechnet die Corona-Pandemie im Jahr 2020 hatte das Paar zu großem Erfolg geführt: Sie entwickelten mit einem starken Team aus 1.800 Mitarbeiter*innen einen mRNA-basierten Impfstoff gegen COVID-19.

Als internationale Pionierin gilt die US-amerikanische Managerin Mary Barra: Die gelernte Elektrotechnikerin sorgte weltweit für Aufsehen als sie 2014 CEO von General Motors, dem bis 2007 größten Autobauer der Welt, geworden ist.

Zeit zum Handeln

Die Politik kann im Beispiel der Frauenquote Gesetze erlassen, die es Frauen ermöglicht, in Führungspositionen oder in einem Vorstand tätig zu sein. Aber damit ist es nicht getan: Denn auch gesamtgesellschaftlich muss ein Umdenken stattfinden, sodass junge Mädchen und Frauen die Möglichkeiten haben, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Richtlinien der weltweit bekannten Organisationen UN-Women und UN Global Compact, können dabei helfen: Gemeinsam haben sie die sogenannten „Women’s Empowerment Principles“ erstellt, die Frauen in Unternehmen stärken können. Dazu zählen:

1. Die Etablierung einer gleichstellungsfreundlichen Führungskultur
2. Die gleiche Behandlung von Männern und Frauen in einem Unternehmen sowie die Achtung und Förderung der Menschenrechte
3. Die Gewährleistung und Stärkung von Gesundheit, Sicherheit und Wohlergehen aller Arbeitnehmer*innen
4. Die Förderung von Bildung, Ausbildung und der beruflichen Entwicklung von Frauen, sowie die Bereitstellung der dazugehörigen Informationen
5. Die Förderung des Unternehmertums von Frauen und die Stärkung ihrer Rolle
6. Die Förderung zur Gleichstellung mithilfe von gemeinschaftlichen Initiativen und Lobbyarbeit
7. Die Veröffentlichung von messbaren Kennzahlen und Informationen über den Fortschritt

Natürlich ist mit diesen sieben Schritten noch lange keine „Gender Pay Gap“ geschlossen oder die Gleichstellung erreicht – dennoch können die Richtlinien dazu dienen, Frauen zu stärken und zu fördern. Zudem gibt es die Möglichkeit, Mitglied einer Initiative oder eines Fördervereins zu werden. Beispiele dafür wären Frauen in Führung oder FiDar. Vereine wie diese können nicht nur einen Mehrwert für das eigene Unternehmen bringen, sondern auch potenzielle Bewerber*innen anziehen.

Ein kleiner Beitrag kann manchmal schon ein großer Schritt Richtung Gleichstellung sein.