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Nicht nur „eine Phase“: Was es wirklich bedeutet bisexuell zu sein

Nicht nur "eine Phase": Was es wirklich bedeutet bisexuell zu sein
Nicht nur "eine Phase": Was es wirklich bedeutet bisexuell zu sein Credit: pexels.com

Es gibt viele Arten zu lieben. Eine davon ist es, bi zu sein. Leider wird Bisexualität immer noch oft als bloße Attitüde oder Phase abgetan. Was steckt wirklich dahinter?

Inhaltsverzeichnis

Nicht nur „eine Phase“: Was es wirklich bedeutet bisexuell zu sein

Schubladen mögen bei bestimmten Themen vielleicht hilfreich sein, beim Thema Bisexualität aber nicht. Denn es lässt sich nicht genau sagen, wo bisexuelle Orientierung anfängt und eine heterosexuelle oder homosexuelle aufhört. Ist es schon bi, wenn man als Frau in einer Beziehung mit einem Mann ist, aber vom Sex mit Frauen träumt? Oder muss man seine bisexuellen Träume zwingend ausleben, um bisexuell zu sein?

Die Kinsey-Skala

Wenn es um sexuelle Orientierung geht, gibt es eine recht hilfreiche Skala des US-amerikanischen Sexualforschers Alfred Charles Kinsey aus dem Jahr 1948. Diese reicht von Null bis Sechs, wobei Null für heterosexuell steht und Sechs für homosexuell. Die Stufen dazwischen sind für bisexuell.

Diese Skala mit den verschiedenen Zahlen ist ein recht gutes Bild, um sich Bisexualität vorzustellen: Denn sie fängt irgendwo an und hört irgendwo auf, sie hat verschiedene Ausprägungen und sie lässt sich eben nicht exakt definieren – zumindest nicht so klar wie die sexuellen Vorlieben einer lesbischen Frau oder eines heterosexuellen Mannes.

Bisexualität ist extrem vielfältig

Und so ist auch das Leben mit Bisexualität völlig unterschiedlich. Viele bisexuell orientierte Menschen leben ihre Bisexualität nicht zwingend aus. Für manche ist das Wissen darum, dass sie bi sind schon so allein ok und ausreichend.

In der Praxis leben sie jedoch in einer rein homo- oder heterosexuellen Beziehung. Andere leben phasenweise mit einem gleichgeschlechtlichen und phasenweise mit einem bzw. einer andersgeschlechtlichen Partnerin zusammen.

Wiederum andere Bisexuelle denken lange Zeit, sie seien homosexuell und sind dann völlig irritiert, wenn sie sich plötzlich auch zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen, wenn sich zum Beispiel eine lesbische Frau dabei ertappt, auch auf Männer zu stehen.

Im gofeminin Podcast „Echt & Unzensiert“: Bisexualität – Vorurteile und Diskriminierung

Bisexualität wird oft nicht ernst genommen

Dass man Bisexualität nie so ganz ernst nimmt, zeigen Sprüche wie: „Ein bisschen bi schadet nie“ und die Tatsache, dass sich immer wieder Stars und Sternchen als bi bezeichnen und sich küssend und händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen, und damit mediales Aufsehen erregen.

In manchen Bereichen wie in der Musik- und Filmindustrie ist es sicherlich auch schick, bisexuell zu sein. Das sorgt aber leider auch dafür, dass viele bisexuelle Menschen damit zu kämpfen haben, dass man ihnen unterstellt, sie würden sich nur interessant machen wollen. Was natürlich Quatsch ist. Denn welcher bisexuell liebende Mensch würde sich nur für reine Marketingzwecke als bisexuell outen? Schließlich wird Bisexualität nicht immer nur als wild und spannend angesehen, sondern oftmals auch als Unentschlossenheit oder als reine Phase, bis man sich dann eindeutig für eine Richtung, also hetero oder homosexuell, entschieden hat.

Mehr lesen: Noch Fragen? Was ihr über Homosexualität bei Frauen wissen solltet

Vorbehalte auch innerhalb der Community

Auch innerhalb der Community von Homosexuellen, Lesben und Transsexuellen haben es Bisexuelle nicht immer einfach, ernst genommen zu werden. Natürlich kämpfen alle gemeinsam gegen Schubladendenken und für das Recht zu lieben und zu leben wie man möchte, ohne diskriminiert zu werden.

Aber nicht selten wird Bisexualität innerhalb der Community auch als nichts Halbes und nichts Ganzes angesehen, so als halte man sich alle Möglichkeiten offen. Man nimmt ihnen schlichtweg nicht ab, dass sie wirklich bisexuell sind.

Die Wissenschaft ist sich uneins

Und es gibt tatsächlich auch Wissenschaftler, die sagen, man sei nur bisexuell, weil der gesellschaftliche Druck einen daran hindere, offen zu seiner Homosexualität zu stehen. So lasse man sich noch ein Hintertürchen offen, zum Beispiel, wenn ein Mann mit seiner Partnerin eine Familie gegründet hat, gleichzeitig aber auch mit Männern zusammen sein möchte. Hier unterstellt man Bisexuellen gerne, dass sie sich nicht trauen würden, sich klar als homosexuell zu outen.

In der Tat ist sich die Wissenschaft immer noch uneinig beim Thema Bisexualität. Einige Wissenschaftler sehen in der bisexuellen Liebe eben genau das: nur eine Phase, die man vor allem in jungen Jahren durchläuft, bevor man sich sexuell eindeutig orientiert hat. Andere wiederum sehen es in ihren Studien als erwiesen an, dass Bisexualität eine eigenständige sexuelle Ausrichtung ist und eben keine Übergangsphase.

Bisexuell ist nicht gleich polyamor

Auch in ihren Partnerschaften haben es bisexuelle Menschen nicht einfach. Denn die Vorliebe für beide Geschlechter sorgt natürlich auch für viel Verunsicherung. Kann sich der Partner nie ganz sicher sein, weil er immer denken muss, dass dem anderen etwas fehlt? Schließlich fühlt er sich ja von Frauen und Männern angezogen, und man kann nur eine Sehnsucht bedienen.

Dabei ist die Antwort klar: Bisexualität bedeutet ja nur, dass man sich mit beiden Geschlechtern mehr vorstellen kann, und nicht, dass man beide gleichzeitig ausleben muss und polyamor, also nicht monogam leben muss. Bisexuelle Menschen sind mit Sicherheit genauso treu oder untreu wie alle anderen auch.

Im Video: Darum ist Gay-Pride so wichtig!

Nicht nur „eine Phase“: Was es wirklich bedeutet bisexuell zu sein

Mehr lesen: Mann, Frau – egal: Was jeder von uns über Transgender wissen sollte

Hier noch einige informative Seiten:
Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität
TransInterQueer e.V.
gendertreff.de
The Kinsey Scale

Sind wir nicht alle ein bisschen bi?

Dazu sei noch einmal besagte Studie von Alfred Kinsey erwähnt: Von den 11.000 von Kinsey befragten Männern gaben 90 bis 95 Prozent an, bis zu einem gewissen Grad bisexuell zu sein, also z.B. beim Sex schon einmal von jemand Gleichgeschlechtlichem geträumt zu haben, ihn körperlich anziehend gefunden oder ihm körperlich näher gekommen zu sein.

Kinseys Schlussfolgerung daraus: Im Prinzip ist jeder von uns sowohl heterosexuell als auch homosexuell veranlagt. Der Großteil lebt eine Seite davon allerdings nicht aus. Eine Annahme die übrigens auch Sigmund Freud vertrat.

Eine aktuelle Umfrage von C-Date.de ergab andere Zahlen. So sagten lediglich fünf Prozent der Frauen und drei Prozent der Männer von sich, dass sie bisexuell seien. Sex mit dem anderen Geschlecht hatten immerhin zehn Prozent der Userinnen und acht Prozent der User. Mit gleichgeschlechtlichen Partnern geknutscht oder andere erotische Erfahrungen gemacht hatten schon ganze 25 Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer.

Egal ob man nun Freud, Kinsey oder aktuellen Umfragen Glauben schenken mag: Die Zahlen zeigen eins ganz klar: Wir sollten dringend aufhören, in Schubladen zu denken.