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Erziehung: Wie du verhinderst, dass dein Kind zum People Pleaser wird

Aufgeregtes Mädchen spielt draußen in einer Matsch-Küche und stiftet Chaos.
© Getty Images/ Catherine Falls Commercials

Vorab im Video: Warum "pflegeleichte" Kinder oft unsere größte Aufmerksamkeit brauchen.

Erfahre, welche Erziehungsfehler dein Kind zum Ja-Sager machen können und wie du es stark und selbstbewusst erziehst.

Mach dein Kind nicht zum Ja-Sager

Menschen, die gelernt haben, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, um nicht anzuecken, geliebt zu werden, zu gefallen, nennt man People Pleaser. Viele von uns Millennials sind genau diese Ja-Sager. Denn wir wurden in unserer Kindheit angehalten, leise zu sein, nicht aufzufallen und keine Widerworte zu geben. Und an diese Anforderungen haben wir uns so gut angepasst, dass wir auch heute noch dazu neigen, möglichst unterm Radar zu laufen. Und das zu machen, worum man uns bittet. Ein ‚Nein‘ kommt uns sehr schwer über die Lippen.

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Aber das ist anstrengend. Es kostet viel Zeit und Energie, sich vornehmlich um die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu kümmern, bevor man an sich selbst denkt. Und es kostet mindestens genauso viel Zeit, sich das abzutrainieren und eigene Grenzen durchzusetzen. Unseren Kindern können wir all das ersparen. Wir haben es heute als Eltern in der Hand.

1. Liebe und Leistung gehören getrennt

Ein Klassiker aus unserer Kindheit, der aber tief prägt: Als Kind bekam man besonders viel Lob, wenn man ganz still und leise, z. B. in der Bahn saß und damit die Erwartungen der anderen Mitreisenden (meistens Erwachsene) erfüllt hat. War ein Kind hingegen zappelig, hat neugierige Fragen gestellt und war einfach Kind, wurde es schnell als Störenfried gesehen oder sogar betitelt.

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Besser: Angepasste Kinder mögen auch heute noch auf den ersten Blick ‚einfach und besonders brav‘ erscheinen. Sie sind aber nicht sie selbst. Kinder müssen spüren, dass sie immer geliebt werden, unabhängig davon, was sie gemacht und geleistet haben. Die Liebe der Eltern darf niemals an Bedingungen geknüpft werden.

2. Verantwortung muss zum Alter passen

In vielen Familien trugen besonders die großen Geschwister schon viel Verantwortung. Sie mussten sehr oft auf jüngere Geschwister aufpassen, Konflikte schlichten und fungierten auch mal als emotionale Stütze für die gestressten Eltern. Das ist jedoch viel zu viel für ein Kind. Diese sogenannte ‚Parentifizierung‘, dass ein Kind so behandelt wird wie ein kleiner Erwachsener, ist sehr schädlich für das kindliche Selbstwertgefühl.

Besser: Ein Kind muss Kind sein dürfen. Was nicht bedeutet, dass man ihm keine Verantwortung geben darf. Die muss aber dem Alter entsprechend sein, damit sie positiv auf das Selbstbewusstsein eines Kindes wirken kann. Ist es zu viel, hält sie das Kind klein.

3. Gefühle müssen raus

„Stell dich nicht so an“ ist wohl einer dieser Sätze, den wir alle als Kinder gehört haben, weil wir Angst vor etwas hatten, traurig waren oder unsicher. Dann hat man die Zähne zusammengebissen, die eigenen Gefühle beiseite geschoben und Dinge getan, damit andere zufrieden waren. Und das hat man immer wieder gemacht, um Konflikte (mit den Eltern) zu vermeiden.

Besser: Gefühle müssen ernst genommen werden, auch dann, wenn wir sie nicht verstehen können. Sie sind echt für das Kind. Sie brauchen also keine Ablenkung und müssen auch nicht kleingeredet werden, sondern einfach nur ausgehalten.

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4. Konflikte dürfen ausgetragen werden

Kinder, die daran gehindert werden, Konflikte auszutragen, lernen, dass sie nur akzeptiert werden, wenn sie stillhalten. Sie lernen, dass es einfacher ist, wenn man Problemen oder Konflikten aus dem Weg geht. Das führt dazu, dass eigene Bedürfnisse untergehen, weil man Angst hat, sie unter Umständen verteidigen zu müssen.

Besser: Sich streiten dürfen ist wichtig für unsere Kinder und für Beziehungen. Sie müssen lernen, dass es andere Meinungen gibt und dass man unterschiedlicher Meinung sein kann und trotzdem geliebt wird. Man darf diskutieren, streiten und sich vertragen, ohne, dass die Beziehung in Gefahr ist.

5. Eltern müssen Vorbilder sein

Erleben Kinder, dass ihre Eltern zu allem ja sagen, dabei aber leiden, dass sie sich aufopfern und ihre Bedürfnisse andauernd hinten anstellen, übernehmen sie dieses Muster.

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Besser: Kinder brauchen Eltern, die freundlich, aber bestimmt sind, die nein sagen können und Grenzen setzen. So lernen sie, dass es nicht egoistisch ist, öfter mal bei sich zu bleiben, sondern notwendig, um ein zufriedenes Leben zu führen.

6. Ironie gehört nicht in die Erziehung

Ironische Sätze sind eine Form der Abwertung, die tief sitzt. Ein „Na toll, das hast du ja super gemacht“ als Reaktion auf bspw. einen umgefallenen Trinkbecher erzeugt Schuldgefühle und Scham beim Kind. Auch ständige Kritik, wie „Kannst du nicht besser aufpassen?“, „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ oder „So ungeschickt wie du kann man gar nicht sein“ lassen das Kind glauben, es sei nicht genug, nicht richtig.

Besser: Kritik sollte deshalb immer sachlich formuliert werden und konstruktiv sein. Kinder müssen wissen, dass sie wertvoll sind, auch wenn Dinge daneben, verloren oder kaputtgehen oder wenn sie etwas vergessen. Nur so können sie aus ihren Fehlern lernen und glauben nicht, dass sie selbst der Fehler sind.

7. Anerkennung von Außen ist nicht wichtiger

Nicht selten sorgen Eltern dafür, dass ein Kind in das People-Pleaser-Muster rutscht. Nämlich dann, wenn sie selbst unsicher sind und das Verhalten des Kindes kritisieren und anmahnen, damit andere von außen sich nicht vom Kind bzw. von ihnen gestört fühlen. Dann fallen Sätze wie, „Was sollen denn die anderen Leute denken?“ oder „Nicht so laut, die Leute gucken schon.“

Besser: Wir Eltern sollten unser Verhalten öfter mal reflektieren und uns fragen, ob wir das ‚brave Kind‘ gerade brauchen, um uns selbst besser zu fühlen. Oder ob wir damit klarkommen, dass es auch mal ‚unbequem‘ ist.

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Nein sagen ist nicht respektlos

Das größte Geschenk, das wir unseren Kindern machen können, ist die Gewissheit, dass es sein darf, wie es ist, mit all seinen Stärken, Schwächen, Gefühlen und Grenzen. Wenn ein Kind weiß, dass seine Bedürfnisse zählen, läuft es nicht Gefahr, zum ständigen Ja-Sager zu werden und sich selbst immer ganz hinten anzustellen. Nein sagen ist nicht respektlos. Es zu können, ist gesund.

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