Natalya Nepomnyashcha hat in ihrem Buch „Wir von unten“ aufgezeigt, was es in Deutschland für Veränderungen bräuchte, damit nicht Vitamin B über deine Zukunft entscheidet.
Was hat dir persönlich beim sozialen Aufstieg gefehlt – und wie versuchst du heute, genau diese Lücke für andere zu schließen?
Mir hat der Glaube an meine Fähigkeiten und Talente gefehlt. Sehr lange wurde mir von Lehrkräften und anderen Respektpersonen eingeredet, dass ich nicht gut genug bin – fürs Gymnasium, für ein Studium, für einen guten Job. Wenn man das als Kind ständig hört, sitzt das tief.
Mit Netzwerk Chancen helfen wir unseren Mitgliedern kostenfrei durch Coachings, Workshops und ein starkes Netzwerk, ihre Talente zu erkennen und an sich zu glauben.
Wie äußert sich soziale Ungleichheit in Deutschland heute – jenseits von statistischen Zahlen? Wo sehen wir sie im Alltag, aber reden nicht darüber?
An den Spitzen der deutschen Wirtschaft sind kaum soziale Aufsteiger*innen zu finden. Wir reden zurecht darüber, dass es fast nur Männer sind. Aber dass es vor allem Männer sind, die in sehr privilegierten Verhältnissen aufgewachsen sind, darüber redet kaum jemand.
Wie macht sich intersektionale Diskriminierung etwa für Frauen mit Armutserfahrung und Migrationshintergrund besonders stark bemerkbar?
Wenn der soziale Aufstieg für weiße Männer schon schwierig ist, dann ist er für Frauen mit Migrationshintergrund nochmal um einiges schwieriger zu erreichen. Denn zu den Auswirkungen der sozialen Herkunft (fehlendes Netzwerk, mangelndes Selbstbewusstsein, fehlende Informationen) kommen noch Rassismus und Sexismus hinzu.
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Wenn du eine Sache im deutschen Bildungssystem sofort ändern könntest, um Chancengerechtigkeit zu stärken – was wäre das?
Die Mehrgliedrigkeit abschaffen. Zahlreiche Studien zeigen, dass wir Kinder nicht aufgrund von Fähigkeiten, sondern anhand der sozialen Herkunft auf weiterführende Schulen verteilen. Was wir stattdessen brauchen, sind Gemeinschaftsschulen mit – ganz wichtig – individueller Förderung, sodass alle Kinder ihre Talente und Stärken entfalten können.
Viele sagen: „Leistung lohnt sich nicht mehr.“ Andere sagen: „Nicht jeder hat die gleichen Startbedingungen.“ Wie reagierst du auf solche Aussagen, die soziale Ungleichheit oft relativieren wollen?
Leistung lohnt sich oft, aber nicht immer. Denn nicht alle haben die gleichen Startbedingungen. Das Geburtslotto spielt in Deutschland nach wie vor eine große Rolle. Manche leisten und ackern und kommen trotzdem kaum voran.
Damit sich das ändert, müssen wir an unser Bildungssystem ran, aber auch Netzwerke öffnen und Einstellungskriterien hinterfragen: Braucht zum Beispiel wirklich jede*r Kommunikationsmanager*in einen Hochschulabschluss?
Was bedeutet Mut für dich persönlich?
Mut bedeutet für mich, auch mal Unbequemes auszusprechen und Veränderungen zu fordern. Sich auch unbeliebt zu machen oder mit einer komplett neuen Idee nach vorne zu gehen und in Kauf zu nehmen, dafür ggf. ausgelacht zu werden oder auf Widerstände zu stoßen. Und auch, ohne Sicherheitsnetz zu starten. Wer etwas wagt, der weiß, dass er oder sie tief fällt, wenn es nicht klappt, der oder die ist richtig mutig.
Dieser Artikel erschien zuerst bei EDITION F. Das Interview führte Yvonne Weiß, Leitung Cultural Affairs bei Funke.
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Superarm und Superreich: Wie wir soziale Ungleichheit überwinden können
Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Die Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft oder ökonomischem Status, beeinflusst entscheidend, wie Menschen Zugang zu Bildung, Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe erleben. Frauen sind weltweit überproportional von Armut betroffen und erleben die Auswirkungen sozialer Ungleichheit oft auf doppelte Weise. Wie können wir einen Raum schaffen, in dem sich alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft repräsentiert fühlen?
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