Es gibt Tage, da schaue ich meine Tochter an und denke: Wahnsinn. So viel Herz, so viel Köpfchen, so viel Mut. Und dann gibt es diese anderen Momente: Wenn sie sich klein macht. Wenn sie sich nicht traut, ihre Meinung zu sagen. Wenn sie sich entschuldigt, obwohl sie gar nichts falsch gemacht hat.
Und das macht mich nachdenklich. Warum reagiert mein starkes, schlaues und toughes Kind so zurückhaltend? Warum macht sie sich klein? Was brauchen Mädchen heute, um stark und selbstbewusst aufzuwachsen und wie können wir sie dabei unterstützen? Die Antworten auf all diese Fragen findest du genau hier.
Lies auch: Erziehung: 13 kraftvolle Sätze, die jede Tochter hören sollte!
Warum „brav“ nicht das Ziel sein darf
Viele von uns sind selbst (noch) mit Sätzen aufgewachsen wie: „Sei nicht so laut!“, „Das macht man nicht als Mädchen“ oder „Reiß dich zusammen“. Und obwohl wir es heute besser wissen, rutschen uns ähnliche Aussagen manchmal doch noch raus. Subtiler vielleicht, aber mit derselben Botschaft: Pass dich an, sei angenehm, mach keinen Ärger.
Das Problem dabei ist, dass Mädchen, die gelernt haben, sich ständig anzupassen, leicht den Kontakt zu sich selbst verlieren. Sie überlegen nicht mehr, was sie selbst wollen, sondern richten ihr Handeln nach außen, weil sie glauben, sich verhalten zu müssen, wie andere es von ihnen erwarten. Das führt dann dazu, dass sie weniger oft Kritik üben, sich häufiger zurücknehmen und früh Verantwortung übernehmen, auch da, wo sie eigentlich überfordert sind.
Lesetipp: Dieses ‚Vorzeigekind‘-Verhalten kann ein Hilferuf sein
Was hilft?
Wir dürfen unsere Töchter nicht dafür loben, dass sie lieb sind, sondern dafür, dass sie mutig sind, ihre Meinung sagen, sich selbst treu bleiben. Nicht brave Mädchen verändern die Welt, sondern authentische.
Mädchen sollen nicht perfekt, sondern lebendig sein
Perfektionismus ist bei vielen Mädchen ein echtes Thema. Und er beginnt oft erstaunlich früh. Schon Grundschülerinnen neigen dazu, Fehler als persönliches Versagen zu interpretieren. Sie trauen sich eher seltener an neue Aufgaben heran, wenn sie glauben, nicht sofort gut darin zu sein.
Psycholog*innen sprechen hier vom sogenannten „Impostor-Syndrom“, also dem Gefühl, nicht gut genug zu sein, selbst dann, wenn objektiv alles passt. Mädchen sind davon häufiger betroffen als Jungen. Ein Grund: Sie bekommen oft mehr Lob für ihr Verhalten (z. B. „Du bist so ordentlich!“) als für ihr Denken oder Ausprobieren (z. B. „Spannend, wie du das gelöst hast!“).
Was hilft?
Lasst Fehler zu und erkennt sie als Chance an. Sagt also beispielsweise „Du hast’s probiert – stark!“, auch wenn es in die Hose gegangen ist. Oder fragt nach, was eure Tochter anders machen möchte, wenn sie es ein weiteres Mal versucht. So lernen Mädchen (und auch Jungen), dass sie nicht nur dann wertvoll sind, wenn alles klappt. Sie merken, dass Fehler in Ordnung sind, dazu gehören und man an ihnen wachsen kann.
Mädchen brauchen Worte für ihre Wut
Wut ist unbequem. Besonders bei Mädchen. Denn wütende Mädchen gelten schnell als zickig, hysterisch oder ‚total drüber‘. Mit ernsten Folgen. Denn statt der Wut Raum zu geben, schlucken viele Mädchen sie runter, um nicht negativ aufzufallen.
Dabei ist Wut ein wichtiges Gefühl. Sie zeigt uns, dass eine Grenze überschritten wurde, dass etwas nicht stimmt. Mädchen, die Wut benennen und ausdrücken dürfen, entwickeln ein starkes Gespür für Gerechtigkeit und das brauchen sie, wenn sie sich später behaupten wollen: in Freundschaften, in der Schule, im Job, in Beziehungen.
Was hilft?
Gefühle sollten immer ernst genommen und nicht kleingeredet werden. Statt also sowas zu sagen wie, „Jetzt beruhig dich!“, sollten Mädchen sowas hören wie, „Ich seh, dass du sauer bist. Was ist passiert?“ Und wir Eltern müssen es aushalten, wenn es laut wird. Denn Mädchen, die wütend sein dürfen, lernen, dass sie wichtig sind, dass ihre Stimme zählt.
Lies auch: Teenager müssen sich streiten dürfen! Warum Krach in der Pubertät wichtig ist
Rollenbilder müssen im Alltag aufgebrochen werden
Es gibt heute diverse Kinderbücher, Romane, Filme und Serien mit starken Heldinnen, Astronautinnen und weiblichen Mathe-Genies. Aber was erleben unsere Töchter im echten Leben? Wer übernimmt bei euch zu Hause den Großteil der Care-Arbeit? Wer telefoniert mit der Versicherung, wer näht den kaputten Turnbeutel, wer besorgt Geschenke für Geburtstage und wer macht die Arzttermine?
Kinder lernen nicht nur durch Worte, sondern vor allem durch Beobachtung. Und da zählen auch die kleinen, vermeintlich unwichtigen Dinge, die ihnen helfen, das Bild von ‚typisch weiblich‘ oder ‚typisch männlich‘ zu prägen.
Was hilft?
Mädchen brauchen bewusste Vorbilder, die ihnen zeigen, dass Männer kochen und Frauen Klartext reden. Dass Papa über seine Gefühle spricht und Mama auch mal schwach sein darf. Und sie brauchen Eltern, die überholte Rollenbilder aus dem Alltag laut hinterfragen, aus der Werbung, dem Sportverein oder auch der Schule.
Selbstbestimmung kann im Kleinen geübt werden
Viele Eltern wünschen sich starke Töchter und entscheiden trotzdem oft über ihren Kopf hinweg. „Zieh bitte das Kleid an, das ist schöner.“, „Mach das doch so, das ist einfacher.“, … Was gut gemeint ist, kann schnell dazu führen, dass Mädchen sich abgewöhnen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen oder ihnen nicht mehr zu vertrauen.
Lesetipp: Warum wir Eltern selbst oft unser größtes Erziehungsproblem sind
Dabei lernen Kinder Selbstwirksamkeit nicht (nur) in besonderen Momenten, sondern im Alltag beim Anziehen, beim Verhandeln, beim Ausprobieren, beim Diskutieren.
Was hilft?
Unsere Töchter müssen hören, sehen und fühlen, dass wir sie ernst nehmen und ihre Meinung, ihr Wissen und Können zählen. Indem wir sie fragen, was sie brauchen, denken oder machen würden, zeigen wir ihnen genau das. Stärke zeigt sich nicht nur in Leistung, sondern auch im Vertrauen in die eigenen Ideen.
Unsere Aufgabe als Eltern ist es, unsere Töchter auf dem Weg zu begleiten, sie selbst zu sein und nicht, sie zu formen. Dabei sind starke Mädchen nicht immer laut. Sie sind nicht immer tough, schlagfertig oder ehrgeizig. Manchmal sind sie sanft. Oder zweifelnd. Oder leise. Die Hauptsache ist, dass sie keinen Druck spüren, irgendwer sein zu müssen. Sondern dass sie immer wissen, dass sie selbst genau richtig sind.
Weitere Themen:
- Selbstbewusstsein statt Anpassung: Diese Tipps machen Mädchen stark
- Freundin heute, Feindin morgen: Warum Mädchen in der Pubertät so verletzend sein können
- Warum ausschließlich Papas ihre Kinder zum Spielplatz begleiten sollten
- Studien zeigen: Bestimmte Väter machen Kinder empathischer und selbstbewusster

Angesichts globaler Krisen, gefährlicher Social-Media-Dynamiken, pandemischer Einschnitte, Fachkräftemangels im Bildungsbereich und alarmierender psychischer Belastungen junger Menschen stellt sich die Frage: Was brauchen Kinder und Jugendliche, um sich selbst, ihrem Umfeld und der Umwelt in Zukunft Sorge tragen zu können?
Dazu diskutieren beim diesjährigen FFF Day in Berlin:
-> Emulution, Grundschullehrer und Content Creator
-> Margret Rasfeld, Expertin für Zukunftsbildung & Vernetzerin von Ideen und Menschen
-> Jotam Felmy, Lehrer an einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in Berlin
-> Hanna Hecht, International Officer der Bundesschülerkonferenz
-> Carlotta Richter, Journalistin
-> Hier findest du alle Infos zum FFF Day!