Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet es, demisexuell zu sein?
- Demisexuell: Zwischen Asexualität und Sexualität
- Demisexuelle Menschen: Weder frigide noch prüde
- Körperlichkeit: Ja, aber eben später
- Demisexuell: Dating ohne Kribbeln
- Erotik und Sex treten in den Hintergrund
- Selbsttest: Bin ich demisexuell?

Demisexualität asexualität
Sexualität hat viele Gesichter und Facetten. Und das ist gut so. Man darf heute freier entscheiden, wie und wen man liebt oder eben nicht.
Ob hetero, homosexuell oder bi, intersexuell oder transgender – die Sexualität ist so individuell wie der Mensch selbst. Neben den eher bekannten sexuellen Orientierungen gibt es auch Begriffe, die vielen noch neu sind. Dazu gehört auch die Demisexualität.
Was demisexuell bedeutet und warum viele Menschen gar nicht wissen, dass sie demisexuell sind, erklären wir euch hier.
Was bedeutet es, demisexuell zu sein?
Demi kommt aus dem Französischen und bedeutet „zur Hälfte“ (von frz. demi = halb). Demisexuell heißt also wörtlich übersetzt: zur Hälfte sexuell, zur anderen Hälfte asexuell.
Wer demisexuell ist, empfindet nicht grundsätzlich eine sexuelle Anziehung zu anderen Menschen. Nur, wenn die Person eine starke emotionale Bindung zu jemand anderem hat, verspürt sie den Wunsch, Sex zu haben.
Sex ohne Gefühle wie zum Beispiel One-Night-Stands mit Menschen, die man nicht kennt, ist für Demisexuelle also nicht vorstellbar. Sexualität außerhalb von engen, persönlichen Beziehungen beziehungsweise Bindungen ist für jemanden, der demisexuell ist schlichtweg nicht interessant. Und diese Sicht ist weder anerzogen noch bewusst auferlegt oder ein Defekt, sondern es ist einfach so.
Demisexuell: Zwischen Asexualität und Sexualität
Natürlich gibt es keine exakte „Mitte“ zwischen sexuell und asexuell. Deshalb fällt Demisexualität grundsätzlich ins Spektrum der Asexualität. Aber dieses Spektrum ist groß. Es gibt im Leben eben nicht nur Schwarz oder Weiß, asexuell oder sexuell, sondern es gibt auch viele Grauzonen dazwischen.
Für diesen Graubereich zwischen Asexualität und Sexualität gibt es übrigens etliche Bezeichnungen: gray-asexuell, gray-A, grace, grau-asexuell, semisexuell. Auch der Begriff A_sexualität wird gern genutzt. (Wer sich dafür interessiert: Es gibt eine übersichtliche Grafik über die verschiedenen Facetten sexueller Orientierung, die die US-amerikanische Huffington Post veröffentlicht hat.)
Wir müssen also aufhören, in Schemata zu denken, wenn es um sexuelle Beziehungen untereinander geht und uns daran gewöhnen, dass die gewohnten Begrifflichkeiten längst nicht immer die Realität abbilden.
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Demisexuelle Menschen: Weder frigide noch prüde
Es gibt sicherlich etliche Menschen, die schon ihr Leben lang demisexuell fühlen und agieren, aber bislang gar nicht wussten, dass es dafür einen Begriff gibt. Die vielleicht dachten, sie wären weniger triebhaft als andere, Spätzünder und sexuell desinteressiert.
Bei Demisexualität geht es aber nicht darum, dass jemand zurückhaltend, frigide oder prüde ist, oder dass man gar keine Lust auf Sex verspürt. Vielmehr verspürt man nur dann Lust auf körperliche Nähe, wenn eine tiefere Basis zum Gegenüber besteht. Und das geht sicherlich einigen Menschen so. Jemand, der demisexuell ist, kann also durchaus täglich Sex haben und Freude daran, aber eben nur, wenn er in einer emotionalen Bindung zu jemandem steht. Ist er Single kann er allerdings auch jahrelang ohne Sex auskommen, ohne das als Mangel zu empfinden.
Auch wichtig: Bei der Demisexualität geht es nicht darum, dass man sich für den Richtigen oder die Richtige aufspart, dass man sich in irgendeiner Weise sexuell enthält oder zum Beispiel keinen Sex vor der Ehe hat.
Demisexualität hat nichts mit Religion oder einer Überzeugung zu tun, sondern ist das ganz natürliche sexuelle Empfinden ohne äußerliche Zwänge.
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Körperlichkeit: Ja, aber eben später
Lernt man als demisexueller Mensch jemanden kennen, dann spielt also zunächst nicht die körperliche Anziehungskraft eine Rolle, sondern eher Dinge wie gemeinsame Interessen, Verständnis, Humor – wie jemand tickt eben. Natürlich achten auch andere Menschen auf das komplette Paket, wenn sie jemanden kennenlernen. Aber oft verspüren wir dann auch schon eine körperliche Anziehungskraft zu unserem Gegenüber, fühlen uns hingezogen, möchten ihn anfassen und ihm körperlich nahekommen. Auch sexuell.
Anders bei Demisexuellen: Gedanken an Sex und daran, sich körperlich hingezogen zu fühlen, sind bei ihnen am Anfang (noch) nicht vorhanden. Das kommt erst später, wenn das Gefühl der emotionalen Verbundenheit dazukommt. Freundschaft und Liebe sind deshalb vielleicht auch nicht immer klar trennbar bzw. liegen sehr nah beieinander.
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Demisexuell: Dating ohne Kribbeln
Sex gibt es für demisexuelle Menschen nicht ohne emotionale Nähe, ohne Vertrautheit. Und somit entfällt für demisexuelle Menschen auch das Kribbeln, das viele beim Flirten und Daten verspüren. Erst in einer engeren Beziehung beginnen sie, sexuelles Interesse an ihrem Partner oder ihre Partnerin zu haben.
Es gibt ja viele Menschen, die kaum die Finger bei sich behalten können und den anderen beim Date berühren müssen, weil sie ihn so anziehend finden. Für Demisexuelle spielt das keine Rolle, einfach, weil diese Empfindung gegenüber noch fremden Personen bei ihnen anfangs überhaupt nicht stattfindet.

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Jodie Foster
Jodie Foster spricht nur selten über ihr Privatleben und so „outete“ sie sich öffentlich erst 2007, obwohl sie zu der Zeit bereits zwei Kinder mit ihrer ersten Ehefrau hatte. In ihrer Dankesrede bei der Oscar Verleihung 2013 erkärte sie: „Ich hatte mein Coming Out bereits vor tausend Jahren.“ Seit 2014 ist sie mit der Schauspielerin Alexandra Hedison verheiratet.

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Ellen Page
Die kanadische Schauspielerin Ellen Page outete sich während ihrer Rede bei einer Konferenz der Human Rights Campaign im Jahr 2014. Sie ist seit 2018 mit der Tänzerin Emma Portner verheiratet.

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Cara Delevingne
Das britische Supermodel Cara Delevingne hat sich offen als bisexuell geoutet und sagte auch, dass sie Beziehungen zu Frauen denen mit Männern vorzieht.

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Miley Cyrus
Sängerin und Schauspielerin Miley Cyrus ist bereits seit Jahren Aktivistin für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft. Selbst identifiziert sie sich als pansexuell. „Ich will mich nie beschriften. Ich bin bereit, jeden zu lieben, der mich liebt, wie ich bin. Ich bin offen.“

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Lady Gaga
Lady Gaga ist ohnehin eine Ikone der LGBT-Community und erklärte im Jahr 2013, dass sie sich sowohl zu Männern als auch zu Frauen hingezogen fühlt.

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Drew Barrymore
Die amerikanische Schauspielerin Drew Barrymore gestand, in den 90er-Jahren eine lesbische Beziehung mit einer Journalistin gehabt zu haben. „Ich habe mich immer für bisexuell gehalten“, erklärt sie. „Ich denke, zwei Frauen zusammen sind großartig.“

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Sara Ramirez
Schauspielerin Sara Ramirez spielte Dr. Callie Torres in ‚Grey’s Anatomy‘ und ebenso wie in der Fernsehserie, ist sie auch im echten Leben bisexuell. Sie outete sich 2016.

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Lily Allen
Die britische Sängerin Lily Allen erklärte in der ‚Gay Times‘, dass sie bereits lesbische Erfahrungen gemacht habe und davon träume, diese zu wiederholen.

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Ellen DeGeneres
Talkshow-Moderatorin Ellen DeGeneres ist ein Vorbild für viele in der LGBT-Gemeinschaft. Sie outete sich 1997 im Zuge ihrer damaligen Sitcom ‚Ellen‘ als lesbisch. Das versetzte ihrer Karriere einen herben Rückschlag: Ihre Sitcom wurde vom Sender abgesetzt und DeGeneres stand kurz vor dem finanziellen Ruin.
Doch das Blatt wendete sich: Heute ist die sympathische US-Amerikanerin eine der erfolgreichsten Frauen im US-Fernsehen und mit der Schauspielerin Portia de Rossi seit 2008 glücklich verheiratet.
Erotik und Sex treten in den Hintergrund
Auch sonst tun sich demisexuelle Menschen schwer damit, über Sex, Erotik und sexuelle Geschlechtsmerkmale zu sprechen. Sie finden auch niemanden einfach so sexy. Das alles fühlt sich für sie eigenartig an.
Und für manche ist deshalb auch nicht klar einschätzbar, ob sie auf Männer oder Frauen in sexueller Hinsicht stehen. Sex steht eben nicht oben auf der Liste der Dinge, die ihnen bei einem Menschen wichtig sind. Viel wichtiger ist ihnen, dass die Chemie stimmt und man sich versteht, inspiriert und sich geistig miteinander auseinandersetzt.
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Selbsttest: Bin ich demisexuell?
Web-Tipp: Informationen zum Thema, Unterstützung und Gleichgesinnte finden demisexuelle Menschen auch hier auf der Website www.asexuality.org und beim Verein AktivistA.
Wenn du dich beim Lesen des Artikels in vielen Punkten wiedergefunden hast, kann es sein, dass auch du demisexuell bist.
Um für dich selbst klarer zu werden, ob du demisexuell sein könntest, können auch die folgenden Fragen und unser Test helfen. Beantwortest du die Fragen alle mit Nein, spricht das dafür, dass du demisexuell bist:
- Habe ich mich schon mal zu einer fremden Person hingezogen gefühlt?
- Gibt es Prominente/Berühmtheiten, die ich körperlich anziehend finde?
- Habe ich manchmal sexuelle Fantasien, die nicht die Person betreffen, die ich liebe?
- Hatte ich schon mal Sex mit jemandem, den ich nicht geliebt habe?
- Ist Sex für mich ein wichtiger Teil von Beziehungen?
- Fällt es mir schwer, längere Zeit keinen Sex zu haben?