Heute knistert die Luft ein bisschen bei uns zu Hause, denn endlich ist er da, der Beginn der sechswöchigen Sommerferien. Und den haben wir uns sowas von verdient. Denn die letzten Wochen waren wirklich hart: Klausuren in allen Hauptfächern und Tests in den Nebenfächern und dazu jede Menge Schul-Veranstaltungen und -Termine. Das hat an den Nerven der ganzen Familie gezerrt.
Warum die jetzt vor uns liegenden Sommerferien also nicht nur Luxus sind, sondern eine pädagogisch sinnvolle, dringend nötige Verschnaufpause!
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Warum sind Kinder am Schuljahresende so erschöpft?
Die meisten Kinder ‚arbeiten‘ heute fast so viel wie Erwachsene. Das klingt übertrieben? Dann schauen wir uns das mal nüchtern an: Ein durchschnittlicher Schultag dauert bis ca. 13/ 14 Uhr, ohne Betreuung, Hausaufgaben oder Nachmittags-AGs. In Ganztagsschulen sitzen viele Kinder sogar bis 16 Uhr im Klassenzimmer. Für Arbeiten und Tests muss danach gelernt werden. Im Unterricht selbst müssen sie auch aktiv sein. Nur zuhören reicht nicht. Kinder müssen also permanent Leistung bringen, geistig, sozial und emotional.
Und natürlich gibt es im Verlauf eines ganzen Schuljahres immer wieder Pausen in Form von kürzeren Ferien und verlängerten Wochenenden. Aber die grundsätzliche Anspannung für Schülerinnen und Schüler bleibt bestehen. Denn die meisten Kinder wissen ziemlich genau, dass ihre Noten (für das nächste Zeugnis) zählen.
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Am Schuljahresende ist der Tank bei vielen schlicht leer. Und wer könnte es ihnen verübeln? Wir Erwachsenen träumen doch auch spätestens ab Juli vom Urlaub. Kinder brauchen diese Pause aber noch dringender.
Warum Ferien keine „verlorene Lernzeit“ sind
„Die Ferien sind viel zu lang, die Kinder verlernen doch alles wieder!“, hört man hin und wieder von Älteren (die scheinbar ihre Kindheit und Jugend verdrängt haben). Aber keine Sorge. Das tun sie nicht oder wenigstens nicht dauerhaft. Denn das Gehirn ist keine Schublade, die bei zu langem Nichtbenutzen einrostet. Pausen sind ein elementarer Teil von Lernen.
Wer versucht, permanent Leistung abzurufen, speichert Wissen viel schlechter ab. Echtes Lernen passiert nicht im Stress, sondern im entspannten Zustand. Deshalb helfen Ferien, Erlebtes zu sortieren, Gelerntes zu festigen und ganz nebenbei auch noch Kraft für Neues zu tanken.
Und mal ehrlich: Viele Kinder lernen in den Ferien Dinge, die keine Schule der Welt auf dem Lehrplan hat. Wie man einen Streit mit der besten Freundin klärt. Wie man mit Oma einen Kirschkuchen backt, ohne die Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln oder wie man sich langweilt, bis einem von ganz allein eine gute Idee kommt.
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Warum auch wir Eltern dringend abschalten sollten
Ein ganzes Schuljahr bedeutet auch für uns Arbeit, wenn auch in anderer Form. Da wäre die Hilfe beim Vokabelabfragen, das morgendliche Pausenbrote schmieren, Elterngespräche führen, Vertretungslücken stopfen und Organisieren, Organisieren, Organisieren.
Viele Eltern gehen am letzten Schultag genauso auf dem Zahnfleisch wie ihre Kinder. Und trotzdem ertappen wir uns oft dabei, die Ferien mit Programmpunkten zu füllen: Ausflüge, Freizeitpark, Besuche bei Verwandten, so verbauen wir uns selbst die so dringend benötigte Pause.
Viel besser zum Start der Ferien wären ein paar Tage, an denen absolut nichts passiert. Ausschlafen. Eis essen. Streiten, weil man keinen Bock hat, ins Freibad zu gehen, und danach einfach doch ins Freibad fahren. Wenn Kinder spüren, dass auch wir runterfahren, tun sie es meistens ganz von allein.
So werden Ferien wirklich erholsam
Es braucht keinen wochenlangen Luxusurlaub, um Ruhe und Gelassenheit einziehen zu lassen. Viel wichtiger ist es, den Druck rauszunehmen. Kinder brauchen vor allem Zeit zum Spielen, Träumen und Herumlungern.
Ein paar Tipps, die sich bei uns bewährt haben:
- Keine festen Zeiten für egal was. Ferien heißen auch, dass der Tag einfach dahinplätschern darf.
- Langeweile zulassen. Kinder finden schneller in fantasievolle Spiele, wenn ihnen mal richtig langweilig ist.
- Keine Angst vor Medien, aber bewusst dosieren. Ein verregneter Nachmittag mit einem Film (oder auch zweien) ist völlig okay.
- Realistische Erwartungen haben. Es wird auch in den Ferien Streit geben. Und ja, manchmal sind Kinder „unausstehlich“. Das gehört dazu (und für unsere Kinder sind wir vermutlich auch mal unsausstehlich).
Und was uns Eltern betrifft: Vielleicht gönnen wir uns selbst mal Ferien vom ‚gute Eltern sein‚. Muss der Ausflug wirklich stattfinden, wenn keiner Lust hat? Darf es nicht einfach mal ein ganzer Tag im Pyjama sein?
Ferien sind nicht nur eine Pause vom Schulstoff. Sie sind eine Verschnaufpause für die Seele. Eine Gelegenheit, neue Energie zu tanken. Also: Zeugnis angucken, Schultasche in die Ecke werfen und dann raus ins Leben. Die Schule läuft nicht weg. Die Ferien schon. Ach so, und denkt bitte an die Brotdosen, bevor die auch alleine weglaufen! 😬
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